In Renningen steht das Ursula-Mathes-Haus. Es ist in der Region einzigartig und wird speziell an Senioren vermietet, die noch selbstbestimmt leben können.

Renningen - Dieses Haus , das war wie ein Sechser im Lotto“, schwärmt Margot P. Die 75-Jährige ist eine Bewohnerin des Ursula-Mathes-Hauses in Renningen. Das Gebäude an der Alten Bahnhofstraße ist in seiner Form einmalig in der Region. Vermietet wird es nur an Senioren, die noch aktiv sind und in Gesellschaft mit anderen leben möchten. Ermöglicht wurde dieses Konzept durch die Erbschaft der Renningerin Ursula Mathes, die ihr Grundstück und einen großen Teil ihres Vermögens der Bürgerstiftung Renningen vermacht hat.

 

Bei der Haushaltsauflösung wurde den Stiftungsmitgliedern damals vor allem eines deutlich: Ursula Mathes war einsam und mit der Unterhaltung ihres Hauses und ihres Grundstücks überfordert. Mit dem Alter schwanden die Kräfte, sich um das große Gelände zu kümmern. Für den Vorstand der Bürgerstiftung war daher klar: „Wir wollen diese Erbschaft als ein Vermächtnis betrachten.“

Vermietung nur an aktive Senioren

So entstand auf dem Grundstück ein zweistöckiger Gebäudekomplex, bestehend aus neun Wohnungen – allesamt behinderten- und seniorengerecht ausgebaut – und einem Gemeinschaftsraum. Diese Wohnungen werden ausschließlich an ältere Menschen vermietet, die noch ohne Betreuung auskommen, sich aber beispielsweise nicht mehr um ihr großes Grundstück kümmern oder nicht ständig fünf Stockwerke bis zu ihrer Wohnung überwinden können.

Der Neubau ist daher nicht mit einem Mehrgenerationenhaus oder gar betreutem Wohnen zu verwechseln. Das Ziel des Ursula-Mathes-Hauses ist es, dass die Senioren dort so lange wie möglich selbstbestimmt in ihrem eigenen Zuhause leben und sich bei den Kleinigkeiten des Alltags auch gegenseitig unterstützen können. „So möchten wir all dem vorbeugen, mit dem unsere Stifterin zu kämpfen hatte“, erklärt Bernhard Maier aus dem Vorstand der Bürgerstiftung das Konzept.

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Margot P. erging es ähnlich wie Ursula Mathes und vielen anderen älteren Menschen. Jahrelang lebte sie alleine in einer Wohnung, die viel zu groß für sie war. „Ich hatte zuletzt alleine eine Vier-Zimmer-Wohnung und habe über Jahre schon nach etwas Kleinerem gesucht“, sagt sie.

Helga Elbers, ebenfalls Bewohnerin des Ursula-Mathes-Hauses, blickt auf die gleichen Erfahrungen zurück, nachdem ihr Ehemann 2018 gestorben war. „Das Treppensteigen, der Garten, fünf Zimmer für mich alleine, das war einfach zu viel.“ Beide sind zum 1. März 2020 in den Komplex eingezogen – zusammen mit anderen Alleinstehenden oder Paaren.

Das Konzept der Bürgerstiftung ist mittlerweile voll aufgegangen: Die Bewohner sind nicht irgendwelche anonymen Mieter, die nur zufällig im selben Haus wohnen. Sie leben die Gemeinschaft. Immer wieder trifft man sich mit dem einen oder anderen Nachbarn, man plaudert auf den Gängen und hilft sich gegenseitig. Im Erdgeschoss gibt es sogar einen Gemeinschaftsraum, den die Mieter für kleinere Treffen, Kaffee und Kuchen, Geburtstags- und Silvesterfeiern und dergleichen nutzen können.

„Ich fühle mich hier sehr wohl“

Kurzum: Es ist genau das, was sich Margot P. so viele Jahre gewünscht hat. „Seit ich hier lebe, bin ich nicht mehr allein. Ich kann jederzeit bei der Nachbarin läuten, und wenn ich Hilfe brauche, kann ich mich an jeden wenden“, erzählt sie. Erst kürzlich musste sie zu einem Arztbesuch und konnte nicht selbst fahren. Eine Bewohnerin des Hauses hat sie daher mitgenommen. „Das ist hier wie eine große Familie, ich fühle mich hier sehr wohl.“ Das Konzept hinter dem Ursula-Mathes-Haus hat auch ihre jetzige Nachbarin Helga Elbers überzeugt, als sie einst von dem Neubau erfuhr. „Der Grundgedanke ‚Miteinander/Füreinander‘ hat mich sofort angesprochen, und ich wusste, das ist es. Da will ich einziehen.“

Dass sich das Modell so wunderbar bewährt hat, freut Bernhard Maier sehr. „Das Ursula-Mathes-Haus hat seinen Zweck erfüllt.“ Und noch etwas ist der Bürgerstiftung schnell klar geworden: „Der Bedarf an solchen Wohnungen ist da.“ Noch bevor das Ursula-Mathes-Haus überhaupt Gestalt annahm, liefen schon haufenweise Anfragen ein. Der große Wunsch der Bürgerstiftung ist es daher, dieses Modell auch noch an anderer Stelle umzusetzen. „Aber dafür brauchen wir natürlich die Mittel.“