Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier und Kreisrat Günther Wöhler berichten bei der Mitgliederversammlung aus ihrer Gremienarbeit. Es geht ums Geld, bezahlbaren Wohnraum und das Krankenhaus.

Leonberg - Ottmar Pfitzenmaier fackelt nicht lange und startet mit dem derzeit wohl schwierigsten Thema: dem städtischen Haushalt. „Wir hatten gute Jahre, da war das strukturelle Defizit nicht immer so präsent“, erklärt der Chef der Leonberger SPD-Gemeinderatsfraktion am Wochenende in der Steinturnhalle. Doch jetzt schlägt Corona zu, im laufenden Jahr fehlen der Stadt bekanntermaßen zehn Millionen Euro.

 

Leonberg braucht den von Bund und Land zugesagten finanziellen Ausgleich also dringend. Doch davon habe man noch nicht viel gesehen, ein paar hunderttausend Euro seien bis jetzt angekommen. „Das ist ein lächerliche Summe, gemessen an der Gesamtsituation“, so Pfitzenmaier. Bund und Land gäben das Geld mit vollen Händen aus, um den Konsum am Laufen zu halten, während die Kommunen gezwungen würden, ihre Haushalte auszugleichen. Für den SPD-Chef weder „wirtschaftlich nachvollziehbar noch sinnvoll“.

Der Leonberger Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier berichtet aus dem Gemeinderat. Foto: Nicole Schielberg

Woher das Geld auch so einfach nehmen? Leonberg steckt schließlich nicht erst seit Corona in einer Finanzkrise. Dass Kürzen und Sparen nicht zielführend sind, darauf hatte sich der Gemeinderat jüngst bei einer Haushaltsklausur verständigt, bei der auch zwei externe Berater zugegen waren. Eine langfristige Strategie, wohin sich die Stadt entwickeln soll, müsse her.

Und dann könne man Schwerpunkte setzen und Lösungen entwickeln. Dafür will man interfraktionell besetzte Arbeitsgruppen bilden, die sich um die einzelnen Themen kümmern. Das eine oder Ratsmitglied war nach der Klausur vor einer Woche fast schon euphorisch.

Kommunalpolitischer Skandal

Pfitzenmaier hingegen ist skeptisch: Die Flughöhe sei ziemlich hoch gewesen. Wenn man hoch über den Dingen schwebe, sei ein gewisser Konsens möglich. Je tiefer man aber komme, desto mehr schwinde der Konsens. Wo konkret gespart und wo erhöht werden soll, darüber wird noch zu diskutieren sein.

Dass die Mehrheit des Gemeinderates im Sommer über den Vorschlag des SPD-Oberbürgermeisters Martin Georg Cohn, die Dezernate innerhalb der Verwaltung neu zu strukturieren, nicht einmal diskutieren wollte, stößt Pfitzenmaier indes immer noch sauer auf. Organisationsstrukturen, Kommunikationswege und Schnittstellen ändern – für ihn ein klassisches Thema, um nachhaltig Kosten zu sparen. Darüber zu sprechen, sei eine Kernaufgabe des Finanz- und Verwaltungsausschusses, schimpft er und bezeichnet diese Haltung von Teilen des Gemeinderates als „kommunalpolitischen Skandal“.

„Hinterwäldlerisch“ unterwegs

Kritik übt er auch am Aktionismus, den die Landespolitik bei der Digitalisierung an den Tag lege. „Hinterwälderisch“ sei man da unterwegs: Obwohl Bund und Länder bereits vor anderthalb den Digitalpakt Schule auferlegt haben, hatte Leonberg lange keinen Cent gesehen.

Zwar kommt nun, Corona-bedingt, etwas Bewegung in die Sache. Wie in unserer Zeitung berichtet, bekommt Leonberg350 000 Euro aus dem Förderprogramm, um Schulen mit Tablets auszustatten. Stichworte Fernunterricht und Homeschooling. „Aber wie soll das gehen ohne belastbares WLAN? Und was machen die Schüler, die zuhause kein WLAN haben?“ Die technische Ausstattung von Lehrern und Schülern sei schlecht. „Es muss endlich mal zeitgemäßer Unterricht gemacht werden.“

Wie kann man günstig und solide bauen?

Dann reißt Pfitzenmaier das Thema bezahlbarer Wohnraum an. Auf dem Keimareal in Warmbronn und auf dem Gelände der Kreissparkasse in der Grabenstraße ist solcher geplant. Ebenso möglich bei künftigen Bauprojekten im Unteren Schützenrain und an der Berliner Straße. Dass die Stadt es versäumt hat, bezahlbaren Wohnraum auf dem TSG-Gelände bereitzustellen, sei ein Ärgernis, sagt der Fraktionschef. Das Thema beschäftigt auch andere Mitglieder im Raum. Ob man das einstige Arbeitsamt in der Gerhart-Hauptmann-Straße nicht irgendwie nutzen könne, fragt einer. „Das gehört der Stadt und wird genutzt“, erklärt Christa Weiß. Zudem sei es eine mögliche Reservefläche für Schulräume, ergänzt Ottmar Pfitzenmaier.

Wie man günstig und dennoch solide bauen kann, will eine Dame wissen. „Wir präferieren die Zusammenarbeit mit kommunalen Bauträgern“, erklärt der Fraktionschef.

Ein Campus auf dem Krankenhausgelände?

Einen Blick auf das Geschehen im Landkreis wirft Günther Wöhler. Der Kreisrat und Mediziner berichtet, dass die Renovierungen und Umbauten am Leonberger Krankenhaus, für die rund 73 Millionen Euro veranschlagt sind, ihren Gang gingen. Auch von einem vage angedachten Campusprojekt erzählt er. Dabei könnten durch Fachärzte, die sich mit ihrer Praxis in Leonberg ansiedelten, Synergien mit dem Krankenhaus entstehen. Etwa eine kardiologische- oder eine Dialysepraxis.

Kreisrat Günther Wöhler erzählt von einem möglichen Gesundheitscampus. Foto: factum/Granville

Auch die dringend benötigte hausärztliche Kompetenz spricht Wöhler an. Etliche Patienten werden bei den Hausärzten abgelehnt, andere haben gar keinen. Viele Menschen gehen in die Notaufnahme des Krankenhauses, obwohl sie dort gar nicht hingehören. Durch die Betreuung ambulanter Notfälle entstünden so Millionendefizite. „Zwei Drittel dieser Patienten gehören in eine Notfallpraxis“ sagt Wöhler. Da diese aber erst nachmittags geöffnet hat, wäre eine vorgeschaltete Praxis im Krankenhaus denkbar, die die Patienten anschaut.

Auf die Frage, ob es schon konkrete Planungen gebe, antwortet Wöhler: „Das sind Planspiele, aber es gibt noch keinen Investor.“ Man setze jetzt darauf, dass der neue Regionaldirektor für die Kliniken in Leonberg und Herrenberg, Christoph Rieß, das Campusprojekt aus dem Nebel hole. Und man sollte eine Bestandsaufnahme machen: Was haben gibt es in Leonberg und was braucht man?

B 464: Kein vierspuriger Ausbau

Günther Wöhler betont auch einmal mehr, wie wichtig es ist, dass der Rettungshubschrauber „Christoph 41“ am Leonberger Krankenhaus ist. Und dass er auch dort bleibt. Zum einen sei er wichtig für die Belegungszahlen, da der Hubschrauber viele Unfallopfer nach Leonberg fliege. „Und wir brauchen ihn für Verlegungsflüge von einer Klinik in die andere“ Das sei mit Krankenwagen angesichts des Stauproblems rund um Leonberg schlicht nicht leistbar.

Für eine Sache, die im Böblinger Kreistag immer wieder auf den Tisch kommt, hat der SPD-Mann kein Verständnis: Für den von derCDU geforderten vierspurigen Ausbau der B 464. Dass sich damit die Zahl der Unfälle verringern lasse, weil der Überholdruck weg sei, glaubt er nicht. Das habe ihm auch ein Notfallseelsorger bestätigt. Die Ursachen für die schlimmen Unfälle in den vergangenen Monate seien ganz unterschiedliche gewesen. Wöhlers Vorschlag: „Tempo 90, Hinweisschilder und eine konsequente Überwachung.“