Der Bariton hat drei Jahrzehnte in Warmbronn gelebt, wo er auch begraben ist. Heute wäre er 95 Jahre alt geworden.

Leonberg - Er war weltbekannt, aber in seiner Wahlheimat Warmbronn, wo er fast drei Jahrzehnte wohnte, lag es an seiner unglaublichen Bescheidenheit, dass er einfach nur ein guter Nachbar war – der Bariton Raymond Wolansky.

 

„Am heutigen Montag wäre der großartige Künstler 95 geworden“ erinnert der Warmbronner Fotograf Paramjeet S. Gill, der Wolansky 2014 in seinem Buch „Warmbronn – Bilder einer Dorflandschaft“ auch vorgestellt hat. Doch selbst getroffen hat er den Sänger nicht. Der war am 1. Dezember 1998 während eines Jubiläums des Freundeskreises für Senioren im Samariterstift in Leonberg, wo er noch Arien aus Gershwins „Porgyand Bess“ sang, bewusstlos zusammengebrochen und im Alter von 72 Jahren verstorben. Begraben ist er in Warmbronn

Wolansky war sehr bescheiden

Kaum ein anderer kann so viel über den Künstler und den Menschen Raymond Wolansky erzählen, wie der Warmbronner Bildhauer Max Schmitz, dessen Nachbar der Bariton 28 Jahre lang gewesen ist. Vieles davon haben die Warmbronner 2015 anlässlich einer Ausstellung im Bürgertreff erfahren, zu der auch Max Schmitz eingeladen war. „Wenn ich Unkraut gerupft habe, hat er manchmal gegossen oder umgekehrt. Was mich fasziniert hat, war seine unglaubliche Bescheidenheit und dass dieser Mann nie etwas Negatives über andere Menschen gesagt hat“, erzählte Max Schmitz.

„Nur eine Handvoll Leute kannten Raymond Wolansky wirklich. Manche kannten ihn vom Sehen, weil er oft mit seinem Dackel inmitten einer Wiese stand und Rollen repetierte. Man brauchte ihn da allerdings gar nicht zu grüßen oder anzusprechen, denn er hat dann nichts um sich herum wahrgenommen“, erinnerte sich der Bildhauer an seinen Nachbarn.

New York, Mailand, Wien – und Warmbronn

Raymond Wolansky wurde 1932 in Cleveland, Ohio, geboren. Seine Eltern stammten aus der Ukraine. An deutschen Opernhäusern sangen nach dem Krieg viele ausländische Sänger, um in unterschiedlichen Ensembles Erfahrungen zu sammeln. Oder, weil es wie in Stuttgart, an hochklassigem Bariton-Nachwuchs fehlte. Sein erstes Engagement als lyrischer Bariton bekam er 1954 in Luzern. Zwei Jahre später wechselte er nach Graz und gab gegen Ende der Spielzeit 1958 in Stuttgart ein Gastspiel. Hier hat Wolansky schon früh seine künstlerische Heimat in Walter Erich Schäfers legendärem Ensemble gefunden. Von dort aus unternahm er Ausflüge in die große weite Opernwelt, wo man ihm nicht weniger zujubelte als daheim am Eckensee: New York, Mailand, Wien, London, Paris oder Bayreuth?

Max Schmitz: „Seit 1970 habe ich fast alles von ihm gehört. Er hat ja so ziemlich alles gesungen, was man sich denken kann: Mozart, Tschaikowskys, Bizet, Rossinis, Verdi. Er war aber nicht nur ein hervorragender Sänger mit einer wahnsinnig wandlungsfähigen Stimme, sondern sicher auch der begabteste Schauspieler-Sänger, den Stuttgart je hatte. Und er war sich für nichts zu schade, hat sich Treppen heruntergeworfen, blaue Flecken und sogar Verletzungen hingenommen. Wenn man weiß, dass er abgesehen von José Carreras mit allen Größen gesungen hat, Luciano Pavarotti, Placido Domingo, Joan Sutherland, und an praktisch allen großen Opernhäusern der Welt, kann man sich nur wundern, dass er nicht größenwahnsinnig wurde. Aber er war das Gegenteil, er hat nicht mal Schallplatten von sich gesammelt.“

Leise, feine Töne und Nuancen

„Die Intensität, mit der Raymond Wolansky die von ihm verkörperten Figuren auf der Bühne ausstattete, machte sie nicht nur glaubwürdig, sondern sorgte darüber hinaus dafür, dass man sich mit diesen Menschen und ihrem Schicksal identifizieren konnte“, hieß es im Nachruf dieser Zeitung zum Tode des großen Künstlers. „Wolansky war auch dann, wenn es darum ging, raue, polternde, deftige Typen mit seiner Stimme zum Leben zu erwecken, stets ein Künstler der leisen, der feinen Töne und Nuancen. Da er selbst Anteil nahm, gab er den Figuren die notwendige Tiefenschärfe und emotionale Kontur. Immer trat er bescheiden und nobel hinter die Figuren zurück. Seine Stimme hat Raymond Wolansky als ein Geschenk betrachtet, dessen man sich durch schonungsvollen Umgang stets aufs neue würdig erweisen muss, um auf der Bühne immer alles geben zu können.“