Das Leonberger Amtsgericht verurteilt eine 58-Jährige zu einer Bewährungsstrafe. Die Frau finanzierte mit dem Geld ihre Spielsucht. Dem Verein brachte das fast den Ruin.

Leonberg - Seit 2009 betreibt der Verein Triangel in der Gerhard-Hauptmann-Straße im Auftrag der Stadt Leonberg die Mensa für Schüler und Lehrkräfte des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, des Johannes-Kepler-Gymnasiums und der Gerhart-Hauptmann-Realschule. Eltern der Schüler kochen ehrenamtlich viermal pro Woche 200 bis 600 Mittagessen, die Schüler und Lehrkräfte für einen kleinen Betrag bekommen. Es ist ein Erfolgsmodell, das seit mehr als zehn Jahren besteht, doch im vergangenen Jahr fast ein abruptes Ende gefunden hätte – wie sich bei einem Prozess vor dem Leonberger Amtsgericht herausstellte.

 

Lesen Sie aus unserem Angebot: Die Stadt wird Träger der Triangel-Mensa

Bei der Erstellung der Jahresbilanz für 2020 fiel dem Steuerberater des Vereins im Februar vergangenen Jahres auf, dass ausweislich des Kassenbuches ein ungewöhnlich hoher Barbestand von mehr als 80 000 Euro existieren müsse. Das kam dem Vorsitzenden Oliver Zander merkwürdig vor. Er erkundigte sich bei seiner damaligen Kassiererin, die den Verein zwölf Jahre zuvor mitbegründet und die Finanzen bis dahin ohne jegliche Beanstandung tadellos geführt hatte. Als Antwort erhielt er die Auskunft, dass die Kassiererin das Geld auf einem Festgeldkonto angelegt habe, um Zinsen für den Verein zu erwirtschaften.

Der Schock: Das angekündigte Geld kommt nicht

Dies versetzte Oliver Zander einen kleinen Schock, schließlich hätte die Frau ohne ihn gar kein Konto auf den Verein eröffnen dürfen. Er forderte von ihr alle Unterlagen und eine Abtretungserklärung. Nachdem ihm die damalige Kassiererin des Vereins eine Bankbestätigung gezeigt hatte, laut der sich der Barbestand sogar auf rund 139 000 Euro erhöht habe, schien zunächst alles in Ordnung zu sein.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Triangel-Mensa ist top im Land

Als das angekündigte Geld jedoch Anfang März nicht kam und sich die Kommunikation mit der Frau immer zäher gestaltete, suchte der Vereinsvorsitzende sie an einem Abend gegen 23 Uhr an ihrem Arbeitsplatz auf. Dort gestand sie ihm, dass das Geld weg sei und sie sich selbst angezeigt habe. Oliver Zander berief sofort eine Sondersitzung des Vorstands ein, enthob die Kassiererin ihres Amtes und stellte Anzeige bei der Polizei.

Er erwirkte einen Vollstreckungstitel gegen die Frau, doch außer ein paar Hundert Euro war nichts zu holen. „Der Verein stand vor dem kompletten Aus, das Vermögen bestand nur noch aus ein paar Hundert Euro“, berichtete Oliver Zander vor Gericht.

Als Glücksfall erwies es sich, dass zu dieser Zeit ein Lockdown war: So musste der Verein keine Lebensmittel kaufen, das Gehalt für die Triangel-Mitarbeiter in Kurzarbeit übernahm die Agentur für Arbeit.

Der Verein: 20 000 Euro Entschädigung aus Versicherung

Zudem gelang es dem Vereinsvorsitzenden trotz „einiger schlafloser Nächte“ verschiedene Zuschüsse, unter anderem von der Stadt, zu generieren. Auch aus einer Versicherung, die für den Fall einer Untreue abgeschlossen worden war, flossen 20 000 Euro auf das Vereinskonto.

Die Ex-Kassiererin, die die Staatsanwaltschaft wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung mit einem Gesamtschaden von 84 500 Euro angeklagt hatte, räumte die Vorwürfe vor dem Amtsgericht unumwunden ein. Sie habe zwischen Dezember 2019 und Februar 2021 in insgesamt 30 Fällen Geld von einem Triangel-Konto auf ihr eigenes Konto umgebucht oder direkt Spielschulden bei Online-Casinos beglichen.

Um diese Transaktionen zu verschleiern, habe sie die Beträge als Barzahlungen im Kassenbuch eingetragen. Sie gestand auch, eine Bestätigung ihrer Bank gefälscht zu haben, um dem Vorsitzenden vorzugaukeln, sie habe das Geld auf einem Festgeldkonto angelegt.

Die Angeklagte: Spiele, seit ich 18 bin

„Ich spiele, seit ich 18 bin. In Stuttgart kannte ich mal jede Spielothek an jedem Eck“, erzählte die 58-Jährige. Im Jahr 2019 habe sie den Sinn für die Realität verloren und mit immer höheren Einsätzen vor allem online gespielt. „5000 Euro im Monat waren keine Seltenheit“, meinte die Frau, die seit knapp zehn Jahren geschieden ist. Anfangs habe sie gedacht, sie leihe sich nur mal 500 Euro, die sie wieder zurückzahle, aber es sei immer mehr geworden.

Sie habe am Ende versucht, einen neuen Kredit zu bekommen, um ihre Taten zu verschleiern, sei damit aber gescheitert. Seit der Entdeckung habe sie aber aufgehört zu spielen – bis auf 50 Euro monatlich für Lotto. Mit einem Gewinn wolle sie ihre Schulden zurückbezahlen. „Es kribbelt zwar manchmal noch, aber der Laptop wird nur noch für notwendige Korrespondenz geöffnet“, erklärte die Angeklagte. Ihr Chef und ihre Kinder wüssten über ihre Sucht Bescheid und würden sie auf ihrem Weg unterstützen.

Das Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung

Das Schöffengericht verurteilte die 58-Jährige nach mehrstündiger Sitzung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Untreue in 30 Fällen und Urkundenfälschung. Für einen Teil der Fälle ging das Gericht von einer verminderten Schuldfähigkeit aus, da die gewohnheitsmäßige Spielsucht pathologische Züge angenommen habe. Zudem muss die Frau eine Therapie gegen ihre Spielsucht antreten und 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. „Offenbar haben hier aber auch einige Kontrollmechanismen versagt“, stellte die Amtsrichterin Sandra De Falco fest.

Tatsächlich hatte die Ex-Kassiererin dem Steuerberater zu jedem Quartal alle Unterlagen überlassen, ohne dass der steigende Barbestand aufgefallen wäre. Dass dies erst bei der Bilanzerstellung für 2020 passierte, fand nicht nur der Verteidiger Hans-Jürgen Schmitt „unverständlich“. Immerhin dürfte sich so ein Fall nicht wiederholen. Laut Oliver Zander sei die neue Kassiererin nicht mehr alleine verfügungsberechtigt, es gelte nun das Vier-Augen-Prinzip.