Marc Biadacz, Jasmina Hostert, Tobias Bacherle, Florian Toncar, Richard Pitterle und Markus Frohnmaier stehen Gymnasiasten Rede und Antwort.

Rutesheim - So, wie man es sich vorstellt, läuft es nie, aber es war okay.“ Zufrieden bilanziert Luka Ralf Schrödter eine große Podiumsdiskussion, die er zusammen mit seinem Mitschüler Mika Enderich moderiert hat und die es so an anderen Schulen im Landkreis wohl nicht geben wird. Laut dem Schulleiter Jürgen Schwarz ist diese schulinterne Veranstaltung an einem Gymnasium im Landkreis Böblingen einmalig gewesen.

 

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Denn am Freitag traten sechs Kandidaten für die Bundestagswahl zusammen in der Bühlhalle auf die Bühne: Jasmina Hostert (SPD), Marc Biadacz (CDU), Tobias Bacherle (Die Grünen) Florian Toncar (FDP) Richard Pitterle (Die Linke) und Markus Frohnmaier (AfD). Gut 300 Schülerinnen und Schüler der 11. Klassen und der Stufe J 1, darunter viele Erstwähler, hörten aufmerksam zu, wie die Politiker ihre Fragen zu aktuellen Themen beantworteten. Dabei hatten die Kandidaten mit ihren teils detaillierten Ausführungen allerdings nicht immer ihr jugendliches Publikum im Blick.

Politisches Interesse der Schüler wecken

Mit ihren Gemeinschaftskundelehrern Hans-Jörg Läpple, Elena Schmutzler und Christoph Strelau hatte die Klasse 11 c die Veranstaltung intensiv vorbereitet. „Wir haben viel diskutiert, wie man so etwas machen kann“, erzählen Luka Ralf Schrödter und Leonie Stumber, die sich ebenfalls intensiv an der inhaltlichen Vorbereitung beteiligt hatte. Die ganze Klasse habe mitgearbeitet, und man habe sich mit den Programmen der Parteien befasst.

„Wir machen nicht nur Normalunterricht nach Plan“, erklärt Hans-Jörg Läpple, „sondern wir wollen das Interesse der Jugendlichen an diesen Themen wecken.“ Das sei ein wichtiger Aspekt der politischen Bildung. Schon bei der vergangenen Bundestagswahl vor vier Jahren waren die damaligen Kandidaten zu Gast im Rutesheimer Gymnasium.

Wie geht ein gerechter CO2 -Preis?

Mit zwei Themen konfrontierten die Schüler die Politiker. Jeder Kandidat hatte für ein erstes Statement 90 Sekunden Zeit, ein „Zeitwächter“ im Publikum achtete auf das Limit. In der folgenden Diskussionsrunde konnten sie dann ausführlicher werden, was manche von ihnen, ganz Politiker, auch reichlich nutzten und die jungen Moderatoren nicht immer unterbinden konnten.

Wie hoch der CO2-Preis sein dürfe, ohne soziale Ungleichheit zu befördern, lautete die erste Frage. Man habe in der CDU-Fraktion hart über die Bepreisung diskutiert, sagte Marc Biadacz, man müsse die Menschen vom Klimawandel begeistern. Der CO2-Preis müsse steigen, meinte Jasmina Hostert, aber sozial verträglich sein. „Wir müssen viele andere Dinge fürs Klima tun.“

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Für Markus Frohnmaier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und was der Einzelne tun könne. „Stellt euch vor, ihr habt einen Diesel und könnt eure Oma nicht mehr in die Stadt fahren“, sagte er ins Publikum. Für Richard Pitterle müsste vorgegeben werden, dass Autos überhaupt nur bestimmte Emissionen ausstoßen können. Florian Toncar sagte, seine Partei schlage eine CO2-Deckelung vor, als Mittel könne der Emissionshandel dienen. Wo eingespart werde, müsse der Markt entscheiden. Tobias Bacherle stellt sich die Frage, was mit dem Geld aus der Steuer gemacht werde. Seine Partei möchte das Geld zurückverteilen an diejenigen, die weniger CO2 ausstoßen.

Was nützt das Lieferkettengesetz?

„Ist das Lieferkettengesetz ein starkes Instrument zum Schutz der Menschenrechte oder ein ,zahnloser Tiger’“?, wollten die Schüler in der zweiten Fragerunde wissen. Während Biadacz und Hostert das Gesetz für guthießen, fragte Frohnmaier, wie es deutsche Unternehmen, vor allem kleine, schaffen sollen, dass „sie plötzlich überall auf der Welt dafür sorgen sollen, dass soziale und ökologische Standards eingehalten werden“. Kleine Unternehmen würde das Gesetz gar nicht treffen, stellte Hostert richtig.

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Toncar befürchtet, dass das Gesetz den Entwicklungsländern Nachteile bringe, weil die Firmen wieder mehr in Deutschland und Europa produzieren werden. Das sah auch Bacherle ähnlich, deswegen müsse das Thema europäisch verhandelt werden. „Viele Menschen arbeiten in Sklavenarbeit“, sagte er. Pitterle hält das Gesetz zwar für eine „gute Sache“, sieht es aber durch Lobby-Arbeit „kastriert.“

Die politischen Ansichten der jungen Zuhörer waren mangels Reaktionen nicht zu erkennen; Applaus gab es für alle. Spannend dürfte für sie gewesen sein, dass sich auch hier wie auf der großen politischen Bühne die Fronten zwischen den Lagern zeigten. So parierte Biadacz (CDU) lange Ausführungen von Frohnmaier (AfD) mit „Das war jetzt viel Polemik, bei uns entscheidet die Mehrheit.“ Der CDU-Mann musste sich aber auch kritische Nachfragen der Moderatoren gefallen lassen, wie „Warum steht die CO2-Steuer nicht im Wahlprogramm der CDU?“

Schulleiter Jürgen Schwarz ist zufrieden mit der Veranstaltung. Sie habe gezeigt, wie Politik ist, nämlich lebendig, kontrovers, mit den verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten. „Was wir hier mit den Schülern aufgestellt haben, ist einfach klasse“, sagte er.