Die Veranstaltungsbranche macht auf ihre Corona-bedingte Notlage aufmerksam. Auch im Altkreis erstrahlen viele Gebäude. Für die Menschen eine willkommene Abwechslung.

Altkreis - Auch um 22 Uhr ist es noch warm genug, um ohne Jacke draußen zu sein. Ein lauer Sommerabend in Rutesheim, der wohl erste in diesem Jahr. Die blaue Stunde ist angebrochen. Doch anstatt dass im Städtchen die Nachtruhe anbricht, bahnen sich elektronische Klänge ihren Weg durch die Straßen in der Ortsmitte. Ein Lockruf, dem immer mehr Menschen folgen und schließlich vor dem Rathaus ankommen. Kreise, Streifen, große und kleine Flecken aus rotem und weißem Licht tanzen im Takt der Musik über das Gebäude, die dunkle Fassade der Stadtverwaltung bietet eine ideale Leinwand für Laurenz Theinerts Kunst, die er mit seinem Lichtpiano schafft.

 

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Gebannt sitzen etwa 60 Menschen auf dem Vorplatz und genießen das Lichtspektakel. Viele halten ein Eis aus der neu eröffneten Eisdiele gegenüber in der Hand. Und alle halten Abstand voneinander. „Wir hatten erst Angst, dass zu viele kommen. Aber die Rutesheimer sind alle brav“, sagt Stefanie Kutz-Getrost. Die Eventplanerin hat die Lichtkunstaktion eingefädelt und mithilfe anderer lokaler Firmen für Veranstaltungstechnik umgesetzt. Die Aktion ist Teil der „Night of Lights“, mit der die Veranstaltungsbranche Montagnacht auf ihre Corona-bedingte Notlage aufmerksam machen wollte.

Branche ohne Perspektive derzeit

Weit mehr als 6000 Gebäude in Deutschland und viele weitere in Europa erstrahlten zwischen 22 und 1 Uhr in rotem Licht. „Alarmstufe Rot“ sozusagen. Denn durch die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie sind seit Mitte März Großveranstaltungen untersagt. Erst seit kurzem sind kleinere private Feiern und öffentliche Veranstaltungen mit maximal 99 Teilnehmern wieder erlaubt. Doch viele in der Branche, gerade im Messegeschäft, stehen derzeit komplett ohne Aufträge – und viel schlimmer ohne Perspektive – da.

Den meisten Zuschauern in Rutesheim ist der Hintergrund der Aktion nicht bewusst. „Ich habe das gerade zufällig entdeckt“, sagt Bernd König, der das Spektakel sehr genießt. „Ich vermisse das schon. Viele Konzerte, die ich besuchen wollte, haben nicht stattgefunden“, sagt der Rutesheimer. Sollte es weitere Lockerungen geben und Veranstaltungen bald wieder möglich sein, würde er auch hingehen.

Party, Kino, Konzerte – etwas fehlt

„Wir wohnen in der Nähe, haben aber nicht gewusst, dass es stattfindet“, sagt Anja Wirkner, die mit ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter den Klängen gefolgt ist. „So etwas könnte es jeden Abend geben“, meint sie. Die Musik sei sehr angenehm, nicht vergleichbar mit Party-Techno. „So etwas wie heute würde mich als Anwohner nicht stören.“

Hin und wieder mal ins Kino oder auf eine private Feier zu gehen, vermisse sie schon. „Wir waren im Mai auf eine Hochzeit eingeladen, die ist ausgefallen. Das war sehr traurig fürs Brautpaar“, erzählt die Rutesheimerin.

Die Aktion zieht an

Auch zum Rutesheimer Wasserturm auf der Steige zieht es viele. Aufgrund seiner Größe ist er weithin sichtbar – an diesem Abend gleicht er einem riesigen roten erhobenen Zeigefinger. Mitten im Wohngebiet herrscht auch hier um 23 Uhr noch viel Betrieb. In Heimsheim dagegen ist der große Andrang vorbei. Nur einige Hobbyfotografen nutzen das freie Sichtfeld auf Schlegerkasten und Schloss, um das perfekte Foto zu schießen. „Wir haben etwa 99 Strahler aufgestellt“, sagt Lasse Aldinger. Full Range Events, die Firma seines Bruders Lars, stemmt die Aktion in Heimsheim.

Auch eine Gruppe junger Leute hat sich versammelt. „Man merkt schon, dass etwas fehlt. Man fühlt sich schon eingeschränkt“, sagt Louis Lautenschlager. Ein guter Freund arbeite als Veranstaltungstechniker, daher wisse er um die derzeitigen Probleme der Branche. Den jungen Leuten fehlen vor allem Feiern mit Freunden und kleinere Partys. Das Coronavirus macht ihnen dabei keine Sorgen. „Ich hätte kein Problem damit, mich mit Leuten da zu treffen oder auf ein Konzert zu gehen“, sagt Lautenschlager. „Aber geschlossene Räume müssen nicht unbedingt sein“, fügt Julian Steiner hinzu.

Nur private Aktionen in Leonberg

In Leonberg hat die Stadtverwaltung nicht erlaubt, dass städtische Gebäude für die „Night of Lights“ angeleuchtet werden. Lokale Eventfirmen wie „Sound & Light“ im Ramtel oder „Music & Light Design“ im Hertich haben deshalb ihre Firmengebäude in rotes Licht gehüllt. Bei MLD war die 40-köpfige Belegschaft das erste Mal seit drei Monaten wieder versammelt. „Wir brennen für das, was wir tun. Zu tun gibt es unterdessen aber fast nichts“, sagt Geschäftsführer Simon Müller.