Der Kabarettist Lars Reichow und frivole Burlesque-Künste krönen das Finalwochenende des Festivals“.

Leonberg - Er kenne Leonberg gut, schon seit Kindertagen, vom Stau her, als er mit seinen Eltern in Urlaub gefahren sei. Wer’s glaubt? Die ersten Lacher rund um ein eigentlich ernstes Thema sind dem Mainzer Kabarettisten, Comedian, Pianisten und Sänger Lars Reichow auf jeden Fall sicher, und schon hat er das Publikum auf seiner Seite. Er hat sich auf die Stadt am Engelberg gut vorbereitet. Eltingen, Leonberger Bausparkasse, der Stau vor dem Tunnel, die Schlagwörter, die die Stadt kennzeichnen, hat er drauf, und ändert die Worte des US-amerikanische Präsidenten etwas um: „Leonberg First – let’s make Eltingen great again“. Eine Spaltung des Publikums wolle er aber nicht betreiben und so belässt er es bei seiner kleinen Anspielung auf die uralte Hassliebe zwischen Eltingern und Leonbergern.

 

Vom British Island zum Elend

Stadthallenmanager Nils Straßburg freut sich, dass er Reichow für das „Leonpalooza“-Festival gewinnen konnte und kündigt ihn als den von ihm verehrten „besten Musik-Kabarettisten im deutschen Raum“ an. Sicher nicht zu Unrecht, beherrscht Reichow doch die leichte Muse mit ernstem Hintergrund genauso wie den Mut zu klaren politischen Statements. Reichow zeigt Haltung und spricht offene Worte gegen Nationalismus, Rassismus, verbunden mit einem Bekenntnis zu weltoffenem Denken und Handeln. Ob Donald Trump, Boris Johnson und „das British Island, das zum British Elend verkommen ist“, die AfD, Anti-Corona-Demonstranten und Putin, alle bekommen ihr Fett weg: „Und der Altkanzler sitzt auf Putins Schoß und frisst ihm aus der Hand“, skandiert Reichow. „Was können wir tun?“, fragt der Entertainer. „Von diesem Programm soll ein Ruck ausgehen“, das ist sein Ziel für diesen Abend.

Lars Reichow beherrscht nicht nur im übertragenen Sinn die Klaviatur des politischen Kabaretts, sondern auch im musikalischen Sinn die Klaviatur von Keyboard und Flügel, die beide auf der Bühne für ihn bereitstehen. Seine „Schleichwerbung“ für den Pfeiffer-Flügel der örtlichen Klavierfabrik wird zum Running Gag des Abends, sehr zum Gefallen des Publikums.

Spaß, wieder auf der Bühne zu stehen

Er bietet am Freitagabend ein ebenso langes wie kurzweiliges Programm über insgesamt zwei volle Stunden. Man merkt ihm an, dass er selbst Spaß daran hat, wieder auf der Bühne zu stehen und freut sich über die „tolle Landschaft“, die auf dem Bürgerplatz vor der Stadthalle für das Festival entstanden ist, „als ob es nie anders gewesen wäre“.

Und wenn man einen Höhepunkt der Show aussuchen müsste, was sichtlich schwerfällt, dann fällt die Wahl auf die Rede eines Wahlverlierers, der null Stimmen bekommen hat, auch weil er vergessen hat, die Wahlplakate aufzuhängen und nicht einmal selbst zur Wahl gegangen ist. Lars Reichow im Määnzer Dialekt in der Bütt, diesmal nicht bei „Mainz bleibt Mainz“, sondern live bei Leonpalooza.

Fantasie und Reiz in jeder Größe

Ein heißes Programm in einer lauen Sommernacht bot die Stuttgarter Burlesque Revue Samstagnacht. Wie schon bei Lars Reichow ist die Veranstaltung ausverkauft. Und bei der Striptease-Show gehen nicht nur die Männer ab. Auch den Frauen gefällt, was sie sehen. Tatsächlich erleben die Grundwerte der Burlesque in der heutigen Zeit eine Art Revival. Durchaus auch deutlich kurvige Plus-Size-Frauen der Stuttgarter Revue zeigen Mut und Selbstbewusstsein und lassen die Hüllen fallen, nicht so ganz, aber doch genug, um die Fantasie anzuregen.

Burlesque ist mehr als nur Striptease. Das eigentliche Ausziehen der zahlreichen Dessous ist zweitrangig. Vielmehr steht der „Tease“ im Vordergrund, die Verlockung, das Spiel mit dem Betrachter, das Erzählen einer kleinen Geschichte. Und die Showtruppe will den Zuschauern Leichtigkeit und Unbeschwertheit bieten für einen Abend in Zeiten von Corona.

Wiederholung im Jahr 2021?

Fanny di Favola, Gewinnerin des Amsterdam Burlesque Award, zeigt die hohe Kunst. Sie betreibt in Stuttgart die „Schule für Burlesque“ und präsentiert ihre Show in einem Kostüm im Stil der 20er Jahre des Moulin Rouge, der Glanzzeit Tanzes. Für sie ist Burlesque „ein Weg, um selbstbewusster im Leben zu stehen, seine Sinnlichkeit zu kennen und den eigenen Körper in all seiner Unperfektheit zu lieben“.

Es ist das Schlusswochenende von „Leonpalooza“. Nach drei Wochen vollem Programm mit Rock, Folk, Comedy, Kabarett und Burlesque überkommt Organisator Nils Straßburg nach dem Auftritt von Lars Reichow etwas Wehmut, dass das Festival nun zu Ende geht. „Wenn ihr Lust habt, werde ich mich um ein ‚Leonpalooza 2021’ kümmern“, kündigt er an. Der Applaus zeigt, klar, dass das Publikum eine Wiederholung will.