Der Eltinger Pfarrer Dennis Müller und die Leonberger Entspannungstherapeutin Juliane Mangold wollen den Menschen in der Corona-Krise helfen, innere Ruhe zu finden und Kraft zu schöpfen.

Leonberg - Es ist kurz vor zehn am Dreikönigstag, die Glocken der Eltinger Michaelskirche läuten. Draußen schneit es, es ist kalt und ungemütlich, der Himmel ist grau. Im Kircheninneren hingegen herrscht eine friedliche und harmonische Atmosphäre, die Lichterketten am großen Christbaum leuchten, eine Kerze flackert. Ein beruhigender Anblick, der sich an diesem Mittwoch den Zuschauern vor ihren Bildschirmen bietet. Denn wie schon in den vergangenen Wochen und Monaten, findet auch dieser Gottesdienst live im Internet statt. Die Corona-Pandemie und der Lockdown verbieten ein Zusammentreffen in der Kirche.

 

Innere Ruhe in Zeiten von Corona

Der Eltinger Pfarrer Dennis Müller hat sich mit dieser Situation arrangiert. Statt geradeaus in die Kirche, wo sonst Menschen sitzen und seine Worte hören, blickt der 41-Jährige stets nach oben in die Kamera, spricht die Zuschauer direkt an. „Heute feiern wir das Fest Epiphanias. Es gibt Menschen, Orte oder Momente, die haben eine besondere Ausstrahlung, die sind von etwas erfüllt, das nicht verborgen bleiben kann. Von der starken Strahlkraft, die von Jesu Geburt ausging, spricht das Fest der Erscheinung, griechisch Epiphanias“, sagt der Pfarrer. „Um diese Leuchtkraft nachzuspüren, lade ich Sie heute ein, mit besonderer Musik und einer Lichtmeditation zur Ruhe zu kommen.“

Innere Ruhe, Kraft und Achtsamkeit – darum geht es in diesem Gottesdienst der etwas anderen Art. Über Meditation und Gebet näher zu Gott und so sich selbst näher zu kommen, hat eine lange Tradition, weiß Dennis Müller. Die Wurzeln meditativer Techniken im Christentum reichten weit zurück.

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Der Pfarrer spannt auch den Bogen ins Hier und Jetzt, zur Corona-Pandemie. Sie mache vielen Menschen zu schaffen. „Praxen von Paartherapeuten sind überlaufen, psychologische Beratungsstellen auf Monate ausgebucht, die Menschen halten es mit sich und anderen oftmals nicht mehr aus“, sagt Dennis Müller. Einsamkeit, Isolation, existenzielle Nöte und Ängste und die immerwährende Konfrontation mit dem Tod: „Gerade jetzt sind wir noch mehr auf uns selbst zurückgeworfen, brauchen Orte, an denen wir zur Ruhe kommen, an denen wir Stille als heilsam und gut erfahren, unsere Mitte finden und achtsam mit uns umgehen.“

Wie das geht, weiß Juliane Mangold. Die Leonbergerin arbeitet als Entspannungstherapeutin, Achtsamkeitstrainerin und ist Handpan-Musikerin. Diese bisweilen noch recht unbekannten Blechklanginstrumente – bestehend aus zwei Halbkugeln, die miteinander verklebt sind – hat sie mit in den Gottesdienst gebracht. Während die 32-Jährige vor laufender Kamera die Lichtmeditation anleitet, streicht sie mit ihren Fingern sanft über das Blech und entlockt der Handpan Töne, die einen schnell zur Ruhe kommen lassen. Dennis Müller – ebenfalls Vollblutmusiker und als „jazzender Pfarrer“ bekannt – begleitet sie am Klavier. Das Duo nimmt das Publikum mit auf eine kurzweilige Reise zu sich selbst, verschafft den Menschen vor den Bildschirmen ein paar Minuten Auszeit vom aufreibenden Alltag.

Video wird gut geklickt

Das Meditieren hat Juliane Mangold schon als Kind gelernt, als sie mit ihren Eltern in Thailand war. Seit ihrem achten Lebensjahr spielte sie auch Klavier und Geige. Nach dem Abitur studierte sie Biotechnologie, arbeitete dann mehrere Jahre in der technischen Industrie. Ein Leben auf der Überholspur, die Leidenschaft für Musik und Meditation blieb dabei auf der Strecke. „Aufgrund einer persönlichen und gesundheitlichen Krise begann ich, mein Berufskonzept zu überdenken“, erzählt die 32-Jährige. Die Meditation und die Musik haben ihr dabei geholfen.

Juliane Mangold strahlt innere Ruhe aus, sie wirkt ausgeglichen und zufrieden. Das kommt beim Publikum offenbar gut an, knapp 200 Zuschauer verfolgen den Gottesdienst am Mittwochvormittag live auf Youtube. Auch danach wird das Video immer wieder aufgerufen, bis zum Abend hat es mehr als 500 Klicks. Via Facebook und WhatsApp erreichen Dennis Müller und Juliane Mangold noch im Laufe des Tages zahlreiche Nachrichten mit Dankesgrüßen und positivem Feedback.

Knapp 3000 Klicks

Den Eltinger Pfarrer freut das. Es zeige, wie wichtig es den Menschen auch gerade in dieser Krisenzeit sei, beim Gottesdienst in „ihrer Kirche dabei zu sein“. Wenn auch nur via Livestream. Das zeigten auch die Klickzahlen anderer Videos: Der Familien-Gottesdienst an Heiligabend etwa wurde mehr als 2900 Mal aufgerufen. Auch noch Tage später und über Leonbergs Grenzen hinaus. Müller findet den Gedanken spannend, „dass die Menschen unsere Videos in ihren Alltag integrieren“.

Hier geht es zum Video

Wie viele andere Kirchengemeinden auch, ist die Kirchengemeinde Eltingen mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie neue Wege gegangen. Seit dem Ostergruß vor acht Monaten hat sie 30 Videos aufgenommen und auf ihrem Youtube-Kanal hochgeladen. Die technische Ausrüstung gehört Gemeindegliedern, die sich auch um den ganzen Ablauf kümmern. „Das machen sie alles ehrenamtlich in ihrer Freizeit“, sagt der Pfarrer. Und ein bisschen Stolz ist in seiner Stimme zu hören.