Was ist so faszinierend am Spiel mit der Maske? Wir haben Vertreter von drei unterschiedlichen Gruppen gefragt.

Leonberg - Die Hexenfamilie im Altkreis Leonberg hat in den vergangenen zwei Jahren kräftig Nachwuchs bekommen. In Rutesheim haben die Ruademser Gumpa-Hexa bereits zwei Mal das Rathaus gestürmt. Die Eltinger Mollenbach-Hexen wollen die Fasnet ausgerechnet auf dem Kirchplatz wiedererwecken. Und die Renninger Schdoibruch-Hexa sehen auch so aus, als würden sie Steine zum Frühstück verspeisen.

 

Was macht die Fastnetfigur der Hexe so faszinierend? Und was macht eine gute Hexe überhaupt aus? Diese Fragen haben wir drei Leuten gestellt, die es wissen müssen. Frank Gann ist eine Weiler Hexe, seit er 16 Jahre alt war. Andreas Beißwenger gründete vor 25 Jahren die Leonberger Waldhexen mit. Alexandra Groth gehört den Renninger Schdoibruch-Hexa an, hat aber schon vorher Erfahrungen in einem anderen Verein gesammelt. Alle drei sind sie Hexen und doch gänzlich unterschiedlich. Äußerlich auf jeden Fall.

Von Falten zerklüftet

Alexandra Groths Larve, also die Hexenmaske, ist die größte der drei. Das von Falten zerklüftete Gesicht erinnert an Gestein. Einige Schdoibruch-Hexa haben sogar LED-Lichter in den Augenhöhlen der Masken. „Das hat der Schnitzer in Bayern angeboten“, sagt Sabine Correia, ebenfalls eine Schdoibruch-Hexa. Dort seien gruselige Masken viel verbreiteter. Die LEDs kämen aber nur bei Umzügen in der Dämmerung zum Einsatz, ergänzt Alexandra Groth. „Man sieht damit auch noch schlechter“, meint sie.

Die Waldhexen oder die Weiler Hexen sehen dagegen richtig harmlos aus. Was sagen die „Alteingesessenen“ zu den vielen Neugründungen der letzten Jahre und deren oft anderem Aussehen? „Ich habe keinen Schmerz damit, wenn jemand die Traditionen im Südwesten aufnimmt und weiterentwickelt“, sagt Frank Gann, der zweiter Vorstand der Narrenzunft AHA Weil der Stadt ist. Aber es gebe auch genügend Beispiele, wo es eben nicht um die Tradition gehe. „Wenn zum Beispiel Mitglieder im Motorsportclub sagen: Ich will mich auch im Winter betrinken. Da gründe ich doch mal eine Hexengruppe“, meint er. Andreas Beißwenger fragt sich, „ob es denn immer eine Hexe sein muss“.

Ausleben, was sonst im Alltag nicht geht

Eine Figur erschaffen, die das auslebt, was man sonst im Alltag nicht kann – so in etwa lässt sich der geschichtliche Hintergrund der Hexen beschreiben. Denn die Narrengruppen haben ihren Ursprung nicht in der Folge der Hexenverbrennungen. „Die Fasnet war früher nur den jungen Männern gestattet. Mal ins andere Geschlecht zu schlüpfen, ist irgendwie ein alter Menschheitswunsch“, sagt Frank Gann. Die Hexe sei auch eng mit dem katholischen Glauben verbunden. Die Hexe und der Teufel versinnbildlichen dabei, dass sich jemand einer Sünde hingegeben hat. So lief anfangs bei den Weiler Hexen immer ein Teufel mit, bevor dafür eine eigene Maskengruppe innerhalb der AHA gegründet wurde.

Das Verkleiden stand auch im Vordergrund, als Andreas Beißwenger vor über 25 Jahren mit einigen Freunden am Leonberger Pferdemarktumzug teilnehmen wollte. Der liegt ja immer mitten in der Fasnet. Ein Weißnarr habe nicht gepasst, die örtlichen Necknamen wie Esel oder Schnecke auch nicht. Da wurde die Idee der Waldhexe geboren. „Das ist ja auch ein bisschen das Fasnachtsspiel. Keiner weiß, wer hinter der Maske steckt“, sagt der Hexenmeister.

„Habe ich die Maske auf, bewege ich mich anders“

Das sei das Spannende am Hexendasein, findet auch Alexandra Groth. „Sobald ich die Maske aufhabe, bewege ich mich anders“, sagt sie. Vor allem gehe es darum, in der Fasnet Spaß zu haben. Umzugsbesuchern das Gesicht mit Farbe zu bemalen oder den anderen Schnürsenkel und Haargummi zu klauen, das gehöre einfach dazu. „Ich habe noch nie einen Schnürsenkel mitgenommen“, protestiert Waldhexe Andreas. „Aber das Rollenspiel kannst du eigentlich nur am eigenen Ort richtig ausleben. Wenn du woanders zum Umzug bist, musst du Rücksicht nehmen. Du repräsentierst ja auch deine Stadt“, findet er. „Die schwäbisch-alemannische Fasnet ist nicht brav“, sagt Frank Gann.

Das heißt aber nicht, dass es bösartig zugeht. „Das ist mehr Schabernack.“ Und der sei nur gut, wenn beide Beteiligten darüber lachen können. Respekt sei auch gegenüber den Hexen nötig. „Es geht nicht, dass man einer Hexe ein Bein stellt, die das wegen der Maske gar nicht sieht“, sagt Alexandra Groth.

Warum gibt es Hexen in der Fasnet?

Was denn eine gute Hexe sonst noch ausmacht? „Sie muss viel aufklären, etwa warum es Hexen in der Fasnet gibt“, sagt Gann. Die Weiler Hexen besuchen deshalb auch Schulen und Kindergärten. Das tun auch die Schdoibruch-Hexa. Auch wenn deren Geschichte nur ausgedacht ist, so haben die Gruppenmitglieder viele Stunden damit verbracht, die Renninger Stadtgeschichte zu studieren. Und sind letztlich bei den Hungersnöten des 18. Jahrhunderts hängengeblieben.

Letztlich sind die Hexen als Fastnetsfigur Teil des Brauchtums im Südwesten. Egal, ob die Tradition urkundlich schon für das 15. Jahrhundert verbrieft ist wie in Weil der Stadt. Oder noch ganz frisch wie in Renningen. „Die Fasnet ist immer ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Andreas Beißwenger von den Waldhexen. „Die vielen Neugründungen zeigen doch aber auch, dass es der Gesellschaft gut geht“, meint Frank Gann von der AHA.