Viele Techniker haben mangels Messen und Konzerten derzeit kaum zu tun. Ein Gerlinger Unternehmer will aufgeben. Zwei Leonberger Firmen stellen sich auf die neue Situation ein.

Leonberg/Gerlingen. - Dramatisch“, „fatal“, „katastrophal“, „gravierend“, „extrem schwierig“ – wer in der Veranstaltungsbranche arbeitet, findet zurzeit kaum andere Worte. Keine größeren Konzerte, keine Messen. Dass dieser Bereich seit der Coronapandemie wegfällt, weiß jeder. Was nicht jeder sieht, ist, dass das für viele Veranstaltungstechniker bedeutet: kein Bühnenaufbau, keine Lichtinstallation, keine Lautsprecher. Und letztendlich: kein Geld.

 

67 Prozent der Firmen in der Veranstaltungswirtschaft fürchten , dass sie ihren Betrieb aufgeben müssen. 55 Prozent der Selbstständigen haben sich bereits einen anderen Job gesucht. Das sagt Sandra Beckmann, die Sprecherin der deutschlandweiten Initiative für Veranstaltungswirtschaft. 22 Monate dauert die Misere bereits. „Ab Mitte Februar werden wir eine Kündigungswelle erleben“, so Sandra Beckmann. Denn Umsätze sind nicht in Sicht.

Bereits anderen Job angenommen

Einer der aufgegeben hat, um für seine Existenz zu kämpfen, ist Roland Vanini. 25 Jahre lang hat er die Firma Vanini Sound in Gerlingen betrieben. Auf dem Papier gibt es das Unternehmen noch, aber der Geschäftsführer hat bereits einen anderen Job. „Sonst wäre ich schon längst insolvent“, sagt er. 2020 habe es sich ergeben, dass er in der Industrie unterkommt und dort in einem Streamingstudio mitarbeitet. Ein Teil seines Gehalts investiert er in seine Firma. „Bis Ende des Jahres werde ich sie wahrscheinlich noch halten und dann schließen“, sagt er.

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Als Roland Vanini seinen Betrieb gegründet hat, war der Bedarf für Veranstaltungstechnik vorhanden. „Es gab immer mehr als genug Arbeit, und ich hatte einen guten Ruf“, erinnert sich der Geschäftsführer. Mit seiner Stammkundschaft und vielen freien Mitarbeitern sei es jahrelang gut gelaufen. Ohne die Pandemie hätte Vanini wahrscheinlich bald seinen Betrieb um ein oder zwei Festangestellte erweitert. Doch so ist er ein Einzelkämpfer geblieben.

Für diejenigen, die als Selbstständige immer an seiner Seite waren, fühlt er sich aber fast so verantwortlich wie für etwaige Festangestellte, denn auch die haben kaum mehr Aufträge. „Ab und zu haben mich Leute aus dem Handwerk angerufen und mir angeboten, bei ihnen zu arbeiten. Dorthin habe ich oft meine Freien vermittelt“, sagt er. Im vergangenen Sommer hat Vanini Sound ein kleines Festival in Gerlingen aufgebaut, dafür hat sich Vanini extra Urlaub genommen.

Personal ist kurzfristig nicht verfügbar

Aufträge für dieses Jahr hat er abgesagt. „Auch wenn man will, ist man zurzeit arbeitsunfähig, weil man kein Material bekommt und vor allem kein Personal“, sagt der Geschäftsführer. Das Problem hat freilich nicht nur Roland Vanini. Wenn das öffentliche Leben von heute auf morgen wieder hochfahren würde, könnte die Veranstaltungsbranche in weiten Teilen nicht mitziehen, erklärt Sandra Beckmann.

So schlecht es um Roland Vaninis Firma auch steht – er hat seinen Frieden damit gefunden. „Das Leben ist nun mal ein Wandel“, sagt er. Er würde seine Arbeit nach wie vor gerne machen, aber die Pandemie sei höhere Gewalt und im Prinzip ein Arbeitsverbot. „Wenn ich die Firma selbst an die Wand gefahren hätte, wäre es schwieriger, damit klarzukommen“, betont Vanini. Doch so hofft er, Menschen in ähnlicher Situation den Mut zu geben, andere Dinge auszuprobieren.

Das Geschäft ins Digitale verlegt

Andere Firmen der Veranstaltungstechnik haben ihren Schwerpunkt ins Digitale verlagert und halten sich über Wasser, indem sie Messen, Konferenzen und Schulungen ins Internet streamen. So auch die Firma Sound & Light aus Leonberg, die sich auf Messen im In- und Ausland, Firmenveranstaltungen, Konzerte und Musicals spezialisiert hat. „Wir bieten Live-Streaming, Hybridveranstaltungen und digitale Events an“, sagt der Geschäftsführer Karl-Heinz Jagusch. Unter anderem betreut sein Unternehmen virtuelle Gemeinderatssitzungen in Leonberg und Ditzingen. Der Ertrag solcher Formate ist aber deutlich geringer als der von Live-Veranstaltungen. Auf Dauer seien solche Aufträge daher nicht ausreichend.

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Momentan gibt es aber wenig Alternativen, denn große Messen wurden abgesagt und bei Präsenzveranstaltungen sind die Besucherzahlen eingeschränkt. Dank der Staatshilfen ist die Firma Sound & Light in den vergangenen beiden Jahren mit einem blauen Auge davongekommen, wie Karl-Heinz Jagusch sagt. Die Buchungslage ist aktuell allerdings sehr schlecht. Viele der für 2022 geplanten Aufträge wurden storniert. Und die weiteren Aussichten sind unklar. Bis zu 50 Prozent der Mitarbeiter sind derzeit in Kurzarbeit. „Jetzt ist es so katastrophal wie noch nie“, betont Jagusch. Er wisse nicht, wie es weitergeht. „Man fliegt auf Sicht.“

Größere Unternehmen haben es leichter

Verhalten optimistisch zeigt sich Michael Müller, der Geschäftsführer der Leonberger Veranstaltungstechnikfirma MLD. Ihr Kerngeschäft besteht aus Messen und Firmenveranstaltungen. „Die Lage ist derzeit ein wenig trostlos. Ich bin aber davon überzeugt, dass es im zweiten Halbjahr eine gute Erholung geben wird“, sagt er. Im Moment seien die Kunden noch übervorsichtig und hielten sich mit Aufträgen zurück. Im vergangenen Herbst liefen die Geschäfte jedoch ganz gut. „Wir hoffen, dass es zum kommenden Herbst hin wieder normal wird, und blicken positiv in die Zukunft.“ Deshalb soll im Februar die Kurzarbeit enden.

Dazu, dass die Firma MLD im Branchenvergleich finanziell recht gut aufgestellt ist, haben auch die digitalen oder teildigitalen Angebote beigetragen. „Wir machen in dieser Richtung viel.“ Eine Tochtergesellschaft mit Sitz in München hat sich auf diesen Bereich konzentriert. Auf der Internetseite des Unternehmens werden virtuelle Messestände, Mischveranstaltungen mit Präsenz- und Digitalanteilen sowie Live-Streaming beworben.

Für viele kleinere Firmen wie die von Roland Vanini sieht es hingegen schlechter aus. Er sagt: „Für uns interessiert sich keiner. Die Branche wird oft als Hobby gesehen“. Sandra Beckmann von der Initiative für Veranstaltungswirtschaft sieht dieses Problem auch. „Wir haben immer anderen Menschen eine Bühne bereitet. Wenn wir gut waren, hat man uns nicht gesehen, deshalb nimmt man uns jetzt auch nicht wahr“, sagt sie.