Mit Lieferservice und virtueller Beratung kämpfen die Händler im Altkreis Leonberg um jeden Kunden.

Leonberg - Dietmar Weigelt nimmt es mit schwarzem Humor: „Nach der Krise ist vor der Krise“, meint der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt in Leonberg. Das rund 80-köpfige Team des Warenhauses im Leo-Center hat ein fürwahr hartes Jahr hinter sich: Nach dem ersten Lockdown kam das nervenaufreibende Tauziehen um die Existenz der Filiale, das nach vier Wochen gut endete.

 

Und nun sind die schweren Rollos am Haupteingang schon wieder heruntergelassen. „Für den Einzelhandel ist das eine Katastrophe“, sagt Weigelt. „Der Umsatz während des Weihnachtsgeschäftes trägt uns und viele andere das ganze Jahr über, sichert Arbeitsplätze und hilft, notwendige Investitionen zu finanzieren.“

Bis kurz vor der Bescherung

Ähnlich deutliche Worte wählt Daniel Goldberg: „Das ist für uns der Supergau“, sagt der Juwelier, der sein Geschäft direkt neben Karstadt hat. Dabei liefen der Oktober und der November gut. „Da hatten wir sogar die Zahlen des Vorjahres erreicht.“

Dem Familienbetrieb macht besonders zu schaffen, dass die Kunden bestellte Ware nicht selbst abholen dürfen: „Das hätte vieles erleichtert. Aber wir liefern alles ins Haus, auch an Heiligabend.“ Petra und Daniel Goldberg haben 70 Prozent ihres Angebots im Schaufenster. „Da können die Kunden ihre Auswahl fotografieren und uns schicken“, erklärt der Chef. Beratung gibt es zudem per Video-Konferenz.

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Auf Service bis zum 24. Dezember setzt auch das Leonberger Sportgeschäft Räpple. „Wir liefern bis kurz vor der Bescherung“, versichert Stefan Edele und blickt mit leichtem Optimismus in die Zukunft. „Die Botschaft, dass wir die Ware ins Haus bringen, kommt zusehends an“, sagt der Filialleiter. „Es werden von Tag zu Tag mehr Kunden.“ Für den Lockdown zeigt er Verständnis, für das Verbot der Abholung nicht: „Es ist ja nicht so, dass sich die Massen vor dem Laden ansammeln.“

So sieht es auch Brigitte Mareczek: „Die Leute rufen an und staunen dann, dass das Abholen im Buchladen am Marktplatz verboten ist. Das ist unser Hauptproblem.“ Mareczek schüttelt den Kopf. Bei einem kleinen Laden wie ihrem „Buch und Musik“ würden die Leute ja nicht zu tausenden Schlange stehen.

Aber sie hat Hilfe: Ihr Mann Wolfgang, der sonst das Kino betreibt und gerade viel Zeit hat, ist den ganzen Tag mit dem Auto unterwegs und fährt die Bücher aus. „Für jedes einzelne Taschenbuch für 6,99 Euro muss ich eine Rechnung schreiben“, sagt Brigitte Mareczek. Und das dann ausfahren lassen, oft zweimal, weil die Leute nicht da sind. „Das rechnet sich nicht“, sagt sie. „Wir machen das nur, um präsent zu sein, damit die Leute nicht in den Online-Handel abwandern.“

Ohne Rücklagen wird es schwierig

Marcus Schautt hat derweil Zeit für Gartenarbeit. „Da kommt man ins Schwitzen, das sorgt für Adrenalin“, sagt er und nimmt es mit Humor. Denn sein Schuhgeschäft in Renningen ist zu, auch ausliefern kann er nicht. „Ein Paar Schuhe habe ich nach Sindelfingen gefahren“, berichtet Schautt. „Da ist man ein bis zwei Stunden unterwegs, für ein einziges Paar.“

Das rechne sich für ihn nicht. Der Händler hofft, dass er bald wieder aufmachen darf. Die Frühjahrskollektion ist bestellt, wird im Januar geliefert, muss bezahlt werden. „Wer keine Rücklagen mehr hat, bekommt Probleme“, sagt er über seine Branche. Noch kann der Renninger das stemmen. „Wenn aber der Lockdown bis ins Frühjahr hinein geht, wird mir Angst.“