Kurz vor dem Bürgerentscheid zum Neubaugebiet „Am Graben“ verhärten sich in Weissach noch einmal die Fronten.

Weissach - Am 26. September stimmen die Weissacher über die Zukunft des Neubaugebiets „Am Graben“ ab – kurz vor dem Entscheid ist nun die seit Monaten ohnehin hitzig geführte Diskussion dazu noch einmal entflammt. Grund: Eine Anzeige im Weissacher Amtsblatt. Dort lockte ein Inserat mit einem Bauplatz in „traumhafter Lage“. Wer sich bei der anonymen GMX-Mailadresse meldete, bekam auch eine Antwort zurück. Diese lieferte aber nicht etwa Auskunft über besagten Bauplatz, sondern ein Plädoyer, sich beim Bürgerentscheid für das Bauprojekt auszusprechen. Der Absender: Gemeinderat Frank Bauer (Freie Wähler).

 

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Einflussnahme durch Anzeige sei „undemokratisch“

Bauer hatte den BUND im Frühjahr für das Vorgehen bei der Sammlung der Unterschriften, die für die Durchsetzung des Bürgerentscheids nötig waren, kritisiert. Auf Infomaterial zum Neubaugebiet hatte der BUND kommuniziert, dass eine Umgehungsstraße über die Friedenshöhe durch Umsetzung des Neubaugebiets wahrscheinlich wird. Daran hält der BUND auch weiterhin fest: Die Umgehungsstraße sei immer wieder Thema in Weissach, ein Neubaugebiet mit 500 Einwohnern ändere natürlich die Gegebenheiten in Sachen Verkehrsführung, sagt Hans Wiggenhauser, Initiator des Bürgerentscheids.

Die Fraktionen der Freien Wähler und der Bürgerliste haben seitdem bestätigt, dass sie keinen Bedarf einer solchen Umgehungsstraße sehen, die Gemeindeverwaltung betont, dass es keinen Zusammenhang zwischen Neubaugebiet und Straße gebe. Für Bauer habe sich der BUND damit trotzdem Stimmen für den Bürgerentscheid „ergaunert.“

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Diesen Vorwurf weist der BUND seit jeher als „völlig unberechtigt“ zurück. Protest zu der Anzeige gibt es deshalb nun auch von den Naturschützern. „Als Gemeinderatsmitglied sollte Frank Bauer seine politischen Positionen auf den dafür vorgesehenen Wegen kundtun“, heißt es in einer Mitteilung des BUND. „Eine von ihm initiierte vorgetäuschte Kaufanzeige gehört jedoch nicht zu den normalen Wegen einer politischen Meinungsäußerung.“ Hans Wiggenhauser schließt sich an. Eine solche Form der Einflussnahme auf einen Bürgerentscheid sei „undemokratisch“.

BUND beklagt Datenschutzverstoß

Dass das Inserat im Amtsblatt nicht auf den ersten Blick erkennen ließ, dass es dabei um den Bürgerentscheid geht, habe er ganz bewusst so gewählt, erklärt Frank Bauer auf Nachfrage unserer Zeitung. Er wolle der Gegenseite „den Spiegel vorhalten und mit ähnlichen Waffen kämpfen.“ Für ihn ist die Realisierung des Neubaugebiets essenziell: „Es würde mir leid tun, wenn man jungen Leuten im Ort die Chance auf einen Bauplatz nimmt.“

Dass er seit Veröffentlichung der Anzeige im Amtsblatt über 50 Rückmeldungen bekommen hat, zeigt in seinen Augen, wie dringend das Thema ist. Nur einer der Bauplatz-Suchenden, die sich auf die Anzeige hin bei Bauer gemeldet haben, hätte sich beschwert – man habe sich eine andere Antwort gewünscht, hieß es laut Bauer in der E-Mail.

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Der BUND hat den Sachverhalt nun juristisch prüfen lassen. Laut Anwaltsschreiben, dass unserer Zeitung vorliegt, handle es sich bei der Zusendung einer politischen „Werbung“ bereits um eine Datenverarbeitung, bei der personenbezogene Daten gesammelt werden, der die betroffenen Personen nicht zugestimmt hätten. Auf Grundlage der Einschätzung des Anwalts hat der BUND außerdem Beschwerde beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit eingelegt. Den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung weist Frank Bauer zurück: Er habe inzwischen alle Mails gelöscht, keine davon gespeichert, und den Mail-Account deaktiviert. „Niemand hat mir sensible, personenbezogene Daten geschickt.“

Töpfer distanziert sich von Debatte

Im Rathaus distanziert man sich von der Debatte. Diese sei ihm nicht bekannt und er könne auch nicht bestätigen, dass eine solche zwischen BUND und Gemeinderatsfraktionen geführt wurde, sagt Bürgermeister Daniel Töpfer. „Im Mitteilungsblatt der Gemeinde wurden nur sachliche und rechtlich zulässige Informationen zum Bürgerentscheid veröffentlicht. Sollte es private Anzeigen im Anzeigenteil des Mitteilungsblatts gegeben haben, die der Gemeinde unbekannt sind, steht dies nicht im Einwirkungsbereich der Gemeinde“, betont er. Mit dem geplanten Neubaugebiet seien ganz unterschiedliche, auch persönliche Belange betroffen, etwa der Wunsch vieler Familien, sich in der Heimatgemeinde niederzulassen.

Andererseits gebe es Interesse und Engagement für die Erhaltung der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen. „Die wichtigste Voraussetzung für eine zielführende Diskussion ist meiner Meinung nach Transparenz über alle für die Entscheidung relevanten Informationen und Sachlichkeit.“