Um 21 Uhr ist Klaus Brenner im Amt bestätigt. Vonderheids Hoffnung stirbt um 23 Uhr. Protokoll eines aufreibenden Abends.

Leonberg - Die digitalen Leuchtziffern der Uhr in der Gäublickhalle zeigen genau 23 Uhr an, als der Oberbürgermeister das finale Ergebnis verkündet: 16 Stimmen für Ulrich Vonderheid, aber 17 für Maic Schillack. Damit tritt am späten Dienstagabend genau das ein, was im politschen Leonberg einige erhofft, viele befürchtet, doch letztlich wenige erwartet haben: Der seit zwölf Jahre amtierende Finanzbürgermeister ist seinen Job los. Die Abwahl Ulrich Vonderheids ist der Höhepunkt eines dramatischen Thrillers:

 

18.50 Uhr: Die Gebersheimer Gäublickhalle füllt sich. Viele Bürger wollen direkt erleben, wer künftig die beiden Dezernate für Bauen und Planung sowie für Soziales, Ordnung und Finanzen leiten wird. Die Stadträte trudeln ein, äußerlich gelassen. Doch die Anspannung steht den meisten ins Gesicht geschrieben.

Ein straffer Zeitplan

19 Uhr: Pünktlich eröffnet der Oberbürgermeister die Gemeinderatssitzung. Auf der Tagesordnung stehen nur die Wahlen. Dass mehr nicht geht, wird deutlich, als Martin Georg Cohn die Regeln verkündet: Jeder Bewerber hat 15 Minuten Redezeit, dann gibt es eine weitere Viertelstunde für Fragen. Hat niemand im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit, gibt es eine Stichwahl mit den beiden Bestplatzierten. Bei einem Patt entscheidet das Los. Bei einem Votum dieser Tragweite eigentlich unfassbar, aber so steht es in der Gemeindeordnung. Los geht es mit der Wahl des Baubürgermeisters.

19.04 Uhr: Ulf Millauer tritt an. Der 55-jährige Stadtplaner verweist auf 30 Jahre Berufserfahrung an verschiedenen Stationen. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, spricht sich das Grünen-Mitglied für eine eigene Baugesellschaft oder Partnerschaften mit anderen Kommunen aus.

Die Frage von Jutta Metz (Freie Wähler), warum er so oft den Job gewechselt habe, beantwortet er anhand seiner letzten Station, der Stadt Villingen-Schwenningen, wo er nach anderthalb Jahren als Amtsleiter gekündigt hatte: Ein neuer OB hätte einen „neuen Stil“ eingeführt.

Brenner wirbt mit visionärem Stadtrundgang

19.33 Uhr: Der Amtsinhaber kommt. Klaus Brennernimmt die Zuhörer auf einen visionären Stadtrundgang ins Leonberg des Jahres 2027 mit, in dem das Postareal und das Bosch-Entwicklungszentrum vollendet, der Marktplatz autofrei und der Parkplatz in der Steinstraße eine grüne Begegnungsstätte mit hoher Aufenthaltsqualität sind. Der Kritik des Grünen Sebastian Werbke, dass der Rathausvorplatz mangels ausreichender Bäume eine „Klimakatastrophe“ sei, entgegnet Brenner, dass auf dieser beengten Fläche mehr Grün nicht möglich sei,

20.05 Uhr: Karl Velte, Stadtbaumeister in Bretten, stellt sich mit einem sehr allgemein gehaltenen Referat vor. Die Frage von Elke Staubach (CDU), was er von der internationalen Bauausstellung IBA halte, kann er nicht schlüssig beantworten.

20.41 Uhr: Im ersten Wahlgang erreichen Brenner 15, Millauer zwölf und Velte sechs Stimmen. Damit ist letzterer raus.

20.56 Uhr: Der OB verkündet das Endergebnis: 20 Stimmen für Brenner, zwölf für Millauer. Der wiedergewählte Amtsinhaber ist erleichtert, auch Cohn scheint zufrieden, im Gegensatz zu den Grünen.

OB Martin Georg Cohn (links) gratuliert dem alten und neuen Bürgermeister Klaus Brenner.

Vonderheid: Will nicht in der Krise von Bord gehen

21.05 Uhr: Mit Lothar Barth stellt sich der erste Kandidat für den Finanzbürgermeister vor. Der einstige OB von Bad Mergentheim, der durch ein Zerwürfnis mit dem kompletten dortigen Gemeinderat in die Schlagzeilen geraten war, skizziert sachlich seine Vision einer sozialen Stadt und einer soliden Finanzpolitik. Es gibt Höflichkeitsapplaus, doch in der Halle ist spürbar, dass Barth für eine Mehrheit nicht zu den Favoriten gehört.

21.26 Uhr: Mit Ulrich Vonderheid tritt der zweite Titelverteidiger des Abends ans Pult. Der Christdemokrat berichtet von seinen Aktivitäten in der Privatwirtschaft und als Beigeordneter in der südhessischen Stadt Bürstadt. Nach seinem Amtsantritt in Leonberg hätten sich im Laufe von zehn Jahren Haushaltsüberschüsse von rund 80 Millionen Euro angehäuft.

Der 55-Jährige bezeichnet den demografischen Wandel, unter anderem verursacht durch die Zuwanderung, „als größte Herausforderung“. Den Stadträten gibt er auf den Weg: „Mitten in der großen Krise möchte ich nicht von Bord gehen.“

21.48 Uhr: Aus Neustadt am Rübenberge kommt Maic Schillack in die Gäublickhalle. Finanzwirtschaft begleitet das Berufsleben des heute 50-Jährigen: In der niedersächsischen Stadt ist er Kämmerer, zuvor war er bei den Städtischen Betrieben Minden, bei der Gemeindeprüfanstalt in Nordrhein-Westfalen und Controller bei den Verkehrsbetrieben in Hameln.

Den Leonbergern verspricht er eine transparente Finanzpolitik, eine „verlässliche Kita-Planung mit ausgewogenen Standards bei der Sanierung“ und enge Zusammenarbeit mit den Schulen.

Ein niederschmetterndes Ergebnis

22.18 Uhr: Mit viel Lokalkolorit gestaltet Josefa Schmid ihre Präsentation, in der kleine Engelbergtürme und Altstadtbilder als Gestaltungsmittel eingesetzt sind. Der Auftritt der 46-Jährigen aus Niederbayern ist von vielen mit Spannung erwartet worden, hatte sie doch während einer beruflichen Abordnung in die Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration mutmaßliche Missstände angeprangert und eine Auseinandersetzung mit der Zentrale nicht gescheut. Jetzt will die einstige Bürgermeisterin ihres Heimatorts Kollnburg im Kreis Regen in die Kommunalpolitik zurück. Doch bevor sie erzählen kann, was sie konkret in Leonberg vorhat, ist ihre Redezeit um.

22.45 Uhr: Erster Wahlgang. 13 Stimmen für Vonderheid, zehn für Schillack, neun für Schmid, eine für Barth. OB Cohn bittet erneut zur Urne. Das Ergebnis ist für den Amtsinhaber niederschmetternd. Mit Mühe wahrt er die Contenance, bevor er endlich die Halle verlassen kann.