Die „Baus“ kämpft seit vielen Jahren für die Bahnverbindung nach Calw – zwischen vielen Kritikern. Jetzt haben sie eine Ausstellung zu 150 Jahren Schwarzwaldbahn organisiert. Was kann man aus Geschichte lernen?

Leonberg - Der ganze Landkreis Böblingen ist gegen die Hesse-Bahn. Der ganze Landkreis? In Leonberg und Renningen trifft sich regelmäßig eine kleine Gruppe unbeugsamer Verkehrsexperten, die seit vielen Jahren schon für die Anbindung Calws kämpfen, und zwar genau für jenes im Kreis Böblingen so umstrittene Konzept, das die Bahn bis nach Renningen weiterführen will.

 

Wer sind die Herren dieser „Bürgeraktion unsere Schwarzwaldbahn“ (Baus), was treibt sie an? Ein emotionales Thema haben sie sich ausgesucht, das steht fest. „Die Hesse-Bahn ist in der Tat das Projekt, das emotional am meisten umtreibt“, hatte vor ewigen Jahren selbst der Böblinger Landrat Roland Bernhard bekannt.

Erwin Eisenhardt, einer der Baus-Vertreter, bestätigt das. „Daran sind bei mir Freundschaften zerbrochen“, erzählt er und berichtet von beleidigenden Briefen und Streitgesprächen. Eisenhardt wohnt schon lang in Renningen, ist aber in Schafhausen aufgewachsen. „In meiner Kindheit bin ich mit der Bahn nach Weil der Stadt gefahren“, erinnert er sich. In den 80er Jahren aber hatte die Bahn diesen auf der Strecke der Calwer Schwarzwaldbahn verkehrenden Schienenbus eingestellt. „Da habe ich die Welt nicht mehr verstanden – und gesagt: Ich helfe mit, damit dieser Zug wieder fährt.“

„In Weil der Stadt und Renningen für die Bahn zu kämpfen, ist doch viel spannender“

Seit 1987 schon gibt es den „Verein Württembergische Schwarzwaldbahn“ in Calw, dort engagierte sich der Leonberger Hans-Joachim Knupfer. „Später hat sich gezeigt, dass es auch im Kreis Böblingen Bedarf gibt, für dieses Thema einzutreten“, sagt er – die Geburtsstunde der Baus. Eisenhardt nickt und schmunzelt. „In Calw sind eh alle dafür, dort ist es langweilig. In Weil der Stadt und Renningen für die Bahn zu kämpfen, ist doch viel spannender.“

In der Debatte geht es hoch her, sowohl Weil der Stadt, als auch Renningen hatten Klagen gegen die Bahn eingereicht, die sie inzwischen wieder zurückgezogen haben. Viele im Kreis Böblingen befürchten eine Störung des S-Bahn-Netzes, wenn die Hesse-Bahn in Weil der Stadt auf S-Bahn-Gleise einfährt, um weiter nach Renningen zu pendeln. „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Grenze in den Köpfen zu beseitigen“, sagt der Renninger Hans-Peter Benzing, der in Leonberg als Notar arbeitet.

Am kommenden Wochenende organisieren die Baus-Aktiven im Weil der Städter Klösterle eine Ausstellung zu 150 Jahren Schwarzwaldbahn. Vor allem Knupfer beschäftigt sich schon lange mit der Geschichte der Strecke, er hat auch schon ein Buch darüber veröffentlicht. Deshalb weiß er: „Weil der Stadt als Endpunkt der S-Bahn ist rein willkürlich.“ Bei der Elektrifizierung 1939 ist schlicht das Material ausgegangen, deshalb hat man die Oberleitung nur bis Weil der Stadt verlegen können. Dort endet sie noch heute.

„Wenn ich eine Strecke wiederbeleben will, muss ich einen Bahnknoten ansteuern“, sagt Knupfer. „Und das ist im ersten Schritt Renningen.“ Denn viele Pendler wollten von dort Richtung Sindelfingen. Das sei ein erster Schritt.

Ein Hauptthema der Baus seit vielen Jahren ist aber ihre Forderung, die Relation Stuttgart-Leonberg-Calw wieder als Hauptstrecke in Betrieb zu nehmen. „Es geht um Gerechtigkeit“, findet Hans-Joachim Knupfer. Und da ist diese Strecke der einzige von Stuttgart wegführende Ast, auf dem kein schneller Regionalexpress fährt. „Wenn Sie sich das auf der Karte anschauen, sehen Sie, dass die Bahn einen riesigen Bogen bis hoch nach Korntal macht“, erklärt er. „Da brauchen Sie einen schnellen Zug und nicht einen, der an jeder Milchkanne hält.“

Regionalexpress ist das geeignetere Verkehrsmittel

Deshalb hält die Baus auch die S-Bahn-Verlängerung nach Calw für falsch. „Die S-Bahn ist ein klassisches Vor-Ort-Schnellverkehrssystem mit vielen Stehplätzen und keiner Toilette“, sagt er. „Das ist auf der langen Strecke nach Calw völlig ungeeignet.“ Deswegen sei der Begriff Express-S-Bahn – ein neuer Plan der Region Stuttgart – auch ein Widerspruch in sich.

Der Bahnexperte verweist einmal mehr auf die Geschichte. „In den 60er Jahren gab es Züge von Stuttgart über Weil der Stadt, Calw und Bad Liebenzell bis nach Nagold“, sagt er. „Das wäre auch heute hochinteressant – das geht aber nur mit einem Regionalexpress, die S-Bahn ist dafür das verkehrte Mittel.“

Überhaupt der Schwarzwald. „Früher haben viele dorthin mit dem Zug einen Ausflug gemacht“, sagt Hans-Peter Benzing. Dieses touristische Potenzial in der Dreitäler-Region zwischen Würm und Nagold werde manchmal vergessen. „In den Nordschwarzwald mit dem Rad und mit dem Zug wieder zurück – das ist doch die perfekte Freizeitverbindung.“

Ausstellung

Um 150 Jahre Schwarzwaldbahn geht es am Wochenende im Klösterle Weil der Stadt (Kapuzinerberg 11): Freitag ab 14 Uhr, Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Am Freitag gibt es um 18.30 Uhr einen Bildervortrag und am Samstag um 18.30 Uhr im Kino „Kulisse“ (Daimlerstraße 4) einen Film.