Weizen ist so teuer wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Gründe sind der Ukraine-Krieg sowie die schlechte Ernte im vergangenen Jahr. Nicht nur Bäckermeister aus der Region werden die Preise erhöhen müssen

Der Leonberger Bäckermeister Rainer Zachert hat sich für seinen Traditionsbetrieb schon immer auf die Fahnen geschrieben, möglichst alle Rohstoffe, die er zur Produktion seiner Backwaren benötigt, aus der Region zu beziehen. Die ausgemahlenen Mehle kauft er seit Jahrzehnten von der Mönsheimer Mühle, die Bioland Vollkornmehle- und Schrote bekommt er von der Tonmühle in Ditzingen. „Und trotzdem spielt bei der Preispolitik immer die Weltpolitik mit rein“, sagt Rainer Zachert. „Zwischen Januar und November im vergangenen Jahr sind die Preise der Backwaren bereits gestiegen, jetzt werde ich wegen des Krieges in der Ukraine noch einmal erhöhen müssen, obwohl ich auf Regionalität achte.“

 

Die Brezel wird 80 Cent kosten

Der Weizen ist so teuer wie seit fast zehn Jahren nicht mehr, 2021 stieg der Preis um etwa 30 Prozent. Grund hierfür war die wenig ergiebige Ernte. Jetzt wird der Preis wegen des Krieges noch einmal nach oben schnellen. Aus Russland und der Ukraine kommt ein Viertel der weltweiten Weizenexporte. Die beiden Länder gehören mit den USA , Kanada und Frankreich zu den fünf größten Exporteuren weltweit. In der Ukraine machen Agrarprodukte – beispielsweise auch Mais oder Sonnenblumenöl – gar die Hälfte des gesamtes Exports aus.

Der Verbraucher wird den Einbruch der Getreide-Lieferungen insofern merken, dass die Brotpreise in absehbarer Zeit steigen. „Dieser Schritt bleibt auch mir nicht erspart“, sagt Zachert. Kostete eine Brezel 2021 noch 70 Cent, erhöhte sich der Preis im selben Jahr auf 75 Cent. „Jetzt kommen noch einmal fünf Cent drauf“, sagt Zachert, der in Leonberg und Rutesheim insgesamt fünf Filialen betreibt.

Die Künden zeigen bislang Verständnis

Denn nicht nur der Weizen ist teurer geworden, auch die Energiekosten sind gestiegen. Und: Die Mitarbeiter seines Unternehmens wollen ordentlich bezahlt werden. An seine Stammkunden wie das Krankenhaus oder Altenheime, denen er regelmäßig Backwaren ausliefert, hat er bereits ein vierseitiges Erklärungsstück geschrieben. „Sie haben bisher Verständnis, wenn alles teurer wird. Mit den Kunden im Laden führe ich viele Gespräche, um alles zu erklären.“

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Ähnliches hat Bäckermeister Hermann Diefenbach aus Weil der Stadt zu berichten, der insgesamt zwölf Bäckerei-Filialen in der Region betreibt. Er bezieht sein Mehl von der Rettenmeier-Mühle in Horb am Neckar sowie von der Enzweihinger Mühle Häußermann. „Ende des vergangenen Jahres gab es einen Preisaufschlag von 20 Prozent, und durch den Ukraine-Krieg wird noch was auf uns zukommen“, sagt Diefenbach.

Markus Rettenmaier versichert, dass der gesamte Weizen, den er in seiner Mühle verarbeitet, aus Baden-Württemberg kommt. Roggen bezieht er auch aus anderen Bundesländern. „Davon gibt es hier in der Region nicht genügend, und doch reicht das, was wir in Deutschland grundsätzlich anbauen, gut aus, wenn das Wetter mitmacht – und wir haben noch was übrig für den Export“, sagt Markus Rettenmeier.

Lieferengpässe in den Supermärkten

Allerdings sieht er – abgesehen von dem menschlichen Leid – noch eine weitere Auswirkung des Ukraine-Krieges auf die Lebensmittelproduktion. „Die Rohstoffe für die Düngemittelproduktion kommen aus Russland und der Ukraine, und hier haben die Landwirte mittlerweile schon einen Engpass zu beklagen.“

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Beim Gang durch den Supermarkt gleich um die Ecke sind die Lieferengpässe momentan auch schon sichtbar. Im Regal, wo normalerweise das Weizenmehl immer reichlich vorhanden ist, herrscht gähnende Leere. Auch der Vorrat an Pflanzenölen – wie beispielsweise das aus Sonnenblumenkernen – ist deutlich geschrumpft. Das musste unter anderem ein älterer Herr, der gerade vor dem Regal stand, feststellen. „Die Auswahl hält sich ja gerade in Grenzen. Aber viele Lebensmittel wurden ja auch für die Hilfspakete in die Ukraine gekauft.“

Von Hamsterkäufen absehen

Nicht nur was das Mehl betrifft wird der Leonberger Bäckermeister Rainer Zachert in der momentanen Zeit mit dem Thema Lieferengpässe konfrontiert. Von der Bäko – der Einkaufsgenossenschaft für Bäckereien und Konditoreien in Weilimdorf – hat er kürzlich einen Brief mit der Bitte bekommen, „wir sollten doch von Hamsterkäufen absehen, ich bekomme von ihnen also die Ware, die ich bisher auch bestellt habe“.