Als 15-Jähriger musste er im Zweiten Weltkrieg als Flakhelfer dienen, wie viele andere Jugendliche auch. Dieses Erfahrungen hat er in mehreren Büchern verarbeitet. Jetzt ist Hermann Queck aus Gerlingen verstorben.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Hermann Queck war das, was man ein wandelndes Geschichtsbuch nennt. Vor wenigen Tagen wurde es geschlossen. Der letzte Eintrag stammt von seiner Familie: „Er hat ein erfülltes und erfüllendes Leben geführt.“ Im Juli ist er 93-jährig gestorben.

 

Die Kindheit endet 1944 abrupt

Die Geschichte des Hermann Queck ist es auch für Außenstehende wert, nachgelesen zu werden. Sie begann am 11. November 1928 in Gerlingen. Seine Kindheit endete 1944 abrupt, als Hitlers Wehrmacht aus ihm einen Kindersoldaten machte. „Luftwaffenhelfer“ wurden er und seine 15-jährigen Altersgenossen verharmlosend genannt. „An Weihnachten haben wir noch unter dem Christbaum Eisenbahn gespielt, im Januar wurden wir eingezogen – zum Entsetzen der Eltern“, erzählte er einmal.

Bis Februar 1945 war der junge Hermann an „der Flak“. Die Stellung, die er mit etwa 20 anderen Jugendlichen hielt, befand sich auf der Banzhalde in Stuttgart-Feuerbach. Anfangs empfanden die Halbwüchsigen das noch als Abenteuer. „Das war wie Indianerles spielen“, erinnerte sich Hermann Queck. Doch aus dem Spiel wurde bald Ernst. Bei einem Luftangriff am 3. August 1944 wurden viele Luftwaffenhelfer aus Aalen, Ebingen, Heilbronn und Friedrichshafen getötet.

Kurz zuvor, am 29. Juli, waren in Degerloch acht Flakhelfer ums Leben gekommen, 15- und 16-jährige Schüler des Stuttgarter Wagenburg- und des Wilhelmsgymnasiums. Heute erinnert dort ein Mahnmal an sie, das auf Initiative des Schriftstellers und Historikers Gerhard Raff und des ehemaligen Flakhelfers Rolf Armbruster aufgestellt wurde.

Eine große Dokumentation über die „Jugend an der Front“

Hermann Queck blieb äußerlich unverwundet. Seinen Altersgenossen, denen die Nazis die Jugend und oft auch das Leben gestohlen haben, hat er seinerseits eine Art Mahnmal gewidmet. Unter dem Titel „ . . . das bisschen Angriff“ veröffentlichte er 2007 eine Zusammenstellung von Berichten von Luftwaffenhelfern. Das Vorwort dazu schrieb der frühere Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel, der in Ulm selbst Flakhelfer war.

Die Resonanz war groß. In der Folge erschien 2008 eine ergänzte Dokumentation unter dem Titel „Jugend an der Front. Das Kriegsgeschehen im Südwesten“. Weitere zwei Jahre später brachte Queck eine nochmals erweiterte 450-seitige Dokumentation. Sie trug den Titel „Noch einmal davongekommen“ – ein großes Buch des Andenkens und der Mahnung.

Elterliche Druckerei ausgebaut

Trotz dieser einschneidenden Erfahrungen und persönlicher Schicksalsschläge behielt Queck seinen Optimismus und seine Lebensfreude. Diese Eigenschaften halfen ihm, Fuß zu fassen und nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer den elterlichen Druckereibetrieb zu übernehmen. Schritt für Schritt baute er das Unternehmen in der Nachkriegszeit aus und erweiterte es um eine Druckerei in Stuttgart. Als Geschäftsführer und Inhaber der Druckerei Maisch und Queck sowie der Buchbinderei Dieringer plante er 1989 mit seinem ältesten Sohn Helmut das Verlagsgebäude Benzstraße in Gerlingen. 1993 wurde es erweitert.

Auch die Familie wuchs stetig. Aus der Ehe mit der Niederländerin Erica Hart de Ruijter gingen vier Kinder hervor. Freude und Trauer wechselten sich ab. Sein jüngster Sohn Martin starb 20-jährig an Leukämie. 2021 feierten die Quecks Eiserne Hochzeit.

Die Geschichte blieb ein beherrschendes Thema

Als „alter Gerlinger“ war Hermann Queck aus seiner Heimatstadt nicht wegzudenken. Mehrere Jahrzehnte lang engagierte er sich in der Freiwilligen Feuerwehr; zuletzt war er ihr ältestes Mitglied. Anlässlich des 1200-Jahr-Jubiläums der Stadt gab er die Chronik der Stadt Gerlingen von 797-1997 heraus.

Die Geschichte blieb in seinem Leben ein beherrschendes Thema – auch die eigene Geschichte. Bis zu seinem Tod pflegte er den Kontakt mit anderen überlebenden Flakhelfern. In der Gemeinschaft verarbeitete er die Kriegserfahrungen, die sich dem 15-Jährigen eingebrannt hatten. Jedes Jahr am 29. Juli, dem Jahrestag des tödlichen Angriffs auf die Flakstellung in Degerloch, trafen sie sich in der Gaststätte Föhrich in Stuttgart-Feuerbach. Hermann Queck ist nun nicht mehr dabei. Und auch sonst wird er fehlen.