Willy Oberdorfer war von 1948 bis 1966 Bürgermeister der Kepler-Stadt. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden.

Weil der Stadt - Was haben Rom und Weil der Stadt gemeinsam? Willy Oberdorfer pflegte diese Frage stets zu stellen, samt einleuchtender Antwort: Beide Städte sind nicht nur bedeutende Reichsstädte, nein, beide Städte sind auch auf sieben Hügeln erbaut. 18 Jahre lang, von 1948 bis 1966, war Oberdorfer Bürgermeister von Weil der Stadt, und er hatte eine Vision: Auf jedem Hügel der Stadt solle ein bedeutendes Bauwerk entstehen.

 

Sein Wirken von damals prägt noch heute die Stadt, auch wenn er sein Werk nicht vollenden konnte. Aber immerhin: Drei Hügel sind bebaut worden: Unter seiner Amtszeit entstand auf dem Galgenberg das Gymnasium, auf dem Malerbuckel die Akademie für Jugendbildung und auf dem Heinrichsberg das Altersheim.

Ein strenger, aber guter Vater

Heute, am 3. September 2020, wäre Willy Oberdorfer 100 Jahre alt geworden. Sein Sohn Klaus Oberdorfer findet einige bewegende Worte über seinen Vater. „Wir waren sechs Kinder“, erzählt er. „Unsere Mutter ist leider mit 43 Jahren im Jahr 1963 verstorben. Dies war der erste große Schicksalsschlag für meinen Vater und uns Kinder.“ Trotz dieses schweren Verlustes sei sein Vater immer für Weil der Stadt im Einsatz gewesen. „Wir haben unseren Vater selten gesehen, manchmal nur am Wochenende.“ Klaus Oberdorfer erinnert sich, dass sein Vater sehr streng war, trotzdem war er für die Kinder immer ein Vorbild und „ein guter Vater“.

Willy Oberdorfer erlebte einen ungewöhnlichen Start in sein Amt. Eigentlich hatte bei der Wahl am 22. Februar 1948 nämlich Wolfgang Brumme gewonnen. Der entschied sich jedoch, lieber Bürgermeister von Böblingen zu werden, wo er ebenfalls kandidiert hatte und die Wahl gewann. Willy Oberdorfer kam daher zum Zug und wurde Bürgermeister von Weil der Stadt – mit gerade einmal 27 Jahren. Und das blieb er für ganze drei Amtsperioden. Auch danach hätte er gerne noch weitergemacht – doch die Wähler entschieden anders.

Willy Oberdorfer, noch im Krieg politisch sozialisiert, war ein Mann mit klarer Vision und starkem Willen. Nicht allen Weil der Städtern gefiel dieser bestimmende Ton. Die Amtszeit für die Wiederwahl eines Bürgermeisters dauerte damals zwölf Jahre. Wollen wir ihm nochmals so lange unsere Stadt anvertrauen? Das war 1966 die Frage, die sich viele Weil der Städter Bürger stellten. Als Gegenkandidat trat ein junger Leonberger an, 29 Jahre jung, redegewandt und versiert. Friedrich Knobloch entschied die Wahl für sich, und Willy Oberdorfer musste in den Ruhestand gehen.

In 18 Jahren viel erreicht

Oberdorfer selbst hat das nie verwunden, erinnert sich sein Sohn: „Er wollte alles vollenden, leider haben ihn diejenigen, denen er damals geholfen hat, 1966 im Stich gelassen“, erzählt Klaus Oberdorfer. „Darüber ist er seelisch zerbrochen und mit knapp 57 Jahren gestorben.“ Das war am 10. März 1978.

Willy Oberdorfer hat während seiner Zeit als Bürgermeister viel erreicht. Unter anderem gründete er das Bürgerheim und das Johannes-Kepler-Gymnasium, vormals eine Realschule. Er war mitverantwortlich für den Umbau des Marktplatzes und für die Begradigung der Würm.

„Er hat so vielen Mitbürgern geholfen“, berichtet sein Sohn. „Er war ein Mann der ersten Stunde, der in der schweren Nachkriegszeit die Führung der Stadt übernommen und sie unter Bewältigung der Aufgaben der Vergangenheit an diejenigen der Gegenwart herangeführt hat.“ Er ließ eine Kläranlage bauen, damals eine der ersten im Altkreis Leonberg. „Die Förderung des Vereins- und kulturellen Lebens der Stadt und des Fremdenverkehrs lagen ihm sehr am Herzen“, sagt Klaus Oberdorfer. So entwickelte sich unter Willy Oberdorfer unter anderem die Partnerschaft mit dem französischem Städtchen Riquewihr. Für seine Verdienste um das Werk Johannes Keplers wurde er mit der Keplermedaille ausgezeichnet.

Umso trauriger findet es Klaus Oberdorfer, dass sein Vater, im Gegensatz zu dessen Nachfolger Friedrich Knobloch, nie die Ehrenbürgerschaft oder eine andere Auszeichnung von der Stadt erhalten hat. „Keine Straße, kein Platz wurde nach meinem Vater benannt. Dabei hat er so viel für Weil der Stadt geleistet. Er hat Weil der Stadt geliebt.“