Auf dem Platz vor der Schuhfabrik entsteht ein besonderer Begegnungsort, an dem sich Bürgerinnen und Bürger mit der Zukunft ihrer Stadt auseinandersetzen können.

Was er sich von der Zukunft erhofft? „Mehr Begegnung, mehr Gemeinschaft“, antwortet Thomas Quack auf diese Frage wie aus der Pistole geschossen. Das Potenzial der Städte nutzen, Mobilität nicht nur einseitig denken, sondern auch Räume für Kultur schaffen – für Quack liegt der Kern einer Zukunft, wie er sie sich erträumt, im Gemeinsamen.

 

Kein Wunder also, dass sich auch beim Festival Zukunftsstätte in Leonberg alles um den Austausch in öffentlichen Räumen dreht. Thomas Quack und sein Kollege Jan-Philipp Neuer vom Kölner Studio Quack arbeiten seit Monaten an dem Konzept für das Festival, das am 23. September als Teil des viel größeren Projekts „Über:Morgen“ der Kulturregion Stuttgart startet. In über 20 Kommunen entstehen während des gut dreiwöchigen Festivalzeitraums einzelne Projekte zum Thema Zukunft. Die Leonberger Zukunftsstätte soll dann ihr Zuhause auf dem Platz zwischen Eltinger Straße, alter Schuhfabrik und Steinturnhalle finden.

Auf der einen Seite die Zukunft, auf der anderen die Vergangenheit

Ein Festival über Zukunft und Kultur, das direkt vor der umstrittenen Schuhfabrik stattfindet, direkt an dem Gebäude, für dessen Erhalt die dort ansässigen Künstler schon lange kämpfen – ist das Absicht? Zumindest nicht die der Stadt, berichtet Jonas Pirzer, Amtsleiter für Kultur und Sport in Leonberg. Als Julian Warner, der Kurator des Gesamtfestivals, zu Besuch in Leonberg war, habe man ihn zunächst nichts von den Diskussionen rund um die Schuhfabrik erzählt und ihn auch nicht dorthin geleitet. „Der Impuls kam von Julian Warner selbst.“

Und das nicht ohne Grund: Denn der Platz, auf dem aktuell noch Autos parken, liegt an der Schnittstelle zwischen Industriegeschichte, Kulturangebot, historischem Baubestand, einer Hauptverkehrsader und dem Postareal als Sinnbild der städtebaulichen Zukunft Leonbergs. „Das sind viele Dinge, die dort aufeinanderkommen“, so Quack. „Und das macht diesen Ort auch so interessant.“ Man wisse um die Kontroversen rund um die Schuhfabrik, sagt auch Pirzer. „Aber uns hat der Ort insgesamt gereizt.“

Eine Autobahnraststätte mitten in Leonberg

Die Stadt Leonberg selbst kannten Quack und Neuer vom Kölner Büro vor Projektstart nicht. „Höchstens aus den Staunachrichten“, so Neuer. Diese erste Assoziation – „Stautown Leonberg“, wie Neuer das beschreibt – haben die beiden Künstler bei der Erarbeitung eines Konzepts für das Festival weitergesponnen. Verkehr ist in Leonberg nicht zuletzt durch den aktuell laufenden Verkehrsversuch in der Eltinger Straße Topthema, auch so staut es sich in der Stadt gerne mal, wenn die nahe Autobahn gesperrt ist. Auf den Platz vor der Schuhfabrik soll für das Festival also eine Art Autobahnraststätte entstehen, gezimmert aus gebrauchten Materialien. „Provozierenden Charakter“ soll das haben, so Neuer. „Wir wollen nicht die Vorstellung transportieren, dass in Leonberg tatsächlich mal eine Raststätte entsteht“, erklärt er. „Sondern wir möchten über diese Irritation in den Austausch treten.“

Auf das Thema Verkehr beschränkt sich die Zukunftsstätte Leonberg aber nicht – im Gegenteil. Es gebe in der Stadt zwar einige große, zukünftige Projekte, sagt Quack. „Aber man sollte trotzdem nicht vergessen, dass die Kultur ebenso ein Motor ist und auch mitgenommen werden sollte.“

Partizipation ist wichtig

Essenzieller Teil der Zukunftsstätte ist für Pirzer, Quack und Neuer besonders die Partizipation. Ein „gemeinsames Projekt von Leonbergerinnen und Leonbergern für Leonbergerinnen und Leonberger, das von unten entsteht“, beschreibt Neuer die Idee. Bei einem Besuch in Leonberg im Mai luden Neuer und Quark Vereine, Institutionen und Anwohner zu einem ersten Kennenlernen ein, seitdem gab es auch einen wöchentlichen, öffentlichen Jour fixe. Dabei entwickelten die Teilnehmer und das Studio gemeinsam ein Konzept. Und auch das Programmheft füllte sich dank der teilnehmenden Akteure schnell. Mit dabei sind unter vielen anderen etwa VHS, Kulturfabrik, Solawi, Bühne 16, Lebenshilfe, Nabu oder das Stadtjugendreferat. „Wir waren überrascht, wie viel Bereitschaft und Engagement von Seiten der Leonberger aufkamen“, freut sich Neuer über die „ganz diverse“ Beteiligung.

Auch jetzt können sich Leonberger noch einbringen: Ab dem 25. September wird die Baustelle auf dem Platz vor der Schuhfabrik eröffnet, dann kann jeder, der will, beim Errichten der temporären Kulturtankstelle mitsamt Plauderecke und Boulebahn anpacken. Am 30. September wird Richtfest gefeiert, dann folgen zwei Wochen Festivalprogramm. Für einen großen Teil der Termine braucht es keine Anmeldung, und auch sonst bietet die Leonberger Zukunftsstätte ein Bänkchen für den Kaffee und Plausch zwischendurch. Denn: „Es geht um die Begegnung vor Ort“, sagt Neuer.

Das Programm zum Festival „Über:Morgen“ der gesamten Kulturregion gibt es unter www.kulturregion-stuttgart.de. Das Programm für die Zukunftsstätte Leonberg ist unter www.leonberg.de zu finden.