Glas, Aluminium und extremer Nachwuchsmangel – in vielen Handwerksbetrieben ist die Produktion belastet, weil Material und Menschen fehlen. Dabei könnten die Handwerker durchstarten.

Fehlen die Fenstergriffe, kann auch das Fenster, obwohl es längst fertig produziert ist, nicht eingebaut werden. Auch an Montageschrauben darf kein Mangel bestehen. Wo aber die Fenster im Neubau nicht eingesetzt werden können, das weiß jeder Häuslebauer, verzögern sich automatisch auch die Arbeiten anderer Gewerke. Die Folge: Ärger und nicht selten unvorhergesehene Kostensteigerungen.

 

Russland-Ukraine-Krieg verschärft Lieferprobleme

Unter den Lieferschwierigkeiten, die mit der Coronapandemie begonnen haben und sich jetzt, auf dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, weiter verschärfen, stöhnt die gesamte Handwerkszunft. „Zuletzt haben wir beispielsweise auf die Lieferung weißer Fenstergriffe mehr als vier Wochen warten müssen“, berichtet Horst Burghardt, Technischer Leiter beim Malmsheimer Fensterbauunternehmen Schneider.

Die Auftragsbücher sind gefüllt – eigentlich ein Grund zur Zufriedenheit. Aber seit der Krieg in der Ukraine die Welt erschüttert, fehlt es, wo man hinschaut, an Teilen jeder Art. Mitunter, meint Burghardt und das eben nicht nur mit einem Augenzwinkern, müsse man deshalb auch zu kreativen Idee greifen, fast wie einst in der DDR. „Ganz so schlimm ist es noch nicht“, sagt der Glasermeister. Aber unter den gegenwärtigen Umständen Lösungen zu finden, koste eben viel Zeit.

Dem Handwerk fehlt es an Nachwuchskräften

Nicht nur aufgrund der grassierenden Liefer- und Nachschubschwierigkeiten, aber eben auch deshalb, hat am Mittwoch eine Delegation um den Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, Peter Friedrich, mehrere Handwerksbetriebe im Landkreis Böblingen besucht. Im Mittelpunkt des Meinungsaustausches, an dem sich auch Kreishandwerksmeister Wolfgang Gastel und der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Thomas Wagner, beteiligten, standen neben den Auswirkungen der Coronapandemie und der Ukraine-Krise die Energiewende, das Thema Nachhaltigkeit sowie der schwierige Arbeits- und Ausbildungsmarkt im Handwerk.

Letzteres drückt auch bei Fensterbau Schneider im Renninger Teilort Malmsheim gehörig auf die Stimmung: Der Geschäftsführer des Unternehmens, Ralf Schneider, spricht von „großen Nachwuchsproblemen“. Gerade in der Region Stuttgart, wo Großunternehmen mitunter satte Gehälter bezahlen, findet der Fensterbauer nur mit großer Mühe gut ausgebildete neue Mitarbeiter. „Und hat man dann endlich auch Lehrlinge gefunden, wandern die nach wenigen Jahren ab“, sagt Burghardt.

Mehr bezahlbarer Wohnraum

Der Betrieb mit seinen derzeit 20 Mitarbeitern und einem Azubi, behilft sich deshalb zunehmend auch mit Seiteneinsteigern. Doch es gibt weitere Gründe für den Mangel an Fachkräften: Zudem fehle bezahlbarer Wohnraum, sagt Renningens Bürgermeister Wolfgang Faißt (Freie Wähler). „Werden dann in den Gemeinderäten die Hände erhoben, wenn es um die Ausweisung von Neubaugebieten geht, wird es ganz schwierig“, sagt Faißt.

Wie Handwerkskammer-Chef Friedrich betont, drohe insgesamt vor allem der derzeitige Nachschubmangel die Konjunktur in der Region abzuwürgen. „Die Auftragsbücher sind voll, können aber nicht abgearbeitet werden“, sagt Friedrich in Bezug auf den Zustand im Handwerk. Es gebe etliche Beispiele, wo sich Projekte deshalb verzögerten.

Wie lange dieser Notstand noch andauert, kann auch Friedrich nicht prognostizieren. Wenn die Krise überwunden ist, so rechnet der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, wird das aber „mit einem deutlich höheren Preisniveau“ für die Leistungen des Handwerks einhergehen.

Lagerbestände werden ausgebaut

Fensterbau Schneider reagiert auf die Nachschubprobleme in der Branche übrigens mit der Umstellung von der einst gefeierten Just-in-time-Bestellung von Fensterprofilen und Teilen aller Art zurück auf einen stärkeren Ausbau der Lagerbestände, wie es früher gang und gäbe war. Doch bei den derzeit vor allem aufgrund der rasant steigenden Energiekosten explodierenden Preise hat auch das seine Nachteile: „Ein volles Lager“, sagt Burghardt, „bindet viel Geld im Unternehmen.“