Beim Unternehmerempfang warnt der Wissenschaftler Stefan Kooths vor zu viel Boom und plädiert für offene Handelsgrenzen auf dem ganzen Globus.

Leonberg - Ohne die Welt geht nichts. Mit dieser Botschaft entlässt Stefan Kooths die Leonberger Wirtschaftsvertreter in den Feiertag. Der Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft ist Gastredner beim Unternehmerempfang in der Stadthalle am Vorabend von Christi Himmelfahrt.

 

Hatte der städtische Wirtschaftsförderer Benjamin Schweizer in den vergangenen Jahren auf lokale Referenten gesetzt, so engagierte er jetzt den renommierten Wirtschaftsanalytiker, der sich mit den ökonomischen Strömen rund um den Globus auseinandersetzt.

Absatzmärkte jenseits der Grenzen

Und die sind für die heimischen Firmenchefs und Führungskräfte sehr relevant. Nicht nur bekannte Unternehmen wie Bosch, Geze, Lewa oder Brückner sind weltweit unterwegs. Auch kleinere Betriebe und Start-Ups haben ihre Absatzmärkte jenseits der deutschen Grenzen.

Für Stefan Kooths eine Selbstverständlichkeit. Der Wirtschaftsprofessor kennt keine Barrieren. Deshalb kann er auch nicht die ganz praktischen Beeinträchtigungen in Leonberg lösen: „Wie Sie zu neuen Gewerbeflächen kommen, kann ich Ihnen leider nicht sagen“, meint der Wissenschaftler mit Blick auf die einleitenden Worte des Oberbürgermeisters. Martin Kaufmann hatte zuvor darauf hingewiesen, dass trotz der großen Dynamik in Leonberg mit 4220 Gewerbebetrieben bei rund 50 000 Einwohnern der Platz langsam knapp wird. Und indirekt kritisiert, dass das Realisieren neuer Gewerbeflächen viel zu lange dauert: Allein sieben Jahre wurde über Leo West, bekannt auch als Längenbühl, diskutiert. Vermarket wurden die 73 000 Quadratmeter direkt an der A 8 aber binnen kürzester Frist.

Wie Sandkastenspiele

Für den Kieler Wirtschaftsprofessor mögen solche Diskussionen um die Umwidmung von Äckern zu Gewerbeflächen marginal erscheinen. Stefan Kooths bewegt sich in anderen Dimensionen. Und die erläutert er seinem Leonberger Publikum sehr ausführlich.

So ist es in seinen Augen nicht die technologische Entwicklung, die die Weltwirtschaft lenkt, sondern es sind politische Entscheidungen. Beispielhaft nennt der 50-Jährige den Handelskrieg zwischen den USA und China, aber auch die Zölle in der Europäischen Union. Die Muskelspiele zwischen den Staatslenkern vergleicht Kooths mit Sandkastenspielen der Kinder.

Statt den Handel als Chance für beide Seiten zu begreifen, würde letztlich Machtgehabe verhindern, dass langfristig überall Wohlstand herrschen könnte.

China, das von vielen mit Argwohn betrachtet wird, ist für Kooths ein wichtiger Partner: „Es wäre viel intelligenter, wenn wir die Chinesen ihr Ding machen lassen und uns anpassen.“ Denn ohne einen wirtschaftlichen Austausch mit den emporkommenden asiatischen Staaten könne Europa ökonomisch nicht überleben.

Überauslastung der Produktion

Doch das ist nicht die einzige für viele Gäste in der Stadthalle überraschende Einschätzung des Referenten aus dem hohen Norden: Stefan Kooths widerspricht der These, dass Boom und Aufschwung zwangsläufig gut sind. „Ich möchte die Brisanz aus dem Begriff Abschwung herausnehmen“, sagt der Konjunkturforscher und begründet das wie folgt:

Ein Boom führe zu einer Überauslastung in der Produktion. Unternehmer wüssten oft gar nicht, ob nun tatsächlich ihr ureigenes Produkt am Markt erfolgreich ist, oder ob sie auf einer temporär positiven Welle surfen, die aber plötzlich jäh abebben könne.

Öffentliche Aufträge im Sinkflug

Das wiederum würde Firmenchefs dazu führen, Kapazitäten aufzubauen, die am Ende nicht erforderlich sind. Der Professor plädiert für eine kontinuierliche Stabilität, die der Sicherheit der Arbeitsplätze zugute komme: Wer angesichts boomender Aufträge schnell einstelle, könne auch schnell wieder entlassen müssen, wenn die Geschäfte nicht mehr so gut laufen.

Kooths bezieht seine Thesen nicht nur auf die Privatwirtschaft. Gerade die öffentlichen Aufträge „befinden sich im Sinkflug. Da brauchen wir dringend eine Verstetigung.“ Ein Appell an die zahlreich anwesenden Kommunalpolitiker.