Die Begründung: Die Immissionen durch Luftschadstoffe sind nicht ausreichend ermittelt.

Wimsheim - Die Ansiedlung der Goldscheide-Anstalt Hafner in Wimsheim hat in der Vergangenheit für einige Turbulenzen gesorgt. Jetzt hat das Gericht ein klares Urteil gefällt, was den umstrittenen Bebauungsplan für das Gebiet „Breitloh West II“ betrifft, in dem sich das Unternehmen angesiedelt hat.

 

Der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat den Plan vom 25. März 2014 für unwirksam erklärt. Das bedeutet aber nicht, dass Hafner seinen Betrieb in Wimsheim einstellen muss. Die Produktion läuft normal weiter. Auch sind mit dem Urteil keine Auflagen verbunden. Der Gemeinde steht es allerdings frei, einen neuen Plan zu erlassen, erklärt Matthias Hettich, der Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs.

Der betreffende Bebauungsplan „Breitloh-West II“ wies den südlichen Ortsrand als ein „eingeschränktes Industriegebiet“ aus. Was zulässige Emissionen angeht, gelten hier andere Vorschriften als in einem Gewerbegebiet oder in Mischgebieten. Der Plan besagte außerdem, dass in dem Gebiet „erheblich belästigende Betriebe der Edelmetall- und Nichteisenmetallverarbeitung“ zulässig sind. Anlass für diese Entscheidung war die konkrete Anfrage der Pforzheimer Firma Hafner, sich dort anzusiedeln. Die Schadstoffwerte bei deren Produktion hatte die Gemeinde für unbedenklich befunden.

Gericht gibt drei Klägern Recht

Das Problem ist nur: Der Bebauungsplan wurde damals nicht als „vorhabenbezogen“ beschlossen. Das heißt, theoretisch hätte sich nicht nur Hafner dort ansiedeln dürfen, sondern jede andere Firma aus derselben Branche ebenfalls. Diese könnten ganz andere, womöglich weit höhere, Emissionen verursachen. Diese möglichen Werte hätte die Gemeinde erst prüfen müssen, bevor sie einen entsprechenden Bebauungsplan erlässt.

Aus diesem Grund haben die Mannheimer Richter den drei vorliegenden Normenkontrollklagen Recht gegeben. Bei einem Normenkontrollverfahren wird untersucht, ob eine Norm, wie die Vorgabe in einem Bebauungsplan, den übergeordneten Gesetzen entspricht. Geklagt hatten die Besitzerin eines nahe gelegenen Wohngrundstücks, ein Gewerbebetrieb im angrenzenden Gewerbegebiet „Breitloh-West“ und die angrenzende Nachbarkommune Friolzheim aus oben genannten Gründen.

Zwar habe die Gemeinde Wimsheim das Ausmaß luftverunreinigender Stoffe durch die Hafner-Ansiedlung ermittelt. „Mit dem Ergebnis, dass es keine negativen Auswirkungen gibt“, wie der Wimsheimer Bürgermeister Mario Weisbrich auf Anfrage unserer Zeitung erklärt. Diese Ergebnisse hätten aber nur für einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“, der nur die Ansiedlung von Hafner ermöglicht hätte, ausgereicht.

Auf die Arbeit von Hafner hat das zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Auswirkung, versichert der Bürgermeister. Das, was jetzt im Wimsheimer Gewerbegebiet steht, ist baurechtlich genehmigt. Der Betrieb kann normal weiterlaufen. Dennoch ist Mario Weisbrich enttäuscht über das Urteil. Schließlich habe die Gemeinde sehr wohl aufgezeigt, welche Auswirkungen die Hafner-Ansiedlung habe.

Wie es weitergeht, lässt der Bürgermeister offen. Eine Revision ist nicht zugelassen. Jedoch können die Entscheidungen der Richter binnen eines Monats beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. „Wir warten die endgültige Urteilsbegründung ab. Dann werden wir das weitere Vorgehen besprechen“, sagt Weisbrich.

BI: „Wir wurden als Schwarzseher hingestellt“

Die Bürgerinitiative (BI) Wimsheim wertet dieses Urteil als Erfolg für ihr jahrelanges Bemühen. „Wenn man die Begründung des Gerichts liest, stellt man fest, dass das genau das ist, was wir die ganze Zeit über bemängelt haben“, sagt der BI-Vorsitzende und Gemeinderat Holger Lehmann. Nämlich dass dieser Bebauungsplan Tür und Tor für andere Unternehmen geöffnet hätte, deren Schadstoffausstoß vielleicht weit über denen von Hafner gelegen hätte.

„Davor haben wir immer gewarnt, und man hat uns als Schwarzseher hingestellt“, moniert Lehmann. Wolle man es hart formulieren, könne man sagen: „Der Bürgermeister hat immer gesagt: Er hat alles richtig gemacht. Aber er hat eben nicht alles richtig gemacht.“

Auf den Ist-Stand hat das Urteil keinen Einfluss, weiß Lehmann. Mit dem hat die BI aber auch kein Problem. Denn im derzeitigen Zustand folge die Firma noch den Vorgaben eines normalen Gewerbegebiets. Erweiterungspläne, die stärkere Umweltbelastungen mit sich bringen, hätten durch das Urteil aber nun keine rechtliche Grundlage mehr. Dafür muss die Gemeinde einen neuen Bebauungsplan aufsetzen.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative müssten jetzt gemeinsam besprechen, wie sie weiter vorgehen und sich positionieren. „Wir hoffen nur, dass wir in der Gemeinde in Zukunft anders arbeiten können als vor vier Jahren und die Bürger mehr eingebunden werden.“

Die Geschäftsführung von Hafner war am Dienstag nicht erreichbar.

Kommentar

Kein neuer Streit

Der Betrieb der Goldscheideanstalt ist von dem aktuellen Urteil nicht berührt. Wenn alle besonnen handeln, bleibt das auch so. Thomas K. Slotwinski

Fast, so schien es, war Ruhe eingekehrt um die einstmals so heftig umstrittene Ansiedlung der Goldscheideanstalt Hafner in Wimsheim. Nach der offiziellen Eröffnung der neuen Zentrale im Herbst 2015 war das ursprünglich aus Pforzheim stammende Unternehmen weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden.

Und auch die Gemeinderatssitzungen im eigentlich so beschaulichen Wimsheim nahmen wieder gesittetere Züge an. Die Zeiten mit Kundgebungen und erbitterten Wortgefechten zwischen den Hafner-Gegnern und dem Bürgermeister waren vorbei.

Doch die aktuellen Richtersprüche reißen alte Wunden auf: Steht die Hafner-Ansiedlung in Wimsheim juristisch am Ende doch auf tönernen Füßen? Wie es ist es um das Verhältnis mit Friolzheim bestellt? Gehört doch ausgerechnet die direkte Nachbargemeinde zu den drei Klägern. Geht nun der ganze Streit, der das Dorf in die überregionalen Schlagzeilen gebracht hatte, wieder von vorne los?

Das tut er nicht. Zumindest nicht, wenn sich am jetzigen Ist-Zustand nichts ändert. Hafner kann ganz normal weiter produzieren. Problematisch würde es nur, wollte sich das Unternehmen nennenswert erweitern. Oder würden andere Firmen nach Wimsheim kommen, deren Betrieb mit Schadstoffausstößen verbunden ist. Genau diesen Möglichkeiten hat der Verwaltungsgerichtshof jetzt einen Riegel vorgeschoben.

Wie geht es nun weiter? Wimsheim könnte bis vor den Bundesverwaltungsgerichtshof ziehen. Ob das klug ist, das sollte nicht per Schnellschuss entschieden werden. Andernfalls könnte genau wieder jene Situation entstehen, die in Wimsheim niemand mehr braucht: Ein zerstörerischer Streit, der an die Grundfesten der Dorfgemeinschaft geht. Deshalb ist Bürgermeister Mario Weisbrich gut beraten, die Urteilsbegründung von versierten Juristen genau prüfen zu lassen.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es neben dem Recht auf eine saubere Umwelt ein Recht der Betriebe auf einen passenden Standort gibt. Lösungen im Sinne beider Ziele lassen sich nur im Sachdialog finden. Der hat in der Vergangenheit oft gefehlt.