Achtlos weggeworfener Müll richtet in der Natur großen Schaden hat. Die Stadt appelliert mit humorvollen Schildern an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger.

Rutesheim - Schon mal eine leere Schnapsflasche im Wald weggeworfen? Dann werden sich die Archäologen in 50 000 Jahren freuen und rätseln, ob die „Primitivlinge“ am Anfang des 21. Jahrhundert dem Waldgott wohl Trankopfer darbrachten. Oder sie werden sich fragen, ob die Menschen von damals wohl an das ewige Leben glaubten und ihre Gene in aus Früchten destilliertem Alkohol für die Nachwelt konservieren wollten.

 

Nicht so groß ist allerdings die zeitgenössische Freude über all das, was als sogenannter „wilder Müll“ in der Landschaft landet. Das reicht von Reifen über Möbel und Hausmüllsäcke bis zu einzelnen Taschentüchern oder Plastikflaschen. Zudem treibt Corona immer mehr Menschen nach draußen. Sie wandern oder gehen in den Wäldern spazieren. Dementsprechend wird der Müll links und rechts auf den Wegen mehr.

Der erhobene Zeigefinger bringt meist wenig

Das ist auch in den Wäldern und auf den Feldern von Rutesheim nicht anders – also was tun? Der erhobene Zeigefinger bringt in der Regel nur wenig. Also will man mit humorvollen Schildern auf das leidige Thema aufmerksam machen: „Unbeliebte Naturbewohner“ ist auf darauf zu lesen. Abgebildet ist beispielsweise eine leere Glasflasche, alias „kleiner Schluckspecht“. Die braucht bis zu 50 000 Jahre, damit sie aus der Natur verschwindet. Der „geknickte Dürstling“ (Plastikflasche) ist mit 500 bis 1000 Jahren dagegen fast rasend schnell.

Das Plakat präsentiert aber noch weitere Beispiele. Ein „gefüllter Dungfang“ (eine volle Windel) liegt rund 500 bis 800 Jahre in der Landschaft . Der „alte Dosenhopf“ (die Getränkedose) ebenfalls 500 Jahre. Sogar der „weiße Rotzling“ (Taschentuch) braucht bis zu fünf Jahre, um zu verrotten. Die Botschaft ist klar: Was achtlos weggeworfen wird, verschwindet nicht durch Zauberhand.

Ganz im Gegenteil. Die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs sind täglich unterwegs, um die Mülleimer im Stadtgebiet zu leeren und Abfall aufzulesen. „Nur ist das inzwischen leider ein Fass ohne Boden“, schildert der Bauhofleiter Siegfried Kappus die Situation. So viel könne sein Team gar nicht bewältigen. „Dabei ist es so einfach“, sagt der Erste Beigeordnete Martin Killinger. „Die leere Coladose ist doch leichter zu tragen als die volle. Also einfach wieder mitnehmen!“

Viele Bürger beschweren sich

„Es gibt oft Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern im Rathaus, die verschmutzte Stellen in oder um Rutesheim bemerkt haben“, sagt die Bürgermeisterin Susanne Widmaier. Deswegen würden sie häufig mehr Mülleimer fordern. „Das ist aber nicht die Lösung des Problems. Man kann nicht alle paar Meter Mülleimer aufstellen“, erläutert sie. Die Abfallbehälter würden nicht dort stehen, wo gerade Müll fallen gelassen wird – etwa im Wald. „Die Erfahrung zeigt auch: Je mehr Mülleimer es gibt, desto mehr Hausmüll wird auf Kosten aller dort entsorgt.“

Mit den neuen Schildern möchte die Stadt nun einen eher ungewöhnlichen Weg einschlagen. „Vielleicht bringen die dargestellten Verrottungszeiten mehr Menschen zum Nachdenken. Zumindest werden sie schmunzeln und es im Gedächtnis behalten“, hofft die Rutesheimer Rathauschefin.

Das Schild steht auf fünf Waldparkplätzen

Die Idee und das Plakatmotiv stammen von der Baiersbronn Touristik. Auf Nachfrage erhielt Rutesheim die Erlaubnis, es auch dort aufzustellen. Zu sehen ist es an fünf Waldparkplätzen rund um Rutesheim – im Forchenwald beim CVJM-Vereinsheim, am Flachter Tor, am Freizeitpark, an der Tannenwaldhütte gegenüber der Autobahnanschlussstelle Rutesheim (zwischen Rutesheim und Perouse) und am Renninger Tor.

Lesen Sie hier: Kehrwoche als erste Hocketse der Saison

Dass die Verwaltung sich Gedanken gemacht hat, wie das Thema wilder Müll geringer gehalten werden kann, haben die Beobachtungen vor einigen Wochen bei der jährlichen Rutesheimer Feld- und Waldputzete gezeigt. Mehr als drei Kubikmeter Hinterlassenschaften rücksichtsloser Zeitgenossen wurden eingesammelt. „Ein stolzes, doch eigentlich recht trauriges Ergebnis“, sagt Martin Killinger, der bei der Waldputzete mit dabei war. Unzählige Zigarettenschachteln und Kippen, Fast-Food-Verpackungen, Flaschen in allen Größen, Scherben, Dosen, Plastik, Hundekotbeutel und sogar Kfz-Teile seien gefunden worden. „Unerklärlich, warum volle Trinkgefäße oft scheinbar ohne Probleme kilometerweit mitgenommen werden, die leichten leeren Gefäße dann allerdings nicht mehr mit nach Hause“, wundert sich der Erste Beigeordnete.

So viel Müll ist bei der Putzete gesammelt worden. Foto: privat

Die bewährte Teilnahme der Rutesheimer Schülerinnen und Schüler an der Sammelaktion, die alle zwei Jahre stattfindet, war dieses Mal coronabedingt nicht möglich. Deswegen hatte Martin Killinger gemeinsam mit dem Bauhof und dem Forstamt öffentlich zum Mitmachen aufgerufen – mit großem Erfolg. „Die Beteiligung war gut“, ist der Erste Beigeordnete zufrieden mit der Resonanz.

Jeweils zu zweit und unterstützt von Bauhofleiter Siegfried Kappus, dessen Mannschaft und den Forstwirten der Stadt waren die fleißigen Helfer losgezogen und sammelten in emsiger Handarbeit den Müll ein. Am häufigsten wurden die Teams entlang der Straßen und Parkplätze fündig. „Wilder Müll ist ja nicht nur ein ästhetisches Problem“, erklärt Martin Killinger. „Er gefährdet die Tiere, die in Wald und Flur leben, und belastet anhaltend die Umwelt, denn er hat oft einen sehr langen Bestand.“