Die frühere Weissacher Bürgermeisterin scheitert beim Verwaltungsgerichtshof und rechnet mit einer Zahlungssumme von 300 000 Euro.

Weissach - Schwerer Rückschlag für die frühere Bürgermeisterin von Weissach, Ursula Kreutel: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart abgelehnt. Der Richterspruch vom 20. Mai des vergangenen Jahres wird damit rechtskräftig: Kreutel und der frühere Weissacher Kämmerer Horst Haindl müssen mehr als 223 000 Euro zahlen.

 

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Ursula Kreutel, die von 2006 bis 2014 die Geschicke im Rathaus geleitet hatte, will die juristische Niederlage auf Anfrage nicht weiter kommentieren. Jedoch habe es während des ersten Verfahrens Fehler in ihrer Verteidigung gegeben. Mittlerweile hat sie sich von ihrem früheren Anwalt getrennt und wird von der Kanzlei des stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki vertreten.

Nicht wirtschaftlich ruinieren

Rechtlich, so sagt die 55-Jährige, sei das Thema damit abgeschlossen. Aber aufgeben will sie nicht. Ursula Kreutel hat einen Brief an alle Mitglieder des Gemeinderats und Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU) geschrieben. Ihr Ziel: Der Weissacher Gemeinderat soll dem Ex-Kämmerer Haindl und ihr die Forderungen erlassen.

Alternativ bietet Kreutel den Ratsmitgliedern die Zahlung „einer wirtschaftlich verträglichen Teilsumme“ an, die Rede ist offenbar von 50 000 Euro. Dieses Angebot gelte nur für ihre Person. Den erkrankten Haindl könne sie nicht erreichen.

Teure Honorarkraft

„Unbestritten haben Herr Haindl und ich Fehler gemacht, wie unserer Vorgänger und Nachfolger auch“, schreibt die frühere Bürgermeisterin. „Da ich davon ausgehe, dass es nicht Ziel des Beschlusses des Gemeinderates war, Herrn Haindl und mich wirtschaftlich zu ruinieren“, bittet sie um den Erlass. Denn zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten würde die Gesamtsumme rund 300 000 Euro betragen. „Dies ist eine Summe, die eine Privatperson nicht schultern kann.“

In dem Verfahren ging es um mutmaßliche Unzulänglichkeiten in der Finanzverwaltung des Rathauses. Streitpunkt war vor allem das Honorar des früheren Fellbacher Kämmerers Karl-Heinz Föll, den Daniel Töpfer als Honorarkraft engagiert hatte, nachdem er 2014 Bürgermeister von Weissach wurde. Seit November 2015 war Föll dann fast vier Jahre lang täglich im Weissacher Rathaus, um wieder Klarschiff in die Finanzbuchhaltung der Gemeinde zu bringen. 3798,5 Stunden hatte der Ruheständler am Ende gebraucht. Kostenpunkt: 214 219,71 Euro. Dazu kommen kleinere Verträge mit Wirtschaftsberatern in Höhe von 8000 Euro.

Mehrheit will nichts mitbekommen haben

Genau diese Summe, also rund 223 000 Euro, wollten sich Bürgermeister Daniel Töpfer und die Gemeinderäte, die der Klage mehrheitlich zugestimmt hatten, von Kreutel und Haindl zurückerstreiten. Das Argument: „Wären die Jahresabschlüsse ordnungsgemäß erstellt worden, wären die geltend gemachten Schäden nicht entstanden.“

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Während aber die Mehrheit im Gemeinderat von den Mängeln im Rathaus überhaupt nichts mitbekommen haben will, räumten die Ratsfrauen Susanne Herrmann und Marga Schmälze eine Mitverantwortung des Gremiums ein und stimmten gegen die Klage.

Rückhalt in der Bevölkerung

In einem Interview mit unserer Zeitung nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes hatte Ursula Kreutel erklärt, dass sie sich „unschuldig fühlt“. Rückstände in der Kämmerei habe sie bei ihrem Amtsantritt „geerbt“. Kreutel räumte im Gespräch ein, dass sie und der Kämmerer „nicht auf dem Laufenden“ gewesen seien. „Aber es hat niemand in die Kasse gegriffen.“ Hätte sie früher eingegriffen, um Missstände zu beheben, „wären ebenso Kosten für Personal oder Dienstleister entstanden“.

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In der Bevölkerung hat die Ex-Bürgermeisterin durchaus Rückendeckung. Um den Jahreswechsel hatte das Weissacher Ehepaar Maria und Reinhold Knipping 730 Unterschriften gesammelt. Alle Unterzeichner fordern, dass die Gemeinde ihre Schadenersatzansprüche gegen Kreutel und Haindl fallen lässt. Bürgermeister Töpfer hatte im Januar die persönliche Annahme der Unterschriften verweigert.

Töpfers Finanzprobleme

Mittlerweile hat Töpfer selbst mit finanziellen Problemen ungleich größeren Ausmaßes zu kämpfen: Die Gemeinde hatte in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 16 Millionen Euro bei der inzwischen pleite gegangenen Greensill-Bank angelegt. Anders als bei Privatkunden sind seit 2017 kommunale Guthaben bei Privatbanken nicht mehr durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken vor Ausfall geschützt. Die Grünen und die Unabhängige Liste haben Akteneinsicht beantragt.