Die frühere Bürgermeisterin kämpft um einen Teilerlass der Schadensersatzsumme von 223 000 Euro. Der Gemeinderat muss entscheiden.

Weissach - Post von seiner Vorgängerin hat dieser Tage der Weissacher Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU) bekommen. Inhalt des Schreibens von Ursula Kreutel: eine detaillierte Aufstellung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse. Die 34 Punkte umfassende Liste reicht von Einkommensbescheiden, Sparguthaben, Kontoständen, Immobilienwerten, Lebensversicherungen bis hin zur Finanzsituation ihrer Tochter.

 

Mit dieser Offenlegung will Ursula Kreutel sicherstellen, dass der Gemeinderat nach der Sommerpause über ihr Anliegen beraten kann, ihr einen Teil der Schadenersatzsumme zu erlassen, die das Verwaltungsgericht Stuttgart vor gut einem Jahr festgestellt hat. Demnach müssen die frühere Rathauschefin und der einstige Kämmerer Horst Haindl 223 000 Euro bezahlen. Mit Zinsen und Verfahrenskosten erwartet Ursula Kreutel eine Gesamtsumme von rund 300 000 Euro.

Früherer Kämmerer als Honorarkraft

Der im Richterspruch vom Mai des vergangenen Jahres festgelegte Betrag orientiert sich vornehmlich an den Aufwendungen, die Weissach für die nachträgliche Aufstellung von mehreren Jahresabschlüssen gehabt hat. Bürgermeister Daniel Töpfer hatte dafür den früheren Kämmerer der Stadt Fellbach als Honorarkraft angeheuert, der für seine knapp vier Jahre währenden Bemühungen inklusive Fahrtkosten 214 219 Euro erhalten hat.

Ursula Kreutel hatte beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim die Zulassung auf Berufung beantragt. Diese wurde aber im April abgelehnt. Der richterliche Beschluss ist damit rechtskräftig. Unmittelbar nach der für sie schlechten Nachricht aus Mannheim war die frühere Bürgermeisterin auf ihren Nachfolger und die Ratsmitglieder zugegangen. Sie bat um das Erlassen der Summe. Alternativ bot sie die Zahlung „einer wirtschaftlich vertretbaren Teilsumme“ an, die Rede ist von 50 000 Euro.

Keine Bedenken aus dem Gemeinderat

Ursula Kreutel räumt zwar eigene Versäumnisse ein, aber Jahresabschlüsse seien auch schon vor ihrer Amtszeit nicht gemacht worden. Und weder der Gemeinderat noch das Landratsamt als Kommunalaufsicht hätten jemals Bedenken geäußert. Um die ausstehenden Abschlüsse innerhalb der Verwaltung nachzuarbeiten, hätte es auf jeden Fall einer zusätzlichen festen Kraft bedurft, die auch entsprechend Geld gekostet hätte.

Die Tatenlosigkeit des Gemeinderates in diesem Punkt räumen zwei Fraktionen ein. Die Unabhängige Liste hält einen kompletten Verzicht der Finanzforderung für angebracht, die Bürgerliste spricht sich zumindest für einen Teilverzicht aus. Eine Liste mit 730 Unterschriften aus der Bürgerschaft zugunsten Kreutels und Haindls wurde Anfang des Jahres von Bürgermeister Daniel Töpfer nicht entgegengenommen.

Ex-Kämmerer hat sich zurückgezogen

Mit der Offenlegung ihrer Finanzlage hat Ursula Kreutel nun formal die Voraussetzung geschaffen, dass der Gemeinderat im September über ihr Erlassersuchen befinden kann. Auch der Ex-Kämmerer Horst Haindl, der sich aus der Öffentlichkeit völlig zurückgezogen hat, hat offenbar einen entsprechenden Antrag gestellt. Die frühere Bürgermeisterin ist sich allerdings im Klaren darüber, dass sie bei den Schadensersatzansprüchen die Hauptadressatin ist. Die Vermögensverhältnisse des einstigen Kämmerers sind dem Vernehmen nach äußerst übersichtlich.

Auch das Geld der Tochter im Visier

Umso verärgerter ist sie, dass ihr Antrag nicht schon vor den großen Ferien behandelt wurde. Die schriftliche Aufforderung zur Vermögenserklärung, so sagt sie, ist erst am 19. Juli bei ihr eingegangen – eine Woche vor der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause. Binnen sieben Tagen sei eine solch umfangreiche Auflistung nicht zu schaffen. Doch je länger sich das Verfahren hinziehe, desto höher werde angesichts von gut 25 Euro Zinsen pro Tag die Gesamtsumme. Bisher seien so 30 000 Euro zusammengekommen. Ursula Kreutel hofft deshalb, dass ihr Antrag direkt in der Septembersitzung nichtöffentlich behandelt wird.

Dass sie dafür ihre kompletten Vermögensverhältnisse offen legen musste, darüber will sie nicht klagen. Dass auch die Finanzsituation ihrer Tochter, die gerade auf der Meisterschule ist, miteinbezogen wird, sei zwar rechtens, „aber es ist kaum zu ertragen und tut wahnsinnig weh“.