Weissach droht mit der Schließung der Bremer Greensill-Bank und deren Insolvenz der Verlust von 16 Millionen Euro.

Weissach - Nach der Pleite der britisch-australischen Mutterbank hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vergangenen Mittwoch ein Moratorium über die Bremer Greensill Bank verhängt, alle Auszahlungen also gesperrt. Diese Woche ist bekannt geworden, dass Weissach dort Termingeldanlagen in Höhe von 16 Millionen Euro getätigt hat.

 

Herr Töpfer, wann haben Sie vom Moratorium erfahren und war Ihnen sofort klar, was das für Weissach bedeutet?

Ich habe in der Nacht zum 3. März davon erfahren. Ich wusste, dass wir bei der Bank 2019 und 2020 Geld angelegt hatten. Die restliche Nacht war dann sehr kurz. Es treibt einen natürlich um, weil man noch keine Kenntnisse über die Hintergründe hat. Ich habe dann am nächsten Morgen sofort Kontakt mit unserer Kämmerin aufgenommen, und es war schnell klar, dass wir konkret betroffen sind.

Wie sahen dann vergangene Woche die nächsten Schritte aus?

Noch am Mittwoch habe ich eine interne Sonderprüfung angeordnet: Wurde alles im Zusammenhang mit den Anlagen ordnungsgemäß dokumentiert? Wurden die gesetzlichen Anforderungen und unsere Anlagerichtlinien eingehalten? Die Prüfung war am späten Freitag abgeschlossen mit dem Ergebnis, dass wir keine Vorgaben verletzt oder Gesetze missachtet haben. In der Nacht zum Samstag habe ich dann den Gemeinderat informiert. Anfang der Woche haben wir eine Pressemitteilung herausgeben und am Mittwoch in der nächsten Ausgabe des Mitteilungsblatts informiert. Am kommenden Montag wird es eine nichtöffentliche Sondersitzung des Gemeinderats geben und am 23. März eine öffentliche.

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Die Gemeinde hat die Anlagen bei Greensill 2019 und 2020 gezeichnet. Erklären Sie uns, wie eine solche Entscheidung im Rathaus getroffen wird.

Vorab: Vor dem Hintergrund von möglichen Negativzinsen geht es uns nicht darum, möglichst hohe Zinsen zu erzielen, sondern allein, Verwahrentgelte zu vermeiden. Wenn klar wird, dass aus einer bestehenden Anlage Geld an uns zurückfließt, werden zuerst von unserer Kassenleiterin neue Anlageangebote eingeholt. Zeitgleich ziehen wir Finanzdienstleister und Anlageberater hinzu, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten. Wir erhalten Übersichten über Banken, Laufzeiten, Ratings, Konditionen et cetera. Der Sachgebietsleiter macht eine Vorauswahl, die er mit der Kämmerin bespricht. Dieses Ergebnis wird mir vorgelegt, und alle Beteiligten zeichnen ab. Immer von mindestens drei Personen. Der ganze Vorgang ist penibel dokumentiert.

Was machte die Greensill-Anlagen für Weissach attraktiv?

Zuerst einmal, dass es sich bei der Bremer Greensill Bank um eine deutsche Bank mit deutscher Bankenlizenz und unter Aufsicht der deutschen Bankenaufsicht handelt. Die Konditionen waren geringfügig höher als bei vergleichbaren Instituten. Gleichzeitig haben andere Banken, mit denen wir bislang zusammengearbeitet haben, zu diesem Zeitpunkt gar kein Geld mehr entgegengenommen. Zu jedem Zeitpunkt, zu dem wir bei der Greensill Bank Anlagen getätigt haben, war die Bank mit einem guten Rating von A- versehen.

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Erhalten Sie bei den Greensill-Anlagen monatlich Zinsausschüttungen und wenn ja, wie viel entgeht der Kommune dadurch aktuell?

Es kommt auf die Laufzeit an. Bei mittelfristigen Anlagen sind es auch mal vierteljährliche oder halbjährliche Auszahlungen. Bei den kürzeren monatliche. Noch am 28. Februar haben wir von der Greensill Bank eine Auszahlung für eine Anlage in Höhe von 9000 Euro erhalten. Das war wahrscheinlich auch die letzte.

Weissach hat sechs Millionen Euro bei der deutschen Tochter der russischen VTB-Bank angelegt. Deutsche Tochter, Mutterbank im Ausland – alles, wie bei Greensill. Dazu eine durch Corona labile Weltwirtschaft. Wie schauen Sie seit letzter Woche auf dieses Investment?

Wir sind langjährige Kunden der VTB Bank und haben ausschließlich gute Erfahrung gemacht. Mit dem Wissen um die Greensill Bank würden wir die VTB Bank heute, bei einen Neuabschluss, aber anders bewerten. Wir würden derzeit keine neue Geldanlage dort zeichnen – trotz des aktuellen Ratings von A-. Zurückholen von der VTB Bank können wir unser Geld aber nur zu festgelegten Zeitpunkten. Wir prüfen gerade, ob ein früherer Ausstieg möglich ist und mit welchen Vorfälligkeitsentschädigungen das verbunden ist. Ob das wirtschaftlich zu rechtfertigen ist, müssen wir dann entscheiden. Am Ende wird es aber eine politische Entscheidung sein. Grundsätzlich halte ich es aber für falsch, jetzt in Aktionismus oder Hysterie zu verfallen.

2019 hat Weissach seine Anlagerichtlinien geändert, Anfang 2021 noch einmal gelockert. Würden Sie sich rückblickend immer noch für die Lockerung stark machen?

Ja. Schlicht und einfach vor dem Hintergrund, dass die Anpassung, die im Gemeinderat mit großer Mehrheit (14 Ja, 4 Nein) beschlossen wurde, daher rührte, dass der Finanzmarkt durch die Coronapandemie flächendeckend herabgestuft wurde.

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Gesetzt, die 16 Millionen Euro sind verloren. Hätte das unmittelbare Auswirkung auf in Weissach bereits geplante Investitionen und Projekte?

Der Verlust wäre äußerst schmerzhaft. Das ist Geld der Weissacher Bürgerschaft. Mit Blick auf die aktuellen Projekte hätte es aber keine Auswirkungen. Wenn, dann hat es Auswirkungen auf die mittelfristige Finanzplanung in den nächsten drei bis fünf Jahren.

Wie sieht das weitere Vorgehen nun aus, um das Geld vielleicht doch noch zu retten?

Wir haben uns mit anderen betroffenen Kommunen im Land unter dem Dach des Gemeindetags vernetzt, um ein einheitliches Vorgehen anzustrengen. Außerdem haben wir sondiert, ob es geeignete Fachanwaltskanzleien für Bank- und Kapitalrecht gibt. Es muss geprüft werden, ob Haftungsansprüche gegenüber den Anlageberatern bestehen und natürlich, sollte die Insolvenz kommen, gegenüber der Greensill Bank, deren Wirtschaftsprüfer und der Ratingagentur. Und wir müssen klären, ob die aufsichtsrechtlichen Verfahren ordnungsgemäß verliefen. Hätte man vor einem halben Jahre gewusst, dass die Bafin ermittelt, dann hätten die Kommunen mit Sicherheit keine Geldanlagen bei Greensill getätigt. Am Montag werde ich dem Gemeinderat überdies vorschlagen, eine Sonderprüfung unserer Rechtsaufsichtsbehörde, also des Landratsamts, der Gemeindeprüfungsanstalt und eines externen Wirtschaftsprüfers durchführen zu lassen. Ein neutraler Blick auf die Vorgänge und ein transparenter Umgang damit sind wichtig. Ich verwahre mich vehement gegen den Vorwurf, wir hätten gezockt.