Das Landgericht hebt die vom Leonberger Amtsgericht verhängte Haftstrafe auf. Epple kündigt Revision an.

Weissach - Eigentlich könnte Helmut Epple durchaus zufrieden sein: Staatsanwältin Amira Kaiser wollte ihn im Gefängnis sehen und hatte in ihrem Schlussplädoyer bei der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Stuttgart eine Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten gefordert. Die Vorsitzende Richterin Eva Maria Keck sagte ihn ihrer Urteilsbegründung, über die Frage der Bewährung habe man lange beraten. Letztendlich setzte sie die Haftstrafe von anderthalb Jahren wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung zur Bewährung aus.

 

Doch für Helmut Epple ist damit unter die Vorfälle aus den Jahren 2015 und 2016 noch kein Schlussstrich gezogen: Er kündigte noch im Gerichtssaal an, gegen das Urteil Revision einzulegen. Sein Verteidiger hatte Freispruch für ihn gefordert.

Das Verfahren läuft seit Jahren

Das Verfahren zieht sich seit mehreren Jahren hin. Im Juli 2019 hatte das Amtsgericht Leonberg den Weissacher unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, falscher Verdächtigung und Beleidigung in 13 Fällen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Angeklagt gewesen waren sogar 16 Fälle, in drei Punkten wurde Epple freigesprochen. In der Berufungsverhandlung ging es nur noch um die fünf schwersten Tatvorwürfe, die restlichen acht waren eingestellt worden. Und auch vor dem Landgericht wurde Epple, der in den vergangenen Jahren bei den Bürgermeisterwahlen in Weissach, Renningen, Rutesheim und zuletzt Weil der Stadt kandidiert hatte und gegen die Wahlergebnisse teilweise geklagt hat, in einem Punkt freigesprochen. In vier Fällen wurde er jedoch für schuldig befunden.

Richterin: Epple begibt sich in die Opferrolle

Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass Helmut Epple zu Unrecht Pfefferspray eingesetzt hatte, als er Menschen bei – seiner Meinung nach – rechtswidrigem Verhalten mit seinem Smartphone fotografiert oder gefilmt hatte und diese sich dagegen wehrten. In einem Fall hatte er einem Hundehalter, der seine Vierbeiner in einem dafür vorgesehenen Bereich nicht angeleint hatte, gleich dreimal Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, nachdem dieser ihn aufgefordert hatte, von ihm gefertigte Fotos zu löschen und auf diesen zugegangen war.

Zweimal war der Bahnhof Leonberg Tatort, als der 63-Jährige dort vermeintliche Ordnungswidrigkeiten fotografisch festgehalten hatte: einmal, als ein Jugendlicher mit dem Fahrrad dort fuhr, und einmal, als eine Mutter mit ihrem Kind auf einem Elektro-Scooter unterwegs war. Beide Male fühlte Epple sich von den Fotografierten bedroht, als diese ihn aufforderten, die Bilder zu löschen. Im ersten Fall setzte er Pfefferspray ein, im zweiten schlug er der Mutter auf die Nase. Zudem versprühte er einmal Pfefferspray in einem Linienbus, als er sich von einem angetrunkenen 33-Jährigen beleidigt und bedroht gefühlt hatte. Damals waren sieben Personen durch das Spray verletzt worden.

„Der Angeklagte folgt einem bestimmten Schema und ist sich durchaus bewusst, dass sich das nicht jeder gefallen lässt“, erklärte Richterin Keck. Seine Strategie sei es, sich in die Opferrolle zu begeben, um sich in der Öffentlichkeit als derjenige darzustellen, der im Recht ist. Helmut Epple habe eine Persönlichkeitsakzentuierung, die solche Taten begünstige. Er sei aber nicht psychisch krank.

Richterin: „Suchen Sie sich ein anderes Hobby“

Der 63-Jährige habe „eingeschliffene Verhaltensweisen“, die schwer abzulegen seien. Von daher sei es schwierig, für ihn eine günstige Sozialprognose zu stellen und zu glauben, dass er sich von einem Urteil so beeindrucken lasse, dass er in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehe. Dennoch wolle man ihm die Chance, sich zu bewähren, nicht vorenthalten. „Am besten halten Sie sich von solchen Situationen fern. Suchen Sie sich ein anderes Hobby“, ermahnte die Richterin Helmut Epple.

Das Gericht legte dem Weissacher zudem auf, 150 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Darüber hinaus erteilte Richterin Keck dem 63-Jährigen die Weisung, nicht mehr mit Pfefferspray in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein. Bei einem Verstoß könnte die Bewährung widerrufen werden, und Epple müsste die Haftstrafe absitzen. Dies gilt allerdings erst, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Bei einer Revision würde das Verfahren jedoch in eine weitere Runde gehen.