Der Konkurrenzkampf in der Reisebranche wird härter. Mit einem konsequenten Qualitätskonzept besetzt das Familienunternehmen Wöhr eine Nische für Erholungs-suchende, die Urlaub von Anfang an wollen: Eindrücke aus dem Luxusbus VIP-Liner.

Weissach - Wollen Sie ein Gläschen Wein?“ Stolz öffnet Sonja Lutz den großen Kühlschrank und holt eine Flasche Riesling heraus. „Und dazu vielleicht einen Flammkuchen?“ Sie blickt auf den Backofen. Der Gast lehnt dankend ab. 11 Uhr ist für solch ein rustikales Vesper doch etwas zu früh. Einen doppelten Espresso nimmt er aber gerne. Kein Problem. Die Küchenchefin geht zur hochmodernen Kaffeemaschine, an der es nicht nur den kleinen schwarzen Muntermacher gibt.

 

Die Gästebewirtung ist eine der wichtigsten Aufgaben von Sonja Lutz. Doch ihre Küche ist nicht Teil eines gehobenen Restaurants. Wobei: gehoben ist das Umfeld von Herd, Backofen und Spülmaschine schon. Die Küche gehört zum VIP-Liner Futura 2, einem Fünf-Sterne-Luxus-Bus.

100 Mitarbeiter

Das dunkelblaue Gefährt und sein Bruder Futura 1 sind die Stars im Fuhrpark der Firma Wöhr. Um in der hart umkämpften Tourismusbranche zu bestehen, davon ist Monika Wöhr-Kühnemann überzeugt, kommt es zusehends auf Qualität und individuelle Betreuung der Gäste an. Nachdem ihr Mann Wolfgang Wöhr 2007 im Alter von nur 56 Jahren gestorben ist, führt sie die Geschäfte des Unternehmens mit rund 100 Mitarbeitern allein.

Und baut das Familienunternehmen, das 1925 mit dem Transport von Holz und landwirtschaftlichen Produkten auf Pferdefuhrwerken begonnen hat, konsequent zum kleinen, aber feinen Nischenanbieter auf dem durch marktschreierische Dumpingangebote geprägten Reisemarkt um.

Jubiläum wurde groß gefeiert

Deshalb auch die Investitionen in einen zweiten VIP-Liner, den die Wöhrs bei ihrem 90-jährigem Firmenjubiläum am 16. April erstmals präsentierten, bevor es einige Tage später zur Jungfernfahrt nach Berlin ging. Fast 400 000 Euro haben sie in das Prachtstück investiert. Die Ausstattung ist denn auch mehr als bemerkenswert: 26 verstellbare Ledersitze mit 1,20 Meter Beinfreiheit auf Parkettboden. Klapptische auf dem Sitzrücken des Vordermannes sind im VIP-Liner tabu. Die meisten Plätze sind mit separaten Tische ausgestattet.

Dass dort etwas drauf steht, dafür sorgt Sonja Lutz in der Bordküche im hinteren Teil, um deren Dimension sie die meisten Stewardessen beneiden dürften. Serviert wird in Porzellangeschirr und in echten Gläsern, das Pils kommt vom Fass.

Die Idee des gehobenen Reisens wird in Weissach schon seit 1988 praktiziert. „Wir hatten uns gefragt, wie wir uns vom normalen Tourismus absetzen können“, erinnert sich die Chefin an die Anfänge des Premiumkonzeptes. 1988 ging der erste VIP-Liner auf die Straße.

Mittlerweile ist die blaue Flotte aus dem Strudelbachtal konferenztauglich. Beide VIP-Liner verfügen über Radio- und DVD-Anlage mit CD-Wechsler, Laptop-Anschlüssen und auf Bildschirme übertragbare Navigation. Futura 2, das neueste Modell, bietet zudem USB-Anschluss für MP3-Player, Fernsehempfang und W-Lan. Präsentationen können direkt vom Laptop auf die Busmonitore geschaltet werden.

„Rollende Konferenzsäle“

„So können auch Firmen unsere Busse als rollende Konferenzsäle nutzen“, berichtet Monika Wöhr-Kühnemann. „Unsere Privatgäste können sich ihr eigenes Unterhaltungsprogramm mitbringen.“

Und wer die gedruckte Zeitung präferiert, bekommt an Bord eine aktuelle Presseauswahl, natürlich auch die LKZ.

Besonderer Natur sind die Reiseziele. Hoch im Kurs bei den Gästen stehen die Fahrten an den Genfer See und zu den Schweizer Alpenbahnen, darunter der legendäre Glacier Express. Daneben sind die Wöhr-Busse in Italien, Frankreich, Griechenland, in St. Petersburg oder an der Schwarzmeerküste zu sehen. Besonders beliebt sind die Nordkap-Reisen oder die kombinierten Städtetouren, etwa nach Antwerpen, Brügge und Gent.

Längst haben die Wöhrs den Sprung über den großen Teich gemacht. Seit 2003 bieten sie kombinierte Bus-Flug-Reisen an. Im April 2016 ist sogar eine Expedition an den Amazonas geplant.

Kein Wunder also, dass der Organisations- und Werbeaufwand immer größer wird. Um sich als kleineres Unternehmen im Konzert der Großen mit ihren gigantischen Werbemaschinerien zu behaupten, kümmert sich die Tochter Michaela Wöhr selbst ums Marketing.

Ein hartes Geschäft

Bei allen Innovationen ist das Kerngeschäft das eigentliche Busfahren. Und das wird zusehends härter. „Es wird von Tag zu Tag schlimmer“, berichtet Udo Selte, der den Futura 2 steuert. „Die Lastwagen werden immer schneller, die Autobahnen voller und voller.“ Der routinierte Fahrer lässt sich freilich nicht aus der Ruhe bringen. Und verweist nicht ohne Stolz darauf, dass es bei den zahlreichen Polizeikontrollen noch nie eine Beanstandung gab.

Am Stammsitz in der Weissacher Grabenstraße, wo auch das große Depot zu finden ist, laufen derzeit die Vorbereitungen auf das Weihnachtsgeschäft. Zwar ist zwischen Mai und September Hauptsaison.

„Doch wir haben selbst über Weihnachten viele Gäste“, erzählt Monika Wöhr-Kühnemann. „Oft sind es Einzelreisende, die an den Feiertagen nicht allein bleiben möchten. Im Familienunternehmen Wöhr sind sie gut aufgehoben.“