Gerhard Manns Familie ist seit Jahrhunderten in dem Ort ansässig. Der 63-jährige langjährige Fraktionschef der Unabhängigen Liste ist mit der Gemeinde verwachsen – als Ortsführer, Imker oder Balalaika-Spieler oder früher als Jugendleiter

Weissach - Eigentlich wird der Begriff „Urgestein“ nahezu inflationär gebraucht und ist damit tabu. Doch auf kaum einen anderen trifft das Wort so zu wie auf Gerhard Mann. „Meine Familie lässt sich bis ins 16. Jahrhundert in Weissach zurückverfolgen“, sagt der 63-Jährige, der seit einigen Tagen im Ruhestand ist und sich nach elf Jahren auch aus dem Gemeinderat zurückgezogen hat. Als engagierter, oft kritischer und manchmal unbequemer Bürger bleibt er aber aktiv – und verzaubert die Gäste seiner Führungen nicht nur mit dem Schnaps aus eigenen Schlehen und Zwetschgen, sondern auch mit lebendig erzählter Weissacher Geschichte.

 

„Ja, ich bin gut verzweigt und verwurzelt hier“, sagt Gerhard Mann schmunzelnd. Von seinem gemütlichen Blockhaus, das 1988 ganz aus Holz gebaut wurde, hat er einen herrlichen Blick auf den Ort. Das Porsche-Entwicklungszentrum sieht er am Horizont nicht, aber er hört es manchmal, wenn der Westwind weht und auf der Teststrecke wieder die Boliden kreisen.

Dass er einen erheblichen Teil seines politischen Engagements darauf verwendet hat, die Landschaft zu schützen, auch vor der ständigen Expansion des Sportwagenherstellers, darauf ist Gerhard Mann schon ein wenig stolz. „Wenn die Fläche einmal verbraucht ist, dann ist sie für immer verloren“, sagt er auch heute noch. Da hilft es aus seiner Sicht nicht, als Ausgleich ein paar Obstbäume zu pflanzen oder eine Baumgruppe zum Forstwald zu erklären.

Die Landschaft des Strudelbachtals und der Umgebung zu erhalten, das stand schon ganz am Anfang seiner Tätigkeit. Als in den 90er-Jahren im Bonländer Tal ein Golfplatz gebaut werden sollte, gehörte Mann zu den Mitbegründern der Bürgerinitiative, die letztlich das Projekt verhinderte – gegen den geballten Widerstand der Honoratioren. Aus dieser Protestgruppe im „Weissacher Golfkrieg“, die sich im Kern aus Manns Jugendfreunden der Jugendschaft Horte rekrutierte, entstand die Unabhängige Liste, die er von 2004 an führte.

Inzwischen ist sie mit 25 Prozent fast eine Volkspartei in Weissach und artikuliert den in ökologischen und christlichen Kreisen verbreiteten Unmut über das ständige Wachstum von Porsche. Mann sieht den Einsatz selbstkritisch: „Wir haben die wilde Ausbreitung nicht verhindern können.“ Seit Porsche in den VW-Konzern integriert worden sei, habe die Erweiterung jedes Maß verloren.

Aber Gerhard Mann ist auch jemand, der schon früh gegen die undurchsichtigen Geschäfte der kommunalen Bauentwicklungsgesellschaft Kommbau aufgemuckt hat. Und die anderen Unregelmäßigkeiten im Ort, die aus seiner Sicht mit dem vielen Geld zusammenhingen. „Das war schon irrsinnig, so viele Millionen in einem Dorf mit 7500 Einwohnern“, sagt Mann und schüttelt den Kopf. Dass der frühere Bürgermeister Roland Portmann heute erklärt, ausgerechnet die Unabhängige Liste habe den ehemaligen Bürgermeister Reinhard Riesch unter Druck gesetzt, ärgert ihn.

„Das waren bestimmt nicht wir“, sagt Mann. Vielmehr habe Riesch Schreiben der Architektenkammer beim Amtsantritt vorgefunden, in denen die Vergabe von Bauaufträgen in Weissach gerügt wurde. „So manches wird noch hochkommen“, meint er. Aber Gerhard Mann kann diesen schmerzlichen Aufarbeitungsprozess nun etwas entspannter beobachten, er hat den Gemeinderat verlassen. Etwa bei der Betreuung seiner 20 Bienenvölker, denen er endlich mehr Beachtung zumessen kann. Zwei Söhne im Alter von 23 und 26 Jahren hat der Neurentner. Im Weissacher Biotop fühlt er sich wohl, auch seine Frau Rante stammt aus Weissach. Viele Verwandte wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft, die lebhaften Familientreffen bedeuten für Gerhard Mann ein Stück Heimat.

„Es hat sich gut getroffen, dass ich hier wohnen bleiben konnte“, sagt er, „und ich würde auch niemals weg wollen.“ Fast 50 Jahre lang hat er in Stuttgart beim Landesvermessungsamt als Geometer gearbeitet. Anfangs noch mit meterlangen Vermessungsstäben, dann mit elektrooptischen Geräten. Schließlich hat er landesweit die GPS-Satellitentechnik mit etabliert, in den letzten Jahren hat Mann dann den Nachwuchs ausgebildet. „Ein schöner Beruf, man ist im ganzen Land unterwegs gewesen und hat auch anpacken dürfen“, sagt Gerhard Mann und lächelt.

Das hat ihm auch bei der Erforschung des Weissacher Wehrkirchenbereichs geholfen. Seit vielen Jahren organisiert er Führungen durch den historischen Ortskern, mit großem Erfolg auch bei Touren in der Nacht oder durch die Weissacher Keller. „Da kann ich auch ein paar dumme Sprüche machen – das fällt mir nicht so schwer“, meint Gerhard Mann in der ihm eigenen selbstironischen Art.

Aber es gibt auch noch viele andere Seiten an dem knitzen Schwaben, die gar nicht allen bekannt sind. Im Partnerschaftsverein engagiert er sich etwa und hat freundschaftliche Beziehungen zu Marcy L’Etoile in Frankreich aufgebaut. Er spielt in dem 1969 gegründeten Balalaika-Ensemble Tschakir. Oder betreibt das Projekt Handwerkerhof im Odenwald, in dem Jugendgruppen historische Handwerkerarbeit erlernen können. Und ganz nebenbei organisiert Gerhard Mann seit den 70er-Jahren auch noch den bundesweiten Evangelischen Kirchentag einmal im Jahr mit.

Ein gewaltiges Bündel an Aufgaben – das der 63-Jährige bewusst jetzt um die umfangreiche Gemeinderatsarbeit reduziert hat. Nicht im Groll, wie er betont, obwohl viele Auseinandersetzungen der Vergangenheit nicht immer angenehm waren. In letzter Zeit sei das Verhältnis gut gewesen unter den Fraktionen, doch er will nun Platz machen für Jüngere. Und sich mehr auf die anderen Hobbys konzentrieren.

Und natürlich wird er weiter mitdiskutieren und sich einmischen. Alles andere würde ihn wohl selbst überraschen.