Der Weil der Städter Teilort Schafhausen ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Daimler-Pendler sind ins Neubaugebiet gezogen und beleben den Kern des 1200 Jahre alten Dorfes. Ein Rundgang mit dem Chef des rührigen Heimatvereins.

Weil der Stadt - Es ist wohl der schönste Blick, den man über Schafhausen haben kann. Daher heißt die Straße auch Schönblick. Helmut Gall, der Vorsitzende des Heimatvereins, und ist öfter hier oben auf dem Hacksberg. Eines der ersten Häuser der Siedlung hat Karl Gautsche (92) vor 60 Jahren hier gebaut. Er steht schmunzelnd in seinem Garten. „Als der alte Schultes Fiebich hier zum ersten Mal hochkam, hat er gesagt: Ich wusste gar nicht, dass man hier so einen schönen Blick hat.“

 

Von hier sieht man diesen 2500 Einwohner großen Flecken im Tal der Würm in seiner ganzen Pracht. Im Rücken den Hacksberg mit dem historischen Bahnhof, an dem früher ein herrschaftliches Empfangsgebäude mit roten Polstern für die erste Klasse stand, vorne das alte Bauerndorf, am Horizont die drei 350 Jahre alten Linden, ein Wahrzeichen und Aussichtspunkt.

Fritz Weida und seine Lämmer

Und dazwischen? Der zentralste Platz in Schafhausen, der Schäferbrunnen. In dichtes Kupferblech gehämmert hütet die Figur von Fritz Weida, dem letzten Berufsschäfer des Ortes, seine Lämmer. Der Heimatverein hat diese Kunstwerke seit 1999 peu à peu durch den Renninger Kunstschmied Gerhard Längerer anfertigen lassen.

Was die Frage aufwirft, ob Schafhausen seinen Namen wegen der Schafzucht trägt. Helmut Gall schmunzelt. „Früher hießen wir Schaffhausen“, sagt er, „und wir sprechen es auch heute noch so aus.“ Erst als die Schwarzwaldbahn im Jahr 1872 kam, verlangte man eine eindeutige Bezeichnung, wohl auch in Abgrenzung zu Schaffhausen am Rheinfall. „Seitdem stand Schafhausen/Württemberg im Fahrplan“, erzählt der 73-Jährige. Und was im Fahrplan steht, das hatte damals noch amtlichen Charakter. Was vermutlich auch für die Verbindlichkeit der Fahrzeiten galt . . .

Pflege für die nächste Generation

Gegenüber dem Brunnen steht ein riesiges, efeubewachsenes Fachwerkhaus. „Darin bin ich geboren und aufgewachsen“, erzählt Helmut Gall. Wie das eben so war im Jahr 1941, eine Hausgeburt. Bis heute ist er der Eigentümer. „Ich pflege es für die nächste Generation“, erklärt der langjährige IBM-Mitarbeiter, der zwar in Böblingen wohnt, dessen Herz aber immer für Schafhausen geschlagen hat. Die nächste Generation steht daneben – die Enkel Cedrik Roller (8) und Sebastian Lück (10) sind gerne in Schafhausen. Der ältere wohnt ebenfalls im Ortskern. „Hier ist es schön ruhig und es gibt einen tollen Spielplatz“, meint der Zehnjährige.

Im Schafhausener Rathaus treffen sich die Vereine, das „Bürgermeisterzimmer“ mit holzvertäfelten Wänden und Bleiglasfenstern versprüht noch den Charme des 19. Jahrhunderts. Man kann sich gut vorstellen, wie hier der „kleine Fürst“, der letzte Schafhausener Bürgermeister, regiert hat. Gegenüber das Pfarrhaus von 1660 mit württembergischen Wappen, die evangelische Kirche aus dem Jahr 1100, in die sogar die Eltern des Astronomen Johannes Kepler gingen. Alles Orte, die Helmut Gall allzu vertraut sind. Mit 26 Jahren ist er zu IBM gegangen, und hat mit seiner Frau Hilde in den USA gearbeitet. „Als ich zurückkam, wusste ich die Schönheit des Ortes erst wieder zu schätzen“, lächelt der Ruheständler.

Wo ist die Kapelle?

Als Rudolf Sendersky 1985 den Heimatkreis gegründet hat, war Helmut Gall dabei. Er leitet seit rund zehn Jahren als Nachfolger von Herrmann Spengler den Verein. Überall im Ort haben sie Tafeln an wichtigen Gebäuden angebracht. Der Bahnhofsbrunnen, der früher auf dem Hacksberg und später in Weil der Stadt stand, wurde wieder in den Ort geschafft. Das neuste Projekt des gut 140 Mitglieder starken Vereins: „Wir suchen nach der alten Kapelle des Kapellenberges.“ Es soll noch Fundamente einer „Ottilien-Kapelle“ geben, die nach der Reformation aufgegeben wurde.

Viel Geschichte also, die der Verein lebendig hält. Oder neu erlebbar machen will: Helmut Gall schwebt vor, einen Einstieg in das Flüsschen Würm für Boote zu schaffen, damit man es ihm nachtun kann: „Ich bin schon bis nach Weil der Stadt gepaddelt.“ Dann der scharfe Kontrast: Das Neubaugebiet. Natursteine im Garten, kantige Architektur, seit 2011 sind hier viele Pendler Richtung Daimler in Sindelfingen hergezogen. Die neuen Bürger sichern die Infrastruktur des Ortes: Bäcker, Blumenladen, den „Grünen Baum“, Gall ist stolz darauf. „Nur ein Einkaufsgeschäft, so wie in Hausen, hätten wir gerne noch“, sagt er.

So verbinden sich Gegenwart und Zukunft. Helmut Gall steht wieder vor seinem denkmalgeschützten Jugendhaus in der Ortsmitte. Eines Tages wird es vielleicht von seiner Familie wieder bewohnt. „Man kann in Schafhausen gut leben“, ist sich der 73-Jährige sicher. Sein Engagement hat einen guten Anteil daran, dass es so ist.