Seit vielen Jahren kümmert sich Marianne Maier um Flüchtlinge. Die selbstbewusste Mittsiebzigerin weiß, wie es ist, sich durchs Leben zu kämpfen und für die eigenen Ziele einzustehen. Ein Porträt über eine beeindruckende Frau.

Weil der Stadt - „Du Flüchtling!“ Als Kind ist Marianne Maier öfter so genannt worden, bis heute hat die 74-Jährige diese Worte im Ohr. Sie war noch sehr klein, als sie zusammen mit der Mutter und dem Bruder – der Vater war in Kriegsgefangenschaft – die Heimat im ehemaligen Sudetenland in Richtung Deutschland verlassen musste, Mitte der 40er Jahre im Lager in Malmsheim ankam und von dort aus schließlich nach Rutesheim zog. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, irgendwo fremd zu sein. Und ich kenne das Gefühl, teilen zu müssen, sehr gut“, erzählt Marianne Maier.

 

Vielleicht sind es diese Erfahrungen, die die selbstbewusste Weil der Städterin in ihrem Alltag antreiben. Als Vorsitzende des Arbeitskreis Asyl koordiniert die 74-Jährige die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit in der Stadt.

Sie verteilt Aufgaben an die freiwilligen Helfer, kümmert sich um Sprachförderung, steht im regen Austausch mit der Stadtverwaltung, den Ämtern und den Schulen. „Es gibt immer was zu tun“, erzählt sie, als mal wieder das Telefon klingelt. Tag für Tag laufen im Hause Maier die Drähte heiß, etliche Kurznachrichten, E-Mails und an die 20 Anrufe täglich. „Das ist inzwischen völlig normal.“

Tragische Schicksale

Seit den 90er Jahren, als in Jugoslawien der Bürgerkrieg tobte, engagiert sich die pensionierte Lehrerin in der Flüchtlingsarbeit. Den AK Asyl leitet sie seit mehr als zehn Jahren. Und kommt dabei mit viel Leid und tragischen Schicksalen in Berührung. „Das beschäftigt mich schon manchmal sehr“, erzählt sie. Doch sie versucht, es nicht zu nah sich ranzulassen.

Wie aber schaffst sie das? Immerhin hat sich die Flüchtlingsarbeit inzwischen zu einer Herkulesaufgabe entwickelt. Marianne Maier zeigt auf einen Zettel, der an der Wand über ihrem Schreibtisch hängt.

„Weitermachen und nicht verzweifeln“, steht da. Diesen Spruch habe der frühere Chef der SPD-Bundestagsfraktion Herbert Wehner seinem Nachfolger Hans-Jochen Vogel auf einen Zettel geschrieben, den dieser von da an in der Hosentasche trug. „Dieses Motto treibt auch mich an.“

Der Beruf als Berufung

Dass sie später einmal Lehrerin werden wollte, wusste Marianne Maier schon immer. Doch bis dahin war es ein sehr langer Weg. Nach ihrer mittleren Reife am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Leonberg lernte sie Industriekauffrau bei SEL in Zuffenhausen. Sie schloss die Ausbildung mit guten Noten ab, doch die Arbeit im Büro machte ihr keinen Spaß. Sie machte Weiterbildungen und bestand 1974 eine Eignungsprüfung, die es ihr schließlich ermöglichte, auch ohne Abitur zu studieren.

Doch zunächst ging es mit Mann und Tochter in die USA. Zurück in Deutschland studierte die inzwischen Mittdreißigerin an der pädagogischen Hochschule. Nach einem weiteren Amerika-Aufenthalt ging sie ins Referendariat – und stand danach ohne Job da. „Damals wurden keine Lehrer eingestellt“, erinnert sich Marianne Maier. So ging sie nach Mailand, wo sie sich um die Kinder einer italienischen Familie kümmerte. Ende der 80erJahre unterrichtete sie dann an der Volkshochschule Böblingen-Sindelfingen Deutsch als Fremdsprache.

Großmutter und Junglehrerin

1991, mit 49, bekam sie die langersehnte Anstellung an der Grund- und Hauptschule in Weil der Stadt. „Da war ich dann Großmutter und Junglehrerin in einer Person“, erzählt die dreifache Oma, ihre eine Enkelin ist übrigens mit dem Tengener Bürgermeister Marian Schreier verheiratet. Bis zur Pensionierung 2004 arbeitete sie an der Würmtalschule in Merklingen.

Nein, leicht hatte es Marianne Maier wahrlich nicht immer. „Aber ich habe sehr viel Spaß am Leben“, erzählt die 74-Jährige und lächelt zufrieden. Seit 20 Jahren tanzt sie mit ihrem Mann Heinz sprichwörtlich durchs Leben, regelmäßig drehen sie auf dem Parkett der Stuttgarter Tanzschule Wagner Figuren. Und sie machen sie jedes Jahr eine Radtour. Ansonsten liest Marianne Maier gerne Belletristik, macht Yoga, geht ins Kino und trifft sich mit Freunden. Und sie hat sich viele Jahre im Verein Miteinander Füreinander engagiert. „Ich bin ein geselliger Mensch und gerne unter Leuten.“ Das spürt jeder, der ihr begegnet.