Vor 75 Jahren wurde im Geburtshaus von Johannes Kepler ein Museum errichtet. Der Stadthistoriker Wolfgang Schütz hat erforscht, wie schwierig das war. Und warum die Weiler fast 200 Jahre lang ihren berühmtesten Sohn vergessen haben.

Weil der Stadt - Seit 75 Jahren ist im Geburtshaus des berühmtesten Sohnes der Stadt ein Museum. Im Jahr 1938 hat ein Vorläufer der Kepler-Gesellschaft das Gebäude gekauft. Längst ist daraus ein internationaler Anlaufpunkt geworden, und die Keplergesellschaft ein europaweites Netzwerk für moderne Astronomie-Ausstellung. Im Jahr 1999 wurde das Museum grundlegend neu gestaltet, um so das Wirken Keplers ins nächste Jahrtausend zu tragen.

 

Aber wie wurde aus dem Geburtshaus Keplers ein Ausstellungsort? Der Stadthistoriker Wolfgang Schütz hat das genau recherchiert. „Es war ein weiter Weg von der Wochenstube zur Weihestätte“, erklärt er. Zunächst geriet das Haus wie die Person nämlich ziemlich lange in Vergessenheit.

Kepler-Hype begann erst im 19. Jahrhundert

„Die Weil der Städter begannen erst zwei Jahrhunderte nach Keplers Tod, sich für den Mathematiker und Astronomen zu interessieren“, berichtet Schütz. Lange Zeit waren die Blicke der Aufklärung nach vorne und nicht zurück in die Vergangenheit gerichtet. Erst im 19. Jahrhundert begann der „Kepler-Hype“, wie Schütz augenzwinkernd erklärt. Ja, es bildete sich sogar eine richtige Philosophie rund um den Wissenschaftler, der beinahe wie ein Heiliger verehrt wurde. „Dazu hat die Kombination aus seiner ärmlichen Herkunft und dem Genie als Wissenschaftler beigetragen“, erläutert der Historiker. In einer Stadtchronik wurde erstmals die Biografie Keplers aufbereitet. Doch das Geburtshaus wurde viele Jahre lang als Bäckerei genutzt. Es stand im Schatten des neu errichteten Kepler-Denkmals auf dem Marktplatz.

Erst im Jahr 1930, als der 300. Todestag Keplers begangen wurde, rückte das Gebäude wieder in den Fokus. Max Caspar hatte die Idee für ein Museum. Er war der berühmteste Kepler-Forscher seiner Zeit und hat als erster dessen Werke auf Deutsch übersetzt. Als Mitbegründer des Deutschen Museums in München brachte er viel Renommee ein.

Es brauchte aber weitere Impulsgeber, wie den Bürgermeister Hermann Schütz – übrigens der Großvater von Wolfgang Schütz. Dazu kam Großindustrielle Paul Reusch mit schwäbischen Wurzeln, er war Generaldirektor der Gute-Hoffnungs-Hütte in Oberhausen. Viel Überzeugungsarbeit war notwendig, Wolfgang Schütz hat 1000 Briefwechsel der drei Gründerväter durchgelesen, um dies zu erforschen.

Im Jahr 1938 wurde der „Verein Keplerhaus“ gegründet, der sich von 1958 an Kepler-Gesellschaft nannte. Paul Reusch nutzte seine Kontakte und organisierte das nötige Geld, auch Robert Bosch und Albert Einstein gehörten zu den Stiftern. 1940 wurde das Museum dann eröffnet, leider überlagert vom Zweiten Weltkrieg.

Caspars Nachfolger Franz Hammer hat das Museum in den 60ern weiter ausgebaut – und auch die Übersetzung von Keplers Werken fortgesetzt. „Der letzte Band ist übrigens erst in diesem Jahr fertig geworden“, sagt Wolfgang Schütz.

Viele Anekdoten zu Tage gefördert

Seine Nachforschungen haben viele Anekdoten zu Tage gefördert. „So hält sich bis heute die Legende, dass Kepler in einer fensterlosen Kammer auf die Welt gekommen ist“, so Wolfgang Schütz. Diese Geschichte beruht auf einer der berühmtesten Erfindungen der Astronomie. Die „Camera Obscura“ ist eine Art Lochkamera, aus dem Lateinischen übersetzt heißt das „dunkle Kammer“. Weil Kepler damit arbeitete, war die Legende von der „dunklen Geburt“ geboren. Ob sie stimmt, lässt sich 444 Jahre später nicht mehr überprüfen.

Ein weiterer Mythos ist zweifelsfrei widerlegt. Im Jahr 1831 behauptete der Historiker Johann Breitschwert, Kepler sei gar nicht in Weil der Stadt, sondern in Magstadt geboren. „Es hat bis zum Jahr 1866 gedauert, als ein Notar diese Behauptung widerlegen konnte“, erzählt Wolfgang Schütz.

Der Vorsitzende der Keplergesellschaft, Klaus Werner, weist zum Jubiläum auf die Botschaft hin, die heute vom Museum ausgeht: Junge Menschen für die Wissenschaft zu begeistern. „Dabei nutzen wir Astronomie als Einstiegsdroge schamlos aus“, schmunzelt er. Schließlich fasziniert die Sternwarte auf dem Dach des Kepler-Gymnasiums die Schüler jeden Tag aufs Neue.