Teilweise sinkende Betreuungszeiten und fehlende Fachkräfte in vielen Einrichtungen lösen Unmut etlicher Eltern aus.

Erst die Corona-Pandemie, nun vielerorts ein lähmender Personalmangel: Seit über zwei Jahren ist das Leben in puncto Kinderbetreuung für Eltern nicht gerade leicht. Der leer gefegte Markt für pädagogische Fachkräfte birgt auch für die nahe Zukunft keine Erleichterung – so einige Kommunen im Altkreis mussten stellenweise Betreuungszeiten kürzen, wenn Schwangerschaften oder Krankheiten die Belegschaft zusätzlich geschmälert haben.

 

Großer Bedarf an zusätzlichen Kitaplätzen

In Weil der Stadt geht etwa die Ganztagsbetreuung seit Februar nicht mehr bis 17, sondern nur bis 16 Uhr. In der Kita Wichteltreff muss ab September eine ganze Gruppe mit potenziell zehn Plätzen wegfallen. Dabei ist der Bedarf groß: Insgesamt 75 Kitaplätze zu wenig gibt es für das Jahr 2022/2023, rechnete Tanja Kübler, Leiterin des Amtes für Jugend und Soziales, in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats vor. „Wir haben aktuell in allen Kitas eine Warteliste“, so Kübler.

Inmitten dieser – deutschlandweiten – Krise hat der Weiler Gemeinderat nun mit einer Gegenstimme und vier Enthaltungen sowie reichlich Diskussion eine Erhöhung der Kita-Gebühren beschlossen. Eine pauschale Erhöhung von 3,9 Prozent schlagen Städtetag, Gemeindetag und Kirchen vor, daran orientiert sich grundsätzlich auch die neue Weiler Gebührenordnung. Hat eine Familie mit einem Kind bisher 111 Euro für die Halbtagsbetreuung gezahlt, muss sie ab September 116 Euro aufbringen.

Bis zu neun Prozent mehr pro Kind

In manchen Fällen wird es allerdings noch teurer für die Eltern. Denn für die Betreuungsmodelle mit verlängerten Öffnungszeiten (VÖ) oder Ganztagskonzept (GT) geben die Landesverbände keine konkrete Empfehlung, halten einen Aufschlag auf die Regelzeit-Gebühren von bis zu 25 Prozent aber vertretbar. Diese Zahl will die Verwaltung auch voll ausnutzen. Bisher lag der Aufschlag in Weil der Stadt bei 20 Prozent. Die Gebühren für VÖ- und GT-Betreuung werden somit um bis zu neun Prozent angehoben.

Dass sich die Gebührenhöhung nicht auch in solchen Fällen an die pauschale Angabe der Landesverbände in Höhe von 3,9 Prozent annähert, kritisierte der Gesamtelternbeirat auch in einer schriftlichen Stellungnahme. „Äußerst kritisch“ sehe man die geplante Erhöhung, heißt es in dem Schriftstück. Auch, dass „im gleichen Atemzug“ mit der Verkürzung der Öffnungszeiten die Gebühren angepasst werden, merkt der Elternbeirat im Schreiben an. „Die Hoffnung war, dass die Angabe von 3,9 Prozent berücksichtigt wird“, erklärt Mercè Müller-Gorchs vom Gesamtelternbeirat. „Auch als Message an die Eltern.“ Besonders für die Familien, die über einer Einkommensgrenze für soziale Hilfen leben, aber trotzdem finanziell am Anschlag sind, sei die Erhöhung ein Problem, sagt Müller-Gorchs. „Die Belastung ist einfach seit zwei Jahren immens.“

Trotz Differenzen beim Thema Gebühren gute Zusammenarbeit

Trotzdem schlägt man im Elternbeirat auch sehr versöhnliche Töne an, lobt ausdrücklich die gute Zusammenarbeit und den transparenten und regen Austausch mit der Verwaltung in vielen Gesprächsrunden. Die Stadt bemühe sich sehr, erklärt Müller-Gorchs. „Aber es ist unausweichlich, dass man nicht immer zum gleichen Ergebnis kommt.“ Auch, wenn sie die Argumentation der Verwaltung bis zu einem gewissen Grad verstehen könne.

Die Verwaltung rechtfertigt die Erhöhung unter anderem mit Tarifabschlüssen und der damit verbundenen Personalkostensteigerung, ebenso wie eine allgemeine Preissteigerung der Betriebskosten und mit den vielen laufenden Bauprojekten im Kita-Bereich in Weil der Stadt. Eine wichtige Kennzahl ist außerdem der Kostendeckungsgrad. Seitens der Landesverbände sollte dieser im Idealfall bei rund 20 Prozent liegen – in Weil der Stadt liegt er bei höchstens 14 Prozent. „Den Rest trägt die Allgemeinheit“, so Tanja Kübler im Gemeinderat. Und jetzt? An der Entscheidung des Gemeinderats lässt sich trotz aller Enttäuschung nicht mehr rütteln – die Erhöhung kommt, das weiß auch Müller-Gorchs. Die Eltern wolle man nun mit einem Rundbrief informieren. Es bleibt ein klarer Appell des Elternbeirats: „Sich einbringen und bei der nächsten Wahl darauf achten, wen man wählt.“

Auch in Leonberg steigen die Gebühren

Derweil werden auch in anderen Kommunen im Altkreis die Gebühren erhöht. In Leonberg etwa hat man sich mit Nennung der Inflationsrate sowie der steigenden Sach- und Personalkosten an den von den Landesverbänden vorgeschlagenen 3,9 Prozent orientiert. So erhöhen sich die Kosten in der Regelbetreuung für Familien mit einem Kind von 122 auf 127 Euro. Die verlängerten Öffnungszeiten wurden bereits vor der Erhöhung mit einem Aufschlag von 25 Prozent bepreist. Im Gegensatz zu Weil der Stadt gab es in Leonberg aber kaum Diskussionen im Gemeinderat – und auch keine Gegenstimmen.