Der Gemeinderat überlässt dem Leonberger Verein Atrio das zentral gelegene Linde-Areal. Der setzt auf die Unterbringung von Behinderten auch in kleineren Städten und plant dort eine Wohneinrichtung für Menschen mit und ohne Handicap.

Weil der Stadt - Es geht vorwärts in Weil der Stadt. Der Gemeinderat hat einen zukunftsweisenden Beschluss, das ehemalige Linde-Areal betreffend, verabschiedet. Den Zuschlag bekommen hat der gemeinnützige Verein Atrio aus Leonberg, der auf dem Gebiet zwischen Stadtmauer und Hermann-Schnaufer-Straße eine Wohneinrichtung für Menschen mit und ohne Handicap entstehen lassen möchte.

 

Bereits seit 2008 bemüht sich Vorstand Bernhard Siegle um die Gunst der Stadt in dieser Sache. Die Stadt hatte von Beginn an Interesse an einer Zusammenarbeit mit Atrio, jedoch mussten die Rahmenbedingungen immer wieder neu ausgehandelt werden. Zwischendrin meldete auch noch die katholische Kirchengemeinde ihren Wunsch nach der Nutzung des Areals an. „Besonders beeindruckt hat uns, dass Atrio sich dann mit der Kirche zusammengesetzt, seine Ideen angepasst und das Ausmaß der Planung verkleinert hat und eine gemeinsame Lösung anstreben wollte“, erklärt Bürgermeister Thilo Schreiber.

Lösung ist „erste Wahl“

Nachdem die Kirche ihre Strategie änderte, kam Atrio schnell zurück auf seinen ursprünglichen Vorschlag und fand erneut Gehör bei Gemeinderat und Stadtverwaltung. Schreiber bekräftigt: „Diese Lösung ist nun erste Wahl für die Gemeinde. Sie kann und wird die Stadt vorwärts bringen.“ Bei der nicht öffentlichen Sitzung habe auch ein gastronomisches Konzept für das Areal zur Abstimmung gestanden. Dass nun Atrio der Kaufvertrag unterbreitet werde, sei auch eine konzeptionelle Entscheidung. Der Bürgermeister stellt klar: „Inklusion ist auch eine städtische Sache.“

„Für uns war dieses Grundstück ein Wunschobjekt“, schwärmt Bernhard Siegle, für Menschen mit Behinderungen sei es wichtig, dass die Geschäfte des täglichen Bedarfs und öffentliche Verkehrsmittel fußläufig erreichbar sind. „Das alles ist in der zentralen Lage in der Ortsmitte gegeben.“ Momentan werden Menschen mit Behinderungen aller Art hauptsächlich zentral in großen Einrichtungen in Leonberg und Böblingen betreut. Doch Atrio setzt seit einigen Jahren auf dezentralere, familiäre Häuser in den Kleinstädten. So hat der Verein bereits Standorte in Gerlingen und Ditzingen und ist in Gesprächen für eine Anlage in Renningen.

Zehn Wohnplätze sollen entstehen

Auf dem ehemaligen Linde-Areal sollen im „Wohnprojekt Linde“ nun zehn Wohnplätze für stationäres Wohnen entstehen – dort leben Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, zum Teil schwerst mehrfach behindert, die an 365 Tagen rund um die Uhr Unterstützung benötigen. Dazu sind zehn Ein-Zimmer-Appartements für betreutes Wohnen geplant. So viel Hilfe wie nötig, so wenig wie möglich, ist hier das Credo. „Das fördert und fordert nicht nur die Menschen, sondern ist auch wichtig für uns, um wirtschaftlich zu bleiben“, erklärt Siegle. Zudem sollen auf dem Gelände noch vier barrierefreie Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen zur Miete angeboten werden. Hier kann einziehen, wer möchte, das gehört mit zum inklusiven Konzept des Trägers. Zusätzlich wird eine etwa 80 bis 100 Quadratmeter große Fläche zur Vermietung an ein Ladengeschäft zur Verfügung stehen. „Das war ein besonderer Wunsch des Gemeinderates im Rahmen unserer Innenstadtoffensive“, erklärt Schreiber. „Wenn es dann an die Verpachtung geht, werden wir uns da mit dem Gewerbeverein noch einmal zusammensetzen“, verspricht der Schultes. Der Verein wird zur Betreuung der im „Wohnprojekt Linde“ lebenden Menschen etwa vier Vollzeitstellen für Pflegekräfte schaffen. Atrio schätzt die Kosten des Bauvorhabens inklusive des Grunderwerbs auf knapp vier Millionen Euro. Finanziert werden soll dies durch Eigenmittel des Vereins, durch öffentliche Förderung und durch Spenden etwa aus der Lotterie „Aktion Mensch“, es wird aber auch ein Darlehen aufgenommen werden müssen.

Ende 2018 soll alles fertig sein. Bis dahin muss aber noch einiges geschehen: Im Moment leben noch drei Mietparteien in den bisherigen Häusern und eine Wäscherei befindet sich im Erdgeschoss. Der Bürgermeister erklärt: „Wir hatten letzte Woche alle Betroffenen zu einem Gespräch hier; die Verträge sind zum 30. Juni 2016 gekündigt worden. Natürlich wird die Stadt aber bei der Wohnungssuche tatkräftig zur Seite stehen.“