Anpfiff gegen Italien! „No, no, no“, sagen da die Herren vom Centro Italiano. Anpfiff gegen Deutschland! Seit Jahrzehnten leben sie jetzt schon in Bella Germania, aber wenn heute Abend der Ball rollt, schlägt ihr Herz auf der richtigen Seite.

Weil der Stadt - Hmmmm. Was für eine Frage! Wollen Sie einen Caffè?“ Gandolfo Signorello schaut dem Besucher tief in die Augen. „Sie müssen einen trinken. Sie sind hier in Italien!“

 

Wie wahr! Wer sich unter den verwinkelten Altstadt-Torbogen des Weiler Spitals durchwagt, sich durch die knarrende Holztür traut, den umweht es sofort: Der heimelige Duft von dolce vita, Holzstühle, Fließenboden, Vino rosso et bianco, Campari, Ramazzotti, Espressi.

„Heimat“, denkt Gandolfo Signorello.

„Urlaub“, denkt der Deutsche. Obwohl. Heute Abend natürlich eher: „Gegner!“ Denn, klar, hier im Centro Italiano im Weil der Städter Spital bereiten sich alle auf einen italienischen Sieg beim EM-Spiel vor. Dann wird sie nämlich wieder knallvoll sein, die kleine heimelige Italo-Stube mit der südländischen Osteria-Atmosphäre. Gandolfo Signorello holt schon mal den Lappen raus und wischt die Tische ab. „Wenn Gäste kommen, muss doch alles schön sein“, findet er.

Denn Gäste sind immer willkommen, hier im kleinen Centro, wo das italienische Blut wie wild zirkuliert. Und auch solche trifft, die in ihrer Stammeslinie keinen Spritzer mehr davon abbekommen haben, seit der Vorfahr aller Württemberger, ihr Lieblingsgraf Eberhard im Bart 1474 seine italienische Markgräfin Barbara Gonzaga im Dom zu Mantua ehelichte – und die liebe Barbara im Gegenzug gleich den Humanismus und die Renaissance in das vermiefte Württemberg ihres Göttergatten mitbrachte.

Wo Deutsche und Italiener sich begegnen

„Ja, wir wollen, dass sich Deutsche und Italiener hier bei uns begegnen“, sagt Gandolfo Signorello. Und Jeder wird hier reingelassen, wenn er sich erst mal brav einen kleinen, pechschwarzen Kaffee einschenken lässt – und dann mit den Centro-Herren plaudert, über Gott, die Welt, Italien, Fußball.

„3 zu 0“, ruft dann zum Beispiel Cosentino Salvatore vom Nebentisch. Da ist er sich ganz sicher, da hat er schließlich Erfahrung. „Deutschland hatte noch nie eine Chance gegen Italia!“ Und die italo-braunen Augen zwischen den südsonnengebräunten Falten leuchten. Weil sie Feierabend haben, weil sie deshalb hier im Centro sitzen, weil sie zuhause sind. „Jaaaa“, sagt Cosentino. Hier ist er wirklich daheim, fast jeden Feierabend kommt er hierher, sonntags sogar schon am Morgen. „Dann sind meine Kumpels da, wir spielen Karten bis mittags.“ Bis es Mangiare gibt und die Donna daheim wartet.

Gandolfo Signorello hat mittlerweile abgewischt. Jetzt kommen die Stühle dran, am Abend sollen schließlich alle den Blick auf den Fernseher haben. Vorne die Bambini, dann die Alten. Zu denen gehört er inzwischen schon fast selbst, auch wenn er sich in Weil der Stadt lange um die Bambini gekümmert hat.

Zumindest um die, die im Fußballverein waren, wo Gandolfo Signorello eine italienische Trainer-Legende ist. „Da hatte ich die Idee zu einem italienischen Fußballclub“, sagt er – und erinnert sich zurück, fast 20 Jahre ist das jetzt her. „Ja, so hat es damals alles angefangen.“

Was machen wir im Winter?

Da saßen dann ein paar Italiener zusammen, meistens abends, in den Altstadt-Gassen – eben draußen. Und sie quälten sich mit der Frage: „Was machen wir im Winter?“

Sie hatte Glück. Mit der Piemont-Perle Bra hatte Weil der Stadt 2001 gerade eine neue Partnerstadt in Italien bekommen. „Da konnte uns der Bürgermeister unseren Wunsch nach einem Raum nicht verwehren“, sagt Gandolfo Signorello. Schnell war der italienische Kulturverein, das Centro Italiano, gegründet, mit ihm als Vorsitzender.

Jetzt setzt er sich aber erst mal hin. Feierabend, auch im Centro. Den Rest erledigen sie dann am Samstagabend. „Spontan“, berichtet Gandolfo Signorello, „so, wie wir Italiener eben sind. Bei uns muss nicht immer alles perfekt geplant sein.“

Das ist eben der Unterschied zu den Deutschen, die immer alles perfekt planen müssen, das stellt Gandolfo Signorello immer wieder fest. Auch deshalb kommt er so gerne hierher, zu den Kumpels, zur italienischen Sprache. „Italienische Mentalität ist eben italienische Mentalität“, sagt er. Und alle hier im Centro wissen, was er meint. Und Bier ist schließlich immer da. „Aber deutsches Bier“, sagt Cosentino Salvatore und grinst.