Gudrun Lieb vom Seniorentreff und von der Fachstelle für bürgerschaftliches Engagement verabschiedet sich in den Ruhestand. Die Neue, Isolde Reinert, ist keine Unbekannte

Weil der Stadt - Wenn die Ideen in Weil der Stadt eine Heimat haben, dann in dem kleinen, unscheinbaren Büro beim Carlo-Schmid-Platz. Im Erdgeschoss des Betreuten-Wohnens, zentral gelegen, saß bislang Gudrun Lieb. Wobei die Türschilder schon ausgetauscht sind. Ihre Nachfolgerin Isolde Reinert, die von heute an übernimmt, hat sich schon eingerichtet.

 

Zwei Bezeichnungen sind auf die Fenster hier gemalt. „Seniorentreff“ steht da, und: „Fachstelle für bürgerschaftliches“ Engagement“. Das sind die beiden Aufgaben, und beide verbindet vor allem eines: Ideen zu haben. „Zu 95 Prozent hat mir die Tätigkeit hier Spaß gemacht“, bilanziert Gudrun Lieb. „Ich habe gern Kontakt zu Menschen – und ich mag es, Ideen zu verwirklichen.“ Und nein, die Ideen sind ihr in all den Jahren nie ausgegangen.

Jetzt verabschiedet sich Gudrun Lieb in den Ruhestand. Jeder in Weil der Stadt kennt die agile, umtriebige Frau. Und doch können wahrscheinlich nicht allzu viele die Frage beantworten, was eigentlich die Engagement-Fachstelle und der Seniorentreff machen. „Ja“, stellt auch Lieb selbst fest. „Das ist nicht immer ganz einfach. Wir sind hier Einzelkämpfer.“

Erst seit 2008 gibt es diese Stelle bei der Stadtverwaltung

Sie selbst hat Aufbauarbeit leisten müssen. Erst seit 2008 gibt es diese Stelle bei der Stadtverwaltung. Gudrun Lieb war aber auch schon vorher engagiert. Sie ist in Weil der Stadt geboren und aufgewachsen, hat dann Lebensmittelchemie studiert, bis nach dem Zwischenexamen die Kinder kamen. „Dann war ich Hausfrau – aber sehr aktiv“, erzählt die 63-Jährige. 1991 wurde die Stelle der Einsatzleiterin bei der Nachbarschaftshilfe frei.

„Mensch, bewirb Dich doch“, hatte man zu ihr gesagt. Lieb baute schließlich diesen Verein, der damals Haushaltshilfe und einfachere Pflege leistete, zu einem kleinen mittelständischen Unternehmen mit 40 Ehrenamtlichen, sieben Festangestellten und zwei Zivis aus.

2007 löste man dann die Nachbarschaftshilfe auf und integrierte sie in die Weil der Städter Sozialstation. Gleichzeitig stellte die Weiler Verwaltung in einem Stadtentwicklungsplan aber fest, dass es sinnvoll wäre, jemanden zu haben, der sich um die Koordinierung all des Engagements der Bürger kümmert und es koordiniert. „Bürgerengagement ist ein Experimentierfeld“, sagt Gudrun Lieb. „Vieles klappt, einiges aber auch nicht.“ Das habe sie in all den Jahren festgestellt. Zum Beispiel bei ihrem ersten Projekt, nämlich dem Aufbau des Kreises der Jugendbegleiter. Die Weiler Grundschule wurde damals zur Ganztagsschule und Lieb suchte und schulte die Ehrenamtlichen, die sich bei der Nachmittagsbetreuung engagieren.

Die Liste der Tätigkeiten ist aber noch länger. Den Ehrenamtspreis und das Ehrenamtsfest hat sie ins Leben gerufen, den Markt der Möglichkeiten organisiert sie, den „Wegweiser“, eine hundertseitige Broschüre mit allen Vereinen und Organisationen veröffentlicht sie.

180 Vereine hat Weil der Stadt.

Überhaupt die Vereine. 180 davon gibt es in Weil der Stadt. „Die Vereine mussten erst meinen Mehrwert erkennen, bevor sie mich akzeptiert haben“, sagt Gudrun Lieb. Mit Workshops, Fortbildungen und dem Markt der Möglichkeiten greift sie den Ehrenamtlichen dort unter die Arme.

Und das kommt an. „Sie ist eine sehr zuverlässige, hilfsbereite Mitarbeiterin, die sich sehr selbstständig, aber auch kritisch eingebracht hat“, lobt sie der Bürgermeister Thilo Schreiber. Mit ihrer Pionierarbeit, die sie in der Fachstelle leisten musste, sei er sehr zufrieden. „Darauf kann Frau Reinert jetzt aufbauen.“

Das kann der Rathauschef aus eigener Anschauung bestätigen. Denn Isolde Reinert ist ihm persönlich und auch in Weil der Stadt keine Unbekannte. In den vergangenen sieben Jahren war sie die Sekretärin in Schreibers Vorzimmer. „Ich hatte den Wunsch nach Veränderung“, sagt Reinert selbst. „Nach der unterstützenden Rolle im Sekretariat möchte ich jetzt etwas eigenes gestalten.“

Die Voraussetzungen bringt die 58-Jährige mit, bürgerschaftliches Engagement ist für sie selbst nichts Unbekanntes. Ursprünglich kommt sie aus dem Saarland, was ihr immer noch anzuhören ist. Seit sie 24 ist, lebt sie aber im Heckengäu – gekommen ist sie der Liebe wegen. Zehn Jahre lang hat sie bei Daimler als Sekretärin gearbeitet. Nach der Erziehung ihrer zwei Kinder arbeitete sie für einen Chefarzt in Calw, seit 2012 schließlich für den Weil der Städter Bürgermeister.

Nebenbei ist die Althengstetterin beim Arbeitskreis Leben aktiv. Dort betreut sie Suizid-Patienten auf der Leonberger Intensivstation und kümmert sich um eine Gruppe Suchtkranker im Gefängnis Heimsheim – alles ehrenamtlich. „Mich selbst bringt dieses Engagement weiter“, sagt Reinert. „Ich lerne vom Lebensweg dieser Menschen, die ich begleite.“

Und das will sie jetzt in ihrer neuen Aufgabe auch anderen mit auf den Weg geben. Wie Gudrun Lieb zuvor, leitet Reinert die Fachstelle für Engagement und den Seniorentreff mit jeweils einer halben Stelle. Und noch etwas verbindet sie mit der Vorgängerin. Sie hat Ideen. Ein Projekt zum Mehrgenerationenwohnen will sie angehen, Theater mit Behinderten kann sie sich vorstellen und beim Seniorentreff will sie mehr Ausflüge anbieten. Daneben läuft eine Zukunftswerkstatt seit 2016 noch weiter, in der die Stärkung der Vereine, ein Waldweg und neue Wohnformen für Weil der Stadt diskutiert werden.