Mit einem Fest ist der erste Waldkindergarten in der Keplerstadt eröffnet worden.

Weil der Stadt - „Die Kinder werden sich im Wald bald schon besser zurechtfinden als mancher Erwachsene“, prophezeite Evelyn Quass beim Eröffnungsfest für den Waldkindergarten in Weil der Stadt. Sie ist Vorsitzende des Vereins Naturkinder Flacht, der der Träger der neuen Einrichtung am Alten Merklinger Sportplatz ist. Dort, wo ehemals nur eine grüne Wiese mit einer Grillstelle war, beleben jetzt schon zwölf Weiler Wichtel einen Teil der Fläche.

 

In einem nagelneuen Bauwagen haben sie bei Bedarf ein Dach über dem Kopf, ein zweiter Wagen soll bald folgen. Denn auch die Zahl der Kinder, die in der nun zwölften Betreuungseinrichtung für Kinder von drei bis sechs Jahren in Weil der Stadt aufgenommen werden, soll bis zum kommenden Frühjahr auf 20 steigen. Drei Erzieherinnen und ein Erzieher kümmern sich unter der Leitung von Yvonne Marquardt derzeit um die Kleinen.

Neuland für die Stadtverwaltung

Vor 15 Monaten hatte der Gemeinderat grünes Licht für den Waldkindergarten gegeben. Dieser erweitert nun die Trägervielfalt von neun kommunalen Einrichtungen sowie einem evangelischen und einem katholischen Kindergarten um ein weiteres Angebot und macht damit das Dutzend in der Keplerstadt voll. Lange sei im Gemeinderat über den richtigen Standort diskutiert worden, sagte der Bürgermeister Thilo Schreiber. Auch die organisatorische Vorbereitung sei Neuland für die Stadt gewesen, beispielsweise für das Baurechtsamt, das noch nie einen Waldkindergarten genehmigt habe. Aber mit dem Verein zusammen sei das „absolut professionell durchgezogen“ worden, sagte er in Richtung der Vorsitzenden Quass.

Im Vergleich zu anderen Neubauvorhaben, wie etwa derzeit für den neuen katholischen Kindergarten, der rund 3,8 Millionen Euro kosten wird, ist die Anlage des Waldkindergartens eher günstig. Die Stadt trägt bei den Kindergärten 80 Prozent der Betriebsausgaben und der Investitionskosten. Für den Wichtel-Waldkindergarten bedeutet das 134 000 Euro Investitionskostenzuschuss für die beiden Bauwagen und etwa 160 000 Euro jährlich für die Betriebskosten.

Den Wald sauberer verlassen

Evelyn Quass betonte, dass die Kinder im Waldkindergarten im ursprünglichen Lebensraum bei Wind und Wetter spielen. Das stärke das Immunsystem und fördere die Motorik. „Wir sagen den Kindern, dass wir den Wald sauberer verlassen, als wir ihn vorgefunden haben. Das bedeutet, dass wir auch mal Müll einsammeln“, erzählt sie. Nachhaltigkeit sei ein großes Anliegen des Vereins. Der Waldkindergarten hat keinen Stromanschluss, Wasser wird in der Regentonne aufgefangen oder von den Eltern in Kanistern gebracht. Erst, wenn die Temperaturen im einstelligen Bereich sind, wird im Bauwagen der Holzofen angemacht und drinnen gegessen.

Viel Spielzeug brauchen die Kinder nicht, denn die Natur biete genügend davon: Steine, Stöcke, Erde, so Evelyn Quass. Im Wald würden klare Regeln gelten, nämlich nichts vom Waldboden in den Mund nehmen, nicht auf aufgestapeltes Holz klettern oder keine toten Tiere anfassen sowie immer in Sichtweite bleiben.

Schnitzen mit echten Messern

Auch direkt um den Bauwagen herum haben die Kleinen viel zu tun. Es gibt Gemüsebeete, Hochbeete für Blumen, Bäume, auf denen man klettern kann, und viel Holz zum Basteln. Der Verein verfolge einen „lebenspraktischen Ansatz“, wie Evelyn Quass sagt. „Die Kinder schnitzen mit echten Messern und gehen mit echtem Werkzeug um, machen Feuer und bereiten das Essen selbst zu“, zählt die Vereinsvorsitzende auf. Die Kinder könnten durch sinnvolle Tätigkeiten erleben, dass sie selbst wirksam sind und wirklich gebraucht werden. Zusammen mit den Erziehern, die als Vorbilder dienen, bilden sie eine Gemeinschaft.

Sind Kinder und Erzieher während der sechsstündigen Betreuungszeit von 7.30 bis 13.30 Uhr überwiegend im Freien unterwegs, so können sie doch bei Sturm oder Gewitter in nahe gelegene feste Schutzunterkünfte gehen, etwa in das Heim des Vereins der Hundefreunde, ins Kepler-Gymnasium oder in die Merklinger Grundschule.

Weiterer Waldkindergarten in Rutesheim

Beim Eröffnungsfest am Samstag wuselte es am alten Sportplatz nur so von wetterfest gekleideten Weiler Wichteln, ihren Eltern, Großeltern und anderen Gästen wie Gemeinderäten sowie Mitarbeitern der Stadt wie etwa die Leiterin des Amtes für Jugend und Soziales, Tanja Kübler. Der Bürgermeister Thilo Schreiber hatte zum Eröffnungsfest ein Geschenk mitgebracht: einen Bollerwagen, gefüllt mit Obst und Gemüse. Schreiber wies darauf hin, dass der Verein Naturkinder Flacht im Herbst 2020 auch in Rutesheim einen Waldkindergarten eröffnet. Er freue sich aber, dass es Weil der Stadt gelungen sei, hier einmal in einer Sache vor Rutesheim oder Renningen zu sein, fügte er augenzwinkernd hinzu.

Der Verein mit Sitz in Weissach-Flacht betreibt bereits drei Waldkindergärten im Enzkreis – in Mönsheim, Heimsheim und Niefern-Öschelbronn. Die neue Weiler Einrichtung ist seine erste im Landkreis Böblingen.