Wenige Stunden vor der Schließung der Wahllokale lag die Beteiligung bei rund 51 Prozent. Ein historisch niedriges Ergebnis in Italien.

In Italien zeichnet sich bei der Parlamentswahl am Sonntag eine historisch niedrige Wahlbeteiligung ab. Um 19.00 Uhr und damit vier Stunden vor Schließung der Wahllokale hatten in dem Mittelmeerland nur rund 51 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, wie das Innenministerium bekanntgab.

 

Bei den Wahlen im Jahr 2018 waren es zu dem Zeitpunkt rund 59 Prozent gewesen. Dabei hatte Italien damals am Ende mit knapp 73 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung seiner Nachkriegszeit registriert - dieser Wert könnte nun noch einmal deutlich unterschritten werden.

Meloni wird voraussichtlich gewinnen

Umfragen sagen einen Sieg des rechten Lagers voraus, an dessen Spitze Giorgia Meloni von der Rechtsaußen-Partei Fratelli d’Italia (FDI) steht. Diese bildet ein Bündnis mit der rechtsnationalen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und der Forza Italia (FI) des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Laut Wolfgango Piccoli von der Beratungsfirma Teneo könnten viele Wähler Meloni wählen, „die Neuheit, die einzige Anführerin, die die Italiener noch nicht ausprobiert haben“.  „Heute kannst du dazu beitragen, Geschichte zu schreiben“, erklärte Meloni auf Twitter an ihre Anhänger gewandt. Allerdings könnte der erwartete Erdrutschsieg auch ausbleiben - rund 20 Prozent der italienischen Wähler galten bis zuletzt als unentschlossen, Überraschungen waren Experten zufolge noch möglich. 

„Ich spiele um zu gewinnen, nicht um teilzunehmen“, sagte Salvini bei seiner Stimmabgabe. Er sieht seine Partei „auf dem Podium: erster, zweiter, im schlimmsten Fall dritter“ Platz. „Ich kann es kaum erwarten, ab morgen wieder in die Regierung dieses außergewöhnlichen Landes zurückzukehren“, sagte der frühere Innenminister. 

Regierungslager ist zerstritten

Am Sonntagmorgen wählten auch der italienische Präsident Sergio Mattarella, Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der Chef der Partito Democratico (PD), Enrico Letta.  Das Mitte-Links-Bündnis um die PD mit Ex-Regierungschef Letta lag Umfragen zufolge nur bei 28,5 Prozent. Die Fünf-Sterne-Bewegung würden demnach nur noch rund 13 Prozent der Menschen wählen. 

Die Lage für die Mitte-Links-Parteien scheint so vertrackt, dass PD-Chef Letta Anfang September bereits an unentschlossene Wähler appellierte, mit einer Stimme für seine Partei doch wenigstens zu verhindern, dass die Rechten eine ausreichend große Mehrheit bekommen, um die Verfassung ändern zu können. Die Rechtskoalition hat im Wahlkampf enorm teure Vorschläge präsentiert, um den Folgen von Energiekrise und Inflation beizukommen. Dazu gehören massive Steuersenkungen - ohne Erklärung, wie diese finanziert werden sollen. 

Fratelli d’Italia wurde erst 2012 gegründet

FDI-Chefin Meloni hat alles getan, um ihre Partei im Inland wie international salonfähig zu machen. Das politische Erbe, auf dem die FDI 2012 gegründet wurden, ist die in den 1990er Jahren aufgelöste postfaschistische Partei Movimento Sociale Italiano (MSI). Bei den Wahlen 2018 hatten die FDI nur knapp über vier Prozent der Stimmen geholt. Seither aber lief die Partei vor allem dank der charismatischen Meloni der Lega von Hardliner Salvini den Rang als stärkste rechte Kraft ab. 

Viele Wähler waren jedoch bis zuletzt unentschlossen. Wahlen würden durch Emotionen und im letzten Moment entschieden, sagte die Soziologieprofessorin Emiliana De Blasio von der Universität Luiss in Rom der Nachrichtenagentur AFP. Sie wies auf die wichtige Rolle der Unentschlossenen hin, deren Anteil auf 20 Prozent geschätzt wird, sowie auf die Bedeutung der Wahlbeteiligung.

Vor allem in Süditalien könnte die Fünf-Sterne-Bewegung, der die Einführung eines Grundeinkommens für die Ärmsten zugeschrieben wird, sowie die lokal gut verankerte PD für Überraschungen sorgen. Erste Hochrechnungen werden nach Schließung der Wahllokale um 23.00 Uhr erwartet. Offizielle Ergebnisse gibt das Innenministerium erst am Montag bekannt.