Was Leonberg bereits hat, baut Gerlingen jetzt auf: einen Hospizverein, dessen Ehrenamtliche Schwerstkranke und ihre Angehörigen begleiten. Was genau tun Hospizhelfer?

Ihr erster Einsatz als Hospizhelferin bleibt Bärbel Dimmroth unvergessen: Sie fand sich inmitten einer Hochzeitszeremonie mit einem Pfarrer wieder. Eine Tafel war im stationären Hospiz in Leonberg gerichtet, Gäste waren da. Das sei sehr eindrücklich gewesen, erinnert sich die 75-Jährige. Sie erlebt aber auch Geburtstagsfeiern und fröhliche, gemeinsame Essen. Die Patienten singen und spielen, sie haben Kunst- und Hundetherapie. „Im Hospiz findet das ganz normale Leben statt“, berichtet Bärbel Dimmroth. Humor sei ein großes Thema, es werde viel gelacht. „Das kann ein Ventil sein.“

 

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Beim Verein Hospiz Leonberg, der Träger des ambulanten Hospizdienstes für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie des stationären Hospizes, ist sie die „Frau für alles“, sagt die pensionierte Lehrerin und lacht dabei: Sie übernimmt nicht nur Dienste im stationären Hospiz, sondern unterstützt erwachsene Schwerstkranke und ihre Angehörigen auch im häuslichen Umfeld, im Pflegeheim, im Krankenhaus und im Behindertenheim. Seit fast zehn Jahren. Und trotzdem: „Jedes Mal ist eine völlig andere Erfahrung.“

„Wir können Probleme nicht lösen“

Das Engagement von Hospizhelfern, die besonders im ambulanten Bereich gesucht werden, umfasst rund 20 Stunden im Monat plus die Teilnahme an regelmäßigen Supervisionen und Fortbildungen. Dem Ehrenamt voraus geht eine Schulung von 100 Stunden.

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Die derzeit mehr als 70 Ehrenamtlichen im ambulanten Hospizdienst begleiten im Jahr insgesamt zwischen 50 und 70 sterbende Menschen, ihre Angehörigen und Familien mit erkrankten Kindern. „Wir haben mit Menschen in Ausnahmesituationen zu tun“, sagt Bärbel Dimmroth. Es gehe darum, ihnen beizustehen, für sie da zu sein, zuzuhören, nachzufragen, zu erspüren, was sie wollen und brauchen. „Mein Antrieb ist zu helfen“, sagt Bärbel Dimmroth. Doch sie weiß: „Wir können Probleme nicht lösen, aber wir können mithelfen, Wege zu finden.“

Bei Angehörigen entsteht zunehmend Unsicherheit

Das gilt auch im Umgang mit den Angehörigen. „Oft begleiten wir mehr die Angehörigen als die Patienten“, sagt Bärbel Dimmroth. Konfrontiert mit dem Sterben und Tod eines geliebten Menschen entstehe zunehmend Unsicherheit. Dann werde die Kommunikation zwischen den Zugehörigen manchmal schwierig, sagt sie. „Wir können da oft Brücken bauen, um wieder ins Gespräch zu kommen.“

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Bärbel Dimmroth sagt, die Arbeit bringe ihr einen Sinn im Leben. Und „Dankbarkeit von allen Seiten.“ Irgendwer sage immer Danke. Angehörige etwa, wenn sie etwas Zeit für sich haben oder ihr Herz ausschütten können. Das komme ehrlich von Herzen. „Und ich selbst sage auch Danke, weil ich in ganz existenziellen Momenten teilhaben darf. Das bereichert mich.“

Hospizhelferin bewertet Tod unterschiedlich

Wohingegen im Angesicht des Todes Sprachlosigkeit herrscht. „Wenn jemand stirbt, fehlen einem die Worte“, sagt Bärbel Dimmroth, in deren Anwesenheit schon mal jemand seinen letzten Atemzug tat. Das sei ein unbeschreibliches Gefühl. Ähnlich dem, das sie gehabt habe, als ihre Enkel zur Welt kamen. „Ich weiß um die Bedeutung dessen, was passiert ist. Es berührt einen.“

Trotzdem bewertet sie den Tod unterschiedlich: „Wenn er Erlösung bringt, ist er okay.“ Merke man aber, dass die sterbende Person unerledigte Dinge mit sich trage, dann spüre sie, dass das Leben nicht immer zu einem versöhnlichen Abschluss führe.

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Dennoch – oder gerade deswegen – sollte man sich Bärbel Dimmroths Ansicht nach bereits im Leben mit dem Sterben und Tod auseinandersetzen. Die 75-Jährige beschäftigt sich seit der Schulung zur Hospizhelferin intensiv damit. Dabei hat sie festgestellt, dass sie keine Angst mehr haben muss. Sie sei heute gelassener. „Der Tod kann Erlösung sein, ein weiterer Schritt aus dem Leben raus in ein anderes Dasein.“

Neben der Bereitschaft, sich mit Sterben, Tod und Trauer zu befassen, brauchen Hospizhelfer „Empathie und ein großes Herz“, sagt Bärbel Dimmroth. Dazu Offenheit und eine Haltung, dem anderen immer auf Augenhöhe zu begegnen. Zeitliche Flexibilität ist ebenfalls nötig. „Sterben kann man nicht planen.“

Sterbebegleitung in Gerlingen

Neues Angebot
 Seit Herbst hat Gerlingen den Verein Hospizdienst. Acht Personen lassen sich nun zu Hospizhelfern ausbilden. Von November an begleiten sie Schwerstkranke und die Angehörigen – im häuslichen Umfeld und im Pflegeheim. Um künftig den Bedarf in Gerlingen zu decken, sind 30 Ehrenamtliche nötig, sagt Reinhard Ernst. Dem Vize-Vorsitzenden war die Gründung eines Hospizvereins schon lange ein Anliegen: Gerlingen sei der letzte weiße Fleck auf der Karte gewesen. Diese wichtige, niederschwellige Hilfeleistung habe in der Stadt noch gefehlt. hospizdienst-gerlingen.de.

Helfer gesucht
 Der nächste Vorbereitungskurs in Leonberg startet im Juli. Am 14. Juni ist um 18 Uhr im evangelischen Gemeindehaus Höfingen ein Infoabend, Anmeldung bis 10. Juni: www.hospiz-leonberg.de.