An den Grundschulen im Kreis Böblingen hat wieder der Präsenzunterricht für alle Klassen begonnen.

Aidlingen - Zum Glück ist es hier wieder lebendiger. Zu einer Schule gehören einfach Kinder“, sagt Rektorin Christiane Lay von der Buchhaldengrundschule in Aidlingen. Wie im ganzen Kreis Böblingen hat hier vor einer Woche wieder der (zumindest halbwegs) reguläre Präsenzunterricht für alle Klassenstufen begonnen. Ganz normal läuft aber immer noch nicht alles ab.

 

12 Uhr mittags vor dem Schulhaus. Immer wieder fahren Eltern mit der Familienkutsche vor oder kommen zu Fuß angelaufen. Ein prüfender Blick auf die Uhr, ein kleines Schwätzchen, sie warten auf ihre Kinder. Nach und nach kommen diese mit ihren Ranzen auf dem Rücken aus dem Gebäude. Lachend, albernd, fröhlich. Es wirkt im ersten Moment wie eine Szene aus fast schon vergessenen Tagen, als Corona für die meisten Menschen höchstens eine mexikanische Biermarke war. Bei einem genaueren Blick ändert sich das. Die Mamas und Papas stehen im Sicherheitsabstand zueinander da. Manche Jungs und Mädels haben eine Maske um den Hals hängen, vielleicht sogar vor dem Mund.

Das Virus ist präsent

Erst recht das Betreten der Buchhaldenschule verdeutlicht: Normalität ist hier noch nicht eingekehrt. Separater Ein- und Ausgang, die aufgeklebten Pfeile auf dem Boden, zwischen Tische gespanntes Absperrband und Hütchen vor der Toilette erinnern daran: Das Virus ist noch da. Dass die praktischen Ideen zu dessen Eindämmung, die natürlich nicht nur in Aidlingen, sondern im ganzen Kreis Böblingen ausgetüftelt wurden, so falsch nicht sein können, wird durch die Tatsache belegt, dass sie jetzt immer noch den optischen Eindruck vor Ort prägen.

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Denn so viel ist gar nicht anders, seit am Montag die Grundschulen wieder den Präsenzunterricht, außer Sport und Musik, für alle Klassen hochgefahren haben. Der Pausenhof war bereits in zwei Hälften unterteilt, als ein reduziertes Unterrichtsprogramm anlief. Die Wegmarkierungen sorgen immer noch dafür, dass Begegnungen reduziert werden. Desinfizieren und Putzen der Räume stehen unverändert auf der Tagesordnung. Der erste Gang der Schüler morgens sowie vor und nach Pausen führt weiterhin ans Waschbecken. „Bei 25 Kindern in der Klasse dauert das, aber da müssen wir jetzt halt durch“, sagt die Rektorin. Und auch der Mundschutz steckt noch im Ranzen. Nicht verpflichtend, aber als freiwillige Erleichterung, wenn die Lehrerinnen zum Erklären einmal etwas näher kommen sollten.

Die Viertklässler sind „einsichtig und vernünftig“

Neu ist, dass die Klassenkameraden keinen Mindestabstand mehr zueinander einhalten müssen, auch wenn sie von ihren Lehrerinnen darauf hingewiesen werden, ganz enge Kontakte – wie etwa beim Kabbeln – seien zu lassen. Neu ist auch die Viertelstunden-Taktung des Unterrichtbeginns, durch die verhindert werden soll, dass die Klassenstufen sich begegnen. Und neu ist natürlich die Menge an Schülern.

„Am Montag sind die Kolleginnen und ich erschrocken, wie viele Kinder da sitzen. Wir dachten erst: Huch, ist das voll hier“, sagt Christiane Lay und lacht. Apropos Lehrerinnen: Die haben in de vergangenen Woche ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Je nach Klassenstufe. Corina Hepp, die seit 13 Jahren an der Buchhaldenschule unterrichtet, hat ihre Viertklässler als „einsichtig und vernünftig“ erlebt. Was eine mögliche Ansteckung betrifft, gibt sie zu, dass schon ein mulmiges Gefühl den Tag begleitet, aber sie findet es gut, „dass man jetzt bis zu den Sommerferien noch alles zusammen aufarbeiten kann“. Außerdem sei es schön für die Kinder, sich vor dem Wechsel auf verschiedene weiterführende Einrichtungen noch einmal im Klassenverbund zu sehen.

„Wir müssen quasi bei Null anfangen“

Anders klingt das bei Antje Kerkmann, wenn sie über ihre Erstklässler spricht: „Sie haben alles vergessen, was sich an Klassenregeln eingespielt hatte. Ich hatte damit gerechnet, dass es schwierig wird, aber nicht in diesem Ausmaß. Wir müssen quasi bei Null anfangen“, seufzt sie. „Arbeiten ist schwer möglich. Ich muss fast schon wie ein Dompteur im Klassenzimmer stehen. So macht das wenig Spaß.“ Zudem bemerke sie jetzt schon, dass die Schere in Sachen Leistung auseinanderklafft. „Einige Kinder wurden zu Hause scheinbar alleingelassen.“ Das ist auch der Rektorin aufgefallen: „Manche brauchen viel Hilfe, um wieder auf den Punkt zu kommen. Sie hatten gerade die Buchstaben gelernt, dann lag das ein halbes Jahr brach. Da ist viel Aufbauarbeit nötig.“

Was eine mögliche Ansteckungsgefahr bei so vielen jungen Menschen auf einem Haufen angeht, bezeichnet sich Christiane Lay als „völlig entspannt“. Es gebe zwar Kolleginnen, die durchaus besorgt seien, doch das müsse man ihnen zugestehen. Solange man sich an die Regeln halte, könne man sich auch nichts vorwerfen. „Die Gefahr wird uns eine Weile begleiten, aber wenn man sich zu sehr sorgt, hätte man die Schulen für viele weitere Monate schließen müssen – das geht nicht“, betont die Rektorin. „Eine Öffnung war absolut notwendig, der Leidensdruck von zu Hause stieg.“ Daher ist die Erleichterung bei den Eltern spürbar.

„Man kommt an seine Grenzen“, berichtet Vater Hasan Dere. „Der Lehrerjob ist nicht so einfach. Und wir haben nur ein Kind, die eine ganze Klasse – alle Achtung!“ Wie auch andere hat er viel Lob für die Organisation in der Krise übrig. „Ich habe ein gutes Bauchgefühl. Die Schule macht das alles ganz toll, die Hygienebedingungen sind top, wir wurden immer rechtzeitig informiert“, bestätigt Mutter Claudia Widmann.

„Anstrengende Wochen mit Höhen und Tiefen“

Und wie war das in der Zeit nach der Schließung? „Anstrengende Wochen mit Höhen und Tiefen“, antwortet Mutter Jasmin Eßig, „ich habe Glück, dass ich nicht berufstätig bin, denn das war ein Full-Time-Job.“ So habe sie durchaus die Normalität herbeigesehnt. Und auch Eßig fürchtet sich nicht, dass ihre Tochter das Virus aus der Schule mitbringt: „Die haben da alles so gut im Griff.“

Bliebe abschließend noch die Frage nach der Zukunft. „Ich hoffe wirklich, dass es jetzt bis zu den Sommerferien so bleibt“, betont Christiane Lay. Danach, so die Rektorin, wisse noch keiner, was sein könnte. „Wie machen wir das mit der Verabschiedung der Viertklässler, die auch schon um ihr Schullandheim gebracht wurden? Was ist mit der Einschulung?“ Zudem habe das Kollegium gemerkt, dass es auf Online-Unterricht „null vorbereitet“ war. „Wir haben uns vorgenommen, das zeitnah voranzubringen“, kündigt Lay an. Doch erst einmal hoffen alle, das bald endgültig alles wieder normal laufen kann.

Vom Shutdown zurück in den Schulalltag

Die Schließung
wegen der Corona-Pandemie erfolgte am 17. März.

Homeschooling
erfolgte über ausgedrucktes Lernmaterial, das die Lehrer in Kisten auf den Gängen für ihre Schüler hinterließen. Die Kinder konnten dieses in der Schule abholen und nach der Bearbeitung auch wieder abgeben.

Seit dem 18. Mai durften die Viertklässler wieder in den Präsenzunterricht kommen. Jeweils in halben Klassen, die eine Hälfte von 8 bis 10 Uhr und nach einer Desinfizierung der Räume die andere Hälfte von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr.

Nach den Pfingstferien wurde dieses System auch bei den anderen Klassenstufen angewendet. Die erste und dritte Klasse waren eine Woche lang vor Ort, während die zweite und vierte Klasse von zu Hause aus lernten. In der Woche darauf erfolgte ein Wechsel: Zweit- und Viertklässler durften vor Ort ran, während Erst- und Drittklässler daheim lernten. Dieses rollierende Muster sollte entsprechend der Vorgaben der Landesregierung eigentlich bis zu den Sommerferien so beibehalten werden.

Seit 29. Juni werden wieder alle Klassen gleichzeitig unterrichtet. Eine genaue Zeiteinteilung soll die Zahl der Begegnungen minimieren. Um 8 Uhr beginnt der Schultag für die vierten Klassen, im Viertelstundentakt folgen dritte, zweite und erste Klasse. In zeitlich definierten Blöcken wird im Zimmer unterrichtet, gibt es Bewegungs- und Vesperpausen, sodass der viertelstündliche Abstand der Klassenstufen zueinander gewahrt bleibt. Der Schultag für Erst- und Zweitklässler ist zudem etwas kürzer.