In einem Ditzinger Hotel – dem kreisweit einzigen – hat der Landkreis Ludwigsburg Zimmer für Geflüchtete gemietet. Ein Besuch.

Er ist einer von inzwischen 93 vom Land zugewiesenen Geflüchteten, die in Ditzingen in Sicherheit sind, und er ist einer von derzeit 73, die im Best Western Plaza Hotel ein Dach über dem Kopf haben, um von dort zurück ins Leben zu finden: Der Mann, von dem die Hotelleitung am Mittwochvormittag in Anwesenheit des Migrationsstaatssekretärs Siegfried Lorek, berichtet, war die Flucht aus der Ukraine gelungen. In Sicherheit angekommen, habe er zunächst 48 Stunden durchgeschlafen.

 

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Der Staatssekretär für Migration im Justizministerium war gemeinsam mit dem Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier (beide CDU) nach Ditzingen gekommen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Der Landkreis Ludwigsburg hat in dem Ditzinger Hotel 130 Zimmer angemietet.

Kreisweit das einzige Hotel

Es ist kreisweit das einzige Hotel, dass der Unterbringung von Geflüchteten dient. 20 Geflüchtete sind laut der Kreisbehörde in der Ludwigsburger Jugendherberge untergebracht, das ehemalige Krankenhaus in Marbach werde wohl diese Woche bezugsfertig. Anders der Landkreis Böblingen: er hat nach eigenen Angaben Zimmer in sieben Hotels im Süden des Kreises angemietet, darunter in Sindelfingen, Böblingen und Herrenberg.

Lorek und Allgaier betonten an diesem Vormittag die humanitäre Verpflichtung der Gesellschaft zu helfen. Auch wenn beiden bewusst ist, dass dies von allen Beteiligten viel abverlange, Einschnitte bedeute und dies – mit Blick auf die Fernsehbilder aus dem Kriegsgebiet – auch nicht in den nächsten Wochen beendet sei, wie es Lorek formuliert.

Die Verteilung durch den Bund funktioniert noch nicht

Lorek beschreibt die landesweite Situation anhand von Zahlen: Laut UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben mehr als vier Millionen Menschen die Ukraine verlassen; bei der Bund-Länder-Verteilung hat Baden-Württemberg nach dem Königsteiner Schlüssel einen Anteil von 13 Prozent; landesweit sind derzeit mehr als 30 000 Geflüchtete registriert. „Aber die Verteilung funktioniert noch nicht von Bundesseite“, sagt Lorek, der zugleich die Hoffnung äußert, „dass der Bund das mit der Verteilung hinbekommt“. Die Geflüchteten hielten sich bisher vor allem nahe Polen auf, auch in Berlin, aber eben „nicht in der Fläche“.

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Lorek und Allgaier lassen keinen Zweifel daran, dass die Situation allen Ebenen sowohl in Politik als auch Verwaltung einiges abverlangen wird. Doch die Kommunen sind es letztlich, die alles umsetzen müssen, darauf verweist Ditzingens Oberbürgermeister Michael Makurath – und dies, obwohl in der Stadt noch mehr als 300 in den Jahren 2015 und 2016 Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan in städtischen Unterkünften wohnen. 90 Ukrainer lebten seit kurzem zusätzlich in der Stadt. Das Miteinander funktioniere, aber das müsse es eben auch „über den Tag hinaus“, sagt Makurath. Zumal die Unterbringung in einer städtischen Unterkunft – dort leben viele Geflüchtete, weil sie auf dem angespannten Wohnungsmarkt nichts finden – anders aussehe als im Hotel.

AK Asyl ist vorbereitet

Das weiß auch Herbert Kühn. Der stellvertretende Vorsitzende des Ditzinger Arbeitskreises (AK) Asyl sagt aber, die AK-Mitglieder seien auf eine solchen Diskussion vorbereitet. „Wir haben Argumente gesammelt“, sagt er, doch bisher benötige man sie nicht. Im Gegenteil, es gebe eine Hilfsbereitschaft untereinander.

Auch Landrat Allgaier betont an diesem Vormittag die Notwendigkeit eines Miteinanders, „wir brauchen das gute Zeichen der Solidarität“. Und Yonka Yalaz aus der Plaza-Geschäftsführung berichtet, das Hotel stelle auch aus Solidarität mit den ukrainischen Mitarbeitern Räume zu Verfügung. Zugleich ist es für das von der Coronapandemie gebeutelte Haus eine Möglichkeit, Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zu holen.

Der Schulunterricht geht weiter

Yalaz und der Betriebsleiter des Ditzinger Hotels, Aaron Müller, gewährten einen Einblick, wie sich das Leben in dem vom Landkreis angemieteten Gebäudetrakt Bahn bricht. Aus Tagungs- und Schulungsräumen wurden Aufenthaltszimmer beziehungsweise eine Beratungsstelle des Landratsamtes. Zweimal in der Woche kommen die Mitarbeiter der Kreisbehörde, wöchentlich kommt zudem ein zur mobilen Arztpraxis umgebaute Impfbus.

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Es ist eine erste Unterstützung, hierzulande zurecht zu kommen – während die Geflüchteten zugleich alles daran setzen, den Kontakt in die Ukraine nicht abreißen zu lassen. Das Handy wird zum wichtigsten Kommunikationsmittel, WLAN ist nicht nur dafür unerlässlich. Im Hotel geht auch der Schulunterricht weiter: Manche Schule in der Ukraine unterrichtet inzwischen online – solange es das Kriegsgeschehen zulässt.