Autofahrer sollten rücksichtsvoll fahren, wenn im Höfinger Täle die Kröten auf Wanderschaft sind.

Leonberg - Was bringt einen erwachsenen Menschen dazu, Erdkröten, Teichmolche und Feuersalamander am Straßenrand einzusammeln, um sie in Teichnähe wieder auszusetzen? Für Roland Krebs, Vorstandsmitglied des Naturschutzbundes (Nabu) Leonberg, ist die Antwort eindeutig: „Hier war schon immer ein Lebensraum für Amphibien, der Mensch dringt mit seinen Straßen in diesen Lebensraum ein, zerschneidet ihn.“

 

So ist es auch im Höfinger Täle. Die meiste Zeit des Jahres leben Erdkröten in Wiesen und Wäldern. Im Frühling zieht es die Tiere zur Fortpflanzung zurück zu den Gewässern, in denen sie geschlüpft sind. Erdkröten sind ortsgebundene Tiere und wissen, dass am Ort ihrer Geburt die Lebens- und Wachstumsbedingungen am besten sind. Das Laichgewässer finden die Tiere mithilfe eines speziellen Organs im Gehirn. Zusätzlich orientieren sich die Tiere an Wegen und Waldrändern sowie durch ihren Geruchssinn.

Zahlreiche Arten leben an der Glems

In den Tümpeln an der Glems, wo sie sich vermehren, leben zahlreiche Arten. Die erwachsenen Tiere zieht es nach der Laichablage wieder in ihren angestammten Lebensraum zurück. „Erdkröten überwinden so bis zu zwei Kilometer“, erklärt Rainer Selig, ebenfalls Vorstandsmitglied im Nabu Leonberg. „Die nachtaktiven Kröten und Frösche starten in der Abenddämmerung ihre Reise, die oftmals mehrere Kilometer lang ist und einige Tage dauert, denn Kröten können pro Tag etwa 600 Meter weit wandern.“

Das Problem: Zwischen dem eigentlichen Lebensraum und der Glems liegt eine Straße, die die Amphibien auf ihrer Wanderung überqueren müssen. Das ist im Moment der Fall, es ist „Wanderwetter“. Von März bis Anfang Mai sammeln rund zehn ehrenamtliche Helfer täglich bis zu 50 Tiere ein und tragen sie ins Wasser auf der anderen Straßenseite. Bis 2019 hat der Nabu dafür gesorgt, dass die Straße zur Wanderzeit in der Nacht gesperrt ist und die Tiere von der Straße aufgesammelt werden. 2020 wurde mit Unterstützung der Stadt ein Amphibienzaun aufgestellt, das macht es nun einfacher und weniger Tiere kommen zu Tode.

Die Zäune lenken den Weg der Kröten

Auf der 400 Meter langen Strecke vom kleinen Industriegebiet bis zur Felsensägmühle sind 20 Fangeimer in die Erde eingegraben. Die Zäune lenken den Weg der Kröten in die Eimer. Am frühen Morgen rücken dann die Helfer aus und kontrollieren die Eimer. Und abends macht Roland Krebs einen Spaziergang und sammelt die Tiere ein, die es doch auf die Straße geschafft haben.

Bei diesen nächtlichen Kontrollen wurden allein 250 Tiere von der Straße eingesammelt. Insgesamt 2100 Amphibien konnten 2020 hier im Gebiet Mühlstraße gerettet werden. „In diesem Jahr sind allerdings deutlich weniger Tiere unterwegs, weil es so trocken und zu kalt ist“, erklärt Roland Krebs. Erst bei einer Temperatur ab fünf Grad und Feuchtigkeit beginnen die Tiere wie auf Kommando zu wandern.

„Seit März haben wir erst 750 Tiere gefunden“

Bergmolche sind winterhärter als Feuersalamander, die erst bei höheren Temperaturen unterwegs sind. „Seit März haben wir erst 750 Tiere gefunden, normal wäre es in diesem Zeitraum das Doppelte“. Wenn es dann auf ihrem Weg zum Tümpel wieder zu kalt wird, graben sie sich unterwegs einfach wieder ein. Am häufigsten finden die Tierschützer hier Bergmolche, gefolgt von Erdkröten, Teichmolchen und verschiedenen Froscharten. „Insbesondere ist hier im Bereich des Schützenhauses der seltene Feuersalamander zu finden, eine geschützte Art.“

Während der Krötenwanderung gilt im Höfinger Täle auf der Mühlstraße eine besondere Verkehrsregelung. In der Zeit von 20 bis 6 Uhr ist die Durchfahrt nur den Anliegern gestattet. Tempo 30 herrscht hier sowieso. Doch was ist das Schützenswerte an den Kröten? „Das Verschwinden von Kröten, Fröschen und Molchen würde ein empfindliches Loch in die natürliche Nahrungskette reißen“ erklärt Roland Krebs. „Die Tiere fressen Käfer, Spinnen, Würmer; sie sind aber auch wichtige Beutetiere für vielerlei Vögel, Reptilien und Säugetiere. So hat jede einzelne Art ihre Bedeutung im Ökosystem.“

Deshalb geht die Bitte der Umweltschützer an Autofahrer, aber auch an Radfahrer und Fußgänger: „Rücksicht nehmen, langsam fahren in Gebieten mit Amphibienwanderung oder diese Bereiche ganz meiden“, sagen die Fachleute.