Innenminister Thomas Strobl (CDU), der am Samstagabend Ehrengast beim Bundesschwabenball in Gerlingen ist, hat im Interview eine klare Botschaft an die Besucher.

Zum 65. Mal findet an diesem Samstag (Stadthalle, 17.30 Uhr) in Gerlingen der Bundesschwabenball statt. Als Ehrengast kommt Innenminister Thomas Strobl (CDU), der auch der Landesbeauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler ist. Wir haben mit ihm im Vorfeld gesprochen.

 

Herr Strobl, welche Bedeutung haben Veranstaltungen heute, in einer Zeit des Russland-Ukraine-Krieges, in denen an die Zeit von Flucht und – wie in Gerlingen – Vertreibung erinnert wird?

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein brutales Verbrechen. Menschen sterben, Millionen, vor allem Frauen und Kinder, sind auf der Flucht. Wir sehen eine traurige Eskalation der Gewalt und der Unmenschlichkeit. Die russischen Waffen, die in der Ukraine Menschen verletzen und töten, sie gelten auch uns: uns allen in der freien und demokratischen Welt. Denn diese Waffen, die sich auf ukrainische Menschenleben richten, richten sich auch gegen die Werte von Freiheit und Demokratie, von Recht und Menschlichkeit. Dieser Angriffskrieg ist freilich auch und vor allem ein Ausdruck der Angst.

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Angst wovor?

Angst, dass die Idee der Freiheit und der Demokratie stärker ist als eine politische Ordnung, die von Angst, Repression und Unterdrückung lebt. Diesem Ungeist unserer Tage setzten wir Veranstaltungen wie den Bundesschwabenball entgegen – und bringen damit aus unserer Geschichte heraus in die Zukunft hinein zum Ausdruck, wie wichtig für uns Frieden, Freiheit und Demokratie sind.

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Viele Menschen erinnern die Bilder der Flüchtenden aus der Ukraine an ihre eigene Vergangenheit. Welchen Beitrag können sie leisten, um mit den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen im Kontext des Russland-Ukraine-Krieges hierzulande umzugehen?

Der Krieg in der Ukraine beeinflusst nicht nur das Leben der Menschen in der Ukraine und in Russland, sondern wirkt sich auch auf das Zusammenleben der Menschen in Deutschland aus. Gerade hier bei uns in Baden-Württemberg leben viele Vertriebene und Spätaussiedler. Sie sind wertvolle, geschätzte Mitbürger und haben für unser Land Hervorragendes geleistet. Diese Menschen haben leidvoll erfahren, was es heißt, auf der Flucht zu sein. Sie tragen zu einem friedlichen Zusammenleben bei, indem das Geschehene wachgehalten wird. Gleichzeitig erleben wir angesichts des Leids, das dieser Angriffskrieg verursacht, eine große Welle der Hilfsbereitschaft und der Solidarität. Das macht wirklich sehr, sehr dankbar – gegenüber jeder und jedem Einzelnen, die oder der sich hier einbringt und engagiert.

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Welchen Beitrag kann die Kultur, das Wachhalten der Erinnerung, leisten?

Die Erinnerung mahnt uns, den Wert von Frieden und Freiheit zu schätzen, und für Friede und Freiheit auch mit aller Kraft einzustehen. Um das zu vermitteln, leisten Kunst und die Kultur von jeher enorm wichtige Beiträge. Musik, Kunst, Theater, Literatur und Film waren und sind ja eine reale, konkrete Umsetzung von Freiheit, gerade auch von künstlerischer Freiheit. Künste drücken aus, was Individuen in einer Gesellschaft empfinden. Sie reflektieren Freiheit ebenso wie Freiheitsentzug – und die Schattierungen dazwischen. Dabei ist die Kultur ein öffentliches Gut, das allgemein zugänglich ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Gerade in Zeiten des Krieges ist das wichtiger denn je. Deswegen muss man auch in schweren Zeiten ab und an das Festtagsgewand herausholen – beim Bundesschwabenball und anderswo.

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Wie lautet am Samstagabend Ihre Botschaft an die Festgäste?

Diejenigen, die selbst Krieg, Flucht und Vertreibung erlitten haben oder deren Eltern und Großeltern davon betroffen waren, wissen ganz genau, was es heißt, binnen weniger Stunden gezwungen zu sein, mit wenigen Habseligkeiten am Leib aufzubrechen, seine Heimat verlassen zu müssen und um die Zurückgebliebenen zu bangen. Dementsprechend engagieren sich zahlreiche Vertriebene und Aussiedler in vorbildlicher Weise und zeigen sich mit Flüchtlingen aus der Ukraine solidarisch. Sie tragen Geld- und Sachspenden zusammen, nehmen Flüchtlinge auf und setzen sich für andere ein. Ihnen gebührt unser aufrichtiger Dank – verbunden mit der Bitte, in diesem Engagement nicht nachzulassen.

Der Eintritt ist frei. Einlass ist ab 16 Uhr, dann gibt es an der Kasse auch die Eintrittskarten.