An diesem Samstag, 10. August, startet das internationalen Jugend Turnier in Rutesheim und Renningen. Vor dem Auftakt spricht Bundestrainerin Barbara Rittner mit unserer Zeitung über die aktuelle Situation beim weiblichen Nachwuchs in Deutschland.

Rutesheim/Renningen - Im letzten Jahr dominierten die Mädchen aus dem Porsche-Junior-Team das ITF-Turnier in Renningen und Rutesheim. Wir sprachen mit der Bundestrainerin Barbara Rittner über den weiblichen Tennis-Nachwuchs und den Jugend Cup, der an diesem Samstag, 10. August, startet und bis zum 17. August dauert.

 

Frau Rittner, Deutschland ist in der Weltrangliste lediglich von Spielerinnen der Ü-30-Kategorie prominent vertreten. Haben wir keine Talente mehr?

Wir haben schon welche. Dass aber aktuell niemand hinter Kerber, Görges, Siegemund oder Petkovic kommt, liegt daran, dass aus dem Porsche-Talent-Team von vor vier, fünf Jahren viele individuell weggebrochen sind. Fangen wir an mit Anna-Lena Friedsam, die in der Weltrangliste unter den ersten 45 stand und dann zwei Schulteroperationen hatte. Catarina Witthöft war unter den Top 50 und hat den Fokus aufs Tennis verloren. Jetzt müssen wir mal abwarten, ob sie den wiederfindet. Sie ist ja erst 23 Jahre alt. Dann haben wir Antonia Lottner, die nie wirklich die Kurve gekriegt hat, Annika Beck hat aufgehört und studiert jetzt – ebenso wie Lena Rüffer. Dadurch ist die Lücke entstanden. Jetzt kann man nur hoffen, dass Anna-Lena wieder richtig auf die Beine kommt und dahinter was kommt.

Gibt es denn das Talent-Team noch?

Das Team gibt es noch. Da sind momentan noch Lottner, Gerlach und Niemeier drin. Aber auch Jule Niemeier war lange verletzt. Alle diese Mädels brauchen noch Zeit. Sie werden sich entwickeln, aber die Lücke nicht schließen können.

War das der Grund, weshalb Sie das Porsche-Junior-Team gegründet haben?

Nein, nicht unbedingt. Das hat sich so ergeben und liegt daran, dass wir vom BMI (Bundesministerium des Inneren, Anm. der Redaktion) mehr finanzielle Mittel erhalten haben und so mit Jasmin Wöhr und Dirk Dier zwei fest angestellte Trainer beschäftigen können. So kam es, dass wir uns intensiver um die jüngeren Jahrgänge kümmern konnten. Deshalb haben wir das Team gegründet, dessen Mitglieder meiner Meinung nach ein ähnliches Potenzial haben wie damals Kerber, Görges oder Petkovic.

Eine junge Baden-Württembergerin, Alexandra Vecic, hat letztes Jahr den Jugend Cup in der Kategorie U 18 gewonnen. Im Finale siegte sie gegen Porsche-Team-Mitglied Julia Middendorf. Vecic selbst gehört nicht zum Team, ist aber bereits in der Damen-Weltrangliste notiert.

Erst mal: Alex Vecic wird vom Verband optimal gefördert. Anfang des Jahres hat sie ein großes Turnier gewonnen und steht jetzt auch in der Jugendweltrangliste auf Platz 39. Sie hat sich für die French Junior Open qualifiziert, in Wimbledon stand sie im Hauptfeld des Juniorinnen-Turniers. So schlecht ist das nicht. Aber man darf nicht vergessen, dass die Mädchen noch alle in die Schule gehen. Im Jugend-Tennis kann man zwei Wege gehen. Man kann Damen spielen, man kann Jugend spielen. Und da alle unsere Mädchen noch zur Schule gehen und teilweise noch Schulpflicht haben, können sie nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Die einzige, die voll auf die Damen-Tour setzt, ist Mina Hodcic, die so um die 700 steht. Gleichzeitig den Switch zu den Damen zu finden, geht mit unserem Schulsystem nicht. Deswegen müssen wir den Mädchen einfach Zeit geben.

Wie machen es denn die anderen Länder, speziell die Belgier, die Kanadier, von den Russen erst gar nicht zu reden…

…die gehen größtenteils sehr früh nicht mehr zur Schule und spielen volle Profi-Tour. Ich glaube, dass wir in Deutschland das Problem haben, alles zu wollen – auch einen guten Schulabschluss und ja nicht zu viel auf eine Karte setzen. Die meisten Eltern sind da übervorsichtig. Unlängst habe ich Petkovic & Co. gefragt, wann sie sich entschlossen hätten, alles aufs Tennis zu fokussieren. Bei der Generation Kerber war das schon sehr früh, wobei Petko ein Einser-Abi gebaut hat, obwohl sie eine Klasse übersprungen und intensiv Tennis gespielt hat. Bei den Kleinen habe ich das Gefühl, dass sie auf die Schule setzen, da sie ja nicht wüssten, ob das mit Tennis klappt. Das ist alles so verhalten.

Wie war das denn bei Ihnen damals?

Ich habe mich als 16-Jährige nach der elften Klasse von der Schule beurlauben lassen. Danach war ich unter den Top 100, im Jahr darauf unter den ersten 40, weshalb ich darauf verzichtete, das Abitur zu machen und stattdessen 14 Jahre lang professionell Tennis gespielt habe.

Gibt es auf dem Weg zum Profi eine Formel? Schule und Tennis oder erst Schule und dann Tennis?

Die Kombination funktioniert. Allerdings müssen die Kids bereit sein, auch einen Schulwechsel auf sich zu nehmen. Alexandra Vecic kommt beispielsweise aus der Nähe von Tuttlingen, besucht aber das Kurpfalz-Gymnasium in Mannheim, das für Nachwuchssportler eine perfekte Internetbetreuung anbietet. Aber manchmal fehlt den jungen Mädchen auch die Bereitschaft, ihre heimische Wohlfühloase zu verlassen.

In jedem Bundesland gibt es ja mittlerweile Eliteschulen des Sports, die spezielle Sportlerklassen haben und Nachführunterricht anbieten…

…was genau der richtige Ansatz ist. Diese Sportklassen haben auch den Vorteil, dass sich die Kinder und Jugendlichen dort verstanden fühlen. Ich höre immer wieder von meinen Mädchen, dass sie an „normalen“ Schulen richtig Druck bekommen, wenn sie mal wieder wettkampfbedingt gefehlt haben. Lehrer und Klassenkameraden erlauben sich dumme Sprüche. Da entstehen Stress und Druck – unabhängig davon, dass sie den Unterrichtsstoff eh’ nachholen müssen. Wenn wir in unserer Leistungsgesellschaft im Sport oder auch in der Musik mitreden wollen, müssen wir umdenken.

Was empfehlen Sie den Mädchen – Profi- oder ITF-Tour?

Ich bin ein Fan der ITF-Tour, weil die meisten unserer Talente auch körperlich noch voll in der Entwicklung sind. Wenn sie mit 14 oder 16 noch ganz zart und dünn sind, sollen sie lieber im Jugendbereich spielen. Nichtsdestotrotz bin ich dafür, dass sie immer mal wieder bei den Damen reinschnuppern, um einfach den Respekt abzulegen und zu erfahren, dass der Abstand sehr eng, aber auch gleichzeitig weit weg ist. Es reicht für das Junior-Team aber, diese Erfahrung mit 16 oder 17 zu machen. Bis dahin sollen sie ruhig Jugend-Turniere wie den Jugend Cup spielen.

Dass der Jugend Cup jetzt auch ein ITF-Turnier anbietet spielt Ihnen somit voll in die Karten.

Richtig. Die Organisatoren um Peter Rohsmann haben in den letzten 20 Jahren eines der besten europäischen Jugendturniere aufgebaut. Dass jetzt auch ein ITF-Turnier angeboten wird, ist das Sahnehäubchen. Ich bin sicher, dass die ITF die Kategorie des Jugend Cups nächstes Jahr hochstuft. Dann wird es auch für ausländische Top-Spielerinnen noch interessanter. Aber ungeachtet dessen wird der Jugend Cup für unser Junior-Team und auch das DTB-Team in den nächsten Jahren eine Pflichtveranstaltung sein.