Im Landratsamt hält man wenig von der Idee, Bäume zu markieren, die jeder beliebig abernten darf.

Kreis Böblingen - Eine Wiese voller Obstbäume, voll mit rotbackigen Äpfeln. Aber einfach so pflücken? Lieber nicht, bestimmt gehören sie jemandem. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Besitzer von Streuobstwiesen ihre Bäume nicht selbst abernten und sie für die Öffentlichkeit freigeben. Manche Kommunen haben sich ein System überlegt, bei dem die Besitzer der Bäume sie mit gelben – wie im Kreis Esslingen – oder mit rot-weißen Bändern – wie in Rutesheim – markieren können (wir berichteten). Ein solches Band bedeutet: Dieser Baum darf von jedem abgeerntet werden, der vorbeikommt.

 

Kreis setzt auf persönliche Vermittlung

Im Landratsamt Böblingen betrachtet man dieses Prozedere skeptisch. Dort will man weiterhin auf die persönliche Vermittlung der Beteiligten setzen: Einerseits die Besitzer, die die Pflege und Ernte an andere abgeben möchten, andererseits die Menschen, die das Obst ernten oder sich sogar komplett um die Bäume kümmern möchten. Das funktioniert über die Streuobstwiesenbörse, wie sie auch in Rutesheim trotz der Bänder weiterhin genutzt wird. Über die Kategorien „Suche“ und „Biete“ werden die beiden Gruppen individuell zusammengebracht.

„Viel Obst von den Bäumen bleibt ungenutzt liegen, und die Leute wissen nicht, ob sie es nehmen dürfen oder nicht“, sagt Manfred Nuber, Obst- und Gartenbauberater beim Landratsamt Böblingen. „Die Idee mit den Bändern finden wir trotzdem nicht gut.“ Dass das Obst dadurch wegkommt, sei zwar ein schöner Effekt, „das ist aber nicht unser Hauptziel. Unser Ziel ist es, dass die Streuobstwiesen erhalten bleiben und die Bäume gepflegt und geschnitten werden.“ Und das gehe nur, wenn ein Bezug hergestellt wird zwischen Pflücker, Besitzer und den Bäumen.

Eigenes Obst auch ohne Garten

Letztlich profitieren alle von dem System, ist Nuber überzeugt. Menschen, die vielleicht nicht mal einen eigenen Garten haben, können trotzdem eigenes Obst aus der Region haben oder sogar eine Obstwiese pachten. Und diejenigen, die sich nicht selbst um ihre Obstbäume kümmern können, müssen sie nicht verkommen lassen. All das stärke das Bewusstsein für die eigentliche Sache, nämlich den Erhalt der Streuobstwiesen. Man könne als Nutzer auch sichergehen, dass das Obst noch am Baum hängt, wenn man sich dazu entscheidet, es zu holen.

Wer zahlt für Schäden am Baum oder Verletzungen?

Darüber hinaus bringt das Bänder-System weitere Schwierigkeiten, hat Manfred Nuber die Erfahrung gemacht. „Da geht es um Themen wie Schäden und Versicherung.“ Ist jemand fest angemeldet zum Pflücken eines Baumes, sei er über die Berufsgenossenschaft versichert, falls er stürzt und sich verletzt. Und wenn beim Abernten Schäden am Baum entstehen, weiß der Besitzer, an wen er sich wenden muss. „Es sind auch Fälle von Missbrauch bekannt, in denen Fremde die Bänder an den Bäumen angebracht haben und dann einfach so das Obst heruntergeholt haben“, berichtet Nuber.

Infos
gibt es unter www.streuobstwiesen-boerse.de oder telefonisch im Landratsamt Böblingen unter 0 70 31 / 6 63 23 80.