Ein privater Betreiber investiert sieben Millionen Euro und will den Patientenstrom nach Stuttgart stoppen.

Leonberg - Ein offizieller Spatenstich hat bisher noch nicht stattgefunden, weil sich die dafür erforderliche Politprominenz offenbar auf keinen Termin einigen konnten. Doch die rege Bautätigkeit wird durch den ausgebliebenen offiziösen Auftakt nicht gemindert: Neben dem Krankenhaus wird die Grube für ein modernes Strahlentherapiezentrum ausgehoben. In gut einem Jahr sollen dort die ersten Patienten behandelt werden.

 

Damit nimmt nun das konkrete Formen an, worüber seit beinahe zwei Jahren diskutiert wird: eine neue Behandlungsstation für Krebspatienten soll den Medizinstandort Leonberg aufwerten, durch eine Kooperation mit dem Krankenhaus einen echten Mehrwert bieten und mithin Patienten hier halten, die sonst nach Stuttgart abwandern würden.

Großer Drang nach Stuttgart

Nicht ohne Grund: „Der Drang nach Stuttgart ist groß“, sagt Josef Hoen, der Geschäftsführer der Gesellschaft für Interdisziplinäre Strahlentherapie (ISP), die in den Neubau inklusive medizinischer Gerätschaften sieben Millionen Euro investiert. Doch Patienten aus dem Altkreis gebe es genug. Die werden künftig in Leonberg eine hochmoderne Anlaufstelle finden, die es in dieser Form landesweit nur noch in Stuttgart und Heidelberg gebe.

Die Behandlungsmaschinen werden Linearbeschleuniger genannt. Die Strahlung durchdringt dabei das gesunde Gewebe und entwickelt ihre therapeutische Wirkung erst im Tumor selbst. Schnitte und Narkosen seien nicht mehr nötig. Daher könnte die Behandlung ambulant durchgeführt werden. Nur in Ausnahmefällen müssten die Patienten im Anschluss stationär ins Krankenhaus.

Zwei Strahlentherapeuten vor Ort

Hauptsitz der ISP ist in Niefern-Öschelbronn. „Hier haben wir zahlreiche Patienten aus dem nördlichen Teil des Altkreises Leonberg, etwa aus dem Bereich Ditzingen“, berichtet Hoen. Um zu verhindern, dass die sich irgendwann doch nach Stuttgart orientieren, soll das künftige radioonkologische Kompetenzzentrum eine umfassende Versorgung bieten. Eine Tendenz von Leonberg nach Böblingen, wo die ISP ebenfalls eine stationäre Strahlentherapie betreibt, hat Hoen nicht festgestellt.

Das neue Zentrum wird auf der Wiese zwischen dem Hauptbau des Krankenhauses und der Pathologie gebaut. Grundstückseigentümer ist der Landkreis, der die Fläche für 30 Jahre an die ISP verpachtet hat, die dafür knapp 20 000 Euro im Jahr nach Böblingen überweist. Das Leonberger Zentrum, an dem zwei Strahlentherapeuten vor Ort sind, bildet eine organisatorische Einheit mit dem Stammsitz in Niefern-Öschelbronn.

Josef Hoen betont, dass alle baulichen Auflagen genauestens erfüllt werden. So sind die Außenmauern aus zweieinhalb Meter dickem Beton, damit keine Strahlung nach draußen dringt.

Zulauf aus Richtung Ludwigsburg und Pforzheim erwartet

Das Zusammenspiel des Krankenhauses mit der Gynäkologie, dem Darmzentrum und der Bauchchirurgie mit der Strahlentherapie ist für den ISP-Geschäftsführer eine ideale Kombination. Entsprechend setzt Hoen nicht nur auf die Patienten aus dem Raum Leonberg, sondern erwartet zudem Zulauf aus Richtung Ludwigsburg und Pforzheim. Auch die Chefärzte des Krankenhauses sind froh über die künftige Nachbarschaft.

Anfang des kommenden Jahres soll der Bau vollendet sein. Die Betriebsaufnahme ist für den Frühsommer 2019 geplant. Das Strahlentherapiezentrum könnte der Auftakt für eine ganze Reihe von medizinischen Einrichtungen sein, die sich rund ums Krankenhaus ansiedeln sollen. Landrat Roland Bernhard hatte die Idee eines Gesundheitscampus ins Gespräch gebracht und findet dabei politische Unterstützung.

CDU: Campus als große Chance

In einem Gesundheitscampus sieht die Leonberger CDU eine gute Chance, das Krankenhaus langfristig zu sichern. Deshalb, so fordert die Gemeinderatsfraktion, soll die Verwaltungsspitze sehr schnell Gespräche mit dem Landkreis als Grundstückseigentümer und dem Klinikverbund Südwest als Krankenhausbetreiber aufnehmen. Ziel: Möglichst viele medizinische Einrichtungen, die die Attraktivität der Klinik insgesamt steigern.

„Das Problem ist, dass auch die Zukunft des Standorts Leonberg in weiten Teilen von der Gesundheitspolitik in Bund und Land abhängig ist“, erläutern die Fraktionschefin Elke Staubach und der Stadtverbandsvorsitzende Oliver Zander. „Deshalb haben wir uns überlegt, wie wir vor Ort einen positiven Impuls geben können.“

Das private Strahlentherapiezentrum und die vom Land betriebene Klinik für psychosomatische Erkrankungen sind in den Augen der CDU-Politiker ein guter Auftakt für einen Gesundheitscampus. Auch sehen Staubach und Zander weiteren Bedarf in der Altersmedizin – schon jetzt ein Schwerpunkt im Krankenhaus.

„Wir wollen den Medizinern vor Ort nicht schaden“

Welche Einrichtungen genau rund um die Klinik angesiedelt werden könnten, das müsse im engen Dialog mit den niedergelassenen Ärzten geklärt werden. „Wir möchten unseren Medizinern vor Ort nicht schaden, im Gegenteil“ versichert Staubach. Denkbar wäre, dass einige Ärzte punktuell ihre Dienste am Krankenhaus anbieten oder eine Dependance errichten.

Damit es schnell geht, sollen sich der Oberbürgermeister und der Wirtschaftsförderer um die Entwicklung eines Campus kümmern. Neue Angebote dürften allerdings nicht die Leistungen des Krankenhauses ersetzen. „Wir brauchen ein wichtiges Krankenhaus mit Chefärzten, nicht nur auf dem Papier“, stellt die Fraktionsvorsitzende klar. Dazu zählt sich auch eine bessere Busanbindung an die Klinik.