Bei der Nachfragebündelung zum Glasfaserausbau in Weissach kam das Unternehmen Deutsche Glasfaser auf nicht einmal die Hälfte der nötigen Vertragsabschlüsse. Woran lag das?

Weissach - Mindestens 40 Prozent sollten es werden, zum Stichtag Ende September waren es nur 16: Nach rund zweieinhalb Monaten konnte die Deutsche Glasfaser in Weissach nicht genug Kunden gewinnen, um flächendeckend Glasfaser in der Gemeinde auszubauen. Bis Mitte Dezember wurde die Phase nun noch einmal verlängert. Warum die sogenannte Nachfragebündelung zunächst kläglich gescheitert ist, und warum gerade Menschen über 60 Jahre bei der Kundengewinnung nicht vergessen werden sollten, erklären Weissachs Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU), Korhan Sener, Vertriebsleiter der Deutschen Glasfaser, und Alexander Dehm (Zweckverband Breitbandausbau des Kreises Böblingen).

 

Herr Töpfer, Herr Sener, Herr Dehm, in Perouse lief fast zeitgleich eine Nachfragebündelung – sehr viel erfolgreicher. Warum hat es dort geklappt, in Weissach aber überhaupt nicht?

Töpfer: Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Perouse und der Gemeinde Weissach: Perouse hat in Sachen Internetgeschwindigkeit aktuell eine miserable Anbindung. Wir haben in Weissach und Flacht zwar kein Glasfasernetz, aber die Marktwettbewerber Telekom und Vodafone bekommen hier eine gute Anbindung hin. Meine Vermutung ist also, und das höre ich auch aus dem einen oder anderen Gespräch heraus, dass viele denken: „Ich habe doch DSL mit 50 MBit, das tut es doch auch.“ Da fehlt die Sensibilisierung.

Weiter sensibilisieren will die Deutsche Glasfaser nun mit einer Verlängerung der Nachfragebündelung, inklusive kleinerer Hürde – 33 Prozent statt 40.

Sener: Das Senken des Ziels ist in meinen Augen keine Hürde, sondern ein Zeichen dafür, dass wir weiterhin an Weissach glauben. Wir haben neue Plakate und Banner drucken und aufhängen lassen, ein neues und vor allem eigenes Vertriebsteam ist vor Ort. Wir haben gemerkt, dass die Bürger bei der ersten Runde nicht so abgeholt wurden, wie wir uns das gewünscht hätten. Das machen wir jetzt besser und informieren ausführlich.

Woran lag das?

Töpfer: Man darf, auch wenn Herr Sener das nicht gerne hört, ganz kritisch sagen: Wir sind in Weissach in der Ferienzeit gestartet. Da waren einige nicht da. Auf den Plakaten und Flyern war außerdem eine Telefonnummer angegeben, die vier Wochen lang nicht erreichbar war. Diese Anrufe sind dann häufig auf dem Rathaus gelandet. Wir haben zwar versucht, so viele wie möglich zu beantworten, dürfen und wollen aber auch nicht beraten, beispielsweise welcher Tarif am besten ist. Damit haben wir einen ganzen Monat Zeit verloren. Wir sind eine kleine Kommune, da spricht sich das auch schnell herum. Wenn vier Leute anrufen und sie landen alle im Nirwana, dann wissen es auch der Nachbar oder die Eltern im Kindergarten.

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Sehen Sie auch die Verwaltung in der Verantwortung, Herr Töpfer?

Töpfer: Nein, weil es nicht unsere Aufgabe ist. Wir machen keinen Vertrieb und keine Werbung. Wir haben versucht, in der beschriebenen Phase so gut es geht auszugleichen, Kontakte herzustellen und zu informieren. Weil wir immer wieder feststellen – und das war auch in den ersten vier Wochen der Tenor – dass die Leute in erster Linie nicht wissen, um was es eigentlich geht.

Dehm: Wir sehen uns auch als Zweckverband nicht in der Pflicht, Werbung im Namen einzelner Unternehmen zu machen, aber sehr wohl in der Verantwortung, ein Verständnis für technologische Entwicklungen zu schaffen. Es geht einerseits um gesellschaftliche Teilhabe – Stichwort Homeschooling. Andererseits geht es um Innovation. Wie sollen unsere mittelständischen Unternehmen digitale Geschäftsmodelle einführen, wenn sie das Grundlegendste der Digitalisierung, ein Glasfasernetz, nicht zur Verfügung haben?

Mit welchen Sorgen, die von einem Wechsel zu Glasfaser abhalten, kommen die Menschen ins Rathaus beziehungsweise zur Deutschen Glasfaser?

Sener: Es gibt wenig Sorgen, glaube ich. Eher Bequemlichkeit. Der Schwabe sagt, Internet funktioniert doch, ich brauche nichts Anderes. Das ist bei vielen der Hauptfaktor.

Jeder fünfte Weissacher ist älter als 66 Jahre – nicht gerade die Zielgruppe, die auf schnelleres Internet pocht. Lohnt es sich, gerade diese Haushalte anzusprechen?

Töpfer: Unbedingt. Das ist natürlich eine Personengruppe, bei der grundlegendes Wissen zur Digitalisierung fehlt. Da gibt’s beispielsweise nur eine E-Mail-Adresse, die wird benutzt, um mit den Enkeln Fotos auszutauschen, aber kein Homeoffice und kein Netflix und Co. Hier sehe ich Handlungsbedarf, und das wird auch ausschlaggebend für den Erfolg sein. Es ist schon spannend, wenn man sich überlegt, was alles an so einem Glasfaserausbau hängt.

Zum Beispiel?

Töpfer: Man kann das sehen wie eine Art Sanierung. Am Haus ist natürlich nichts kaputt, aber es ist ein neuer Anschluss, um es auf den neusten Stand zu bringen. Auch beim Stichwort Telemedizin wird ein schneller Internetanschluss in Zukunft immer wichtiger.

Dehm: Ein Glasfasernetz trägt zur monetären Aufwertung der eigenen Immobilie bei, aber auch zur Steigerung der Lebensqualität und des Wohlstands in der gesamten Gemeinde. Man kann den Glasfaserausbau also auch als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen.

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Weissach ist Mitglied des Zweckverbands, der über die Gigabit-Region Stuttgart einen Rahmenvertrag mit der Telekom abgeschlossen hat. Im Februar sagten Sie, Herr Töpfer, dass dieser Ausbau äußerst zäh voranschreite. Ist ein Ausbau über die Gigabit-Region nach wie vor keine Alternative?

Töpfer: Ich kann nur für unsere Gemeinde sprechen, und da hat sich seither rein gar nichts verändert. Ein maßgebliches Kriterium bei der Entscheidung des Gemeinderats für die Kooperation war, dass die Deutsche Glasfaser eigenwirtschaftlich ausbauen will. Das wäre bei der Telekom nicht der Fall, dann müsste die Kommune einen signifikanten Eigenbeitrag leisten. Der bewegt sich im Bereich von mehreren Millionen Euro. Einem möglichen Ausbau der Telekom steht aber nichts entgegen. Nur wird der aus meiner persönlichen Einschätzung nicht in den nächsten Jahren stattfinden.

Die Gigabit-Region hat sich 2030 als Ziel gesetzt. Daran glauben Sie also nicht?

Töpfer: Nein, den flächendeckenden Glasfaserausbau von 90 Prozent bis 2030 halte ich für schwer umsetzbar.

Glasfaserausbau in Weissach

Zweckverband
Die Gemeinde Weissach ist Mitglied im Zweckverband Breitbandausbau des Landkreises, der 2019 mit dem Ziel gegründet wurde, den flächendeckenden Glasfaserausbau voranzutreiben. Zusammen mit weiteren Landkreisen hat der Zweckverband sich wiederum zur Gigabit Region Stuttgart zusammengeschlossen. Diese hat zwar eine Kooperation mit der Telekom, begrüßt aber auch den Ausbau anderer Anbieter. Bis 2030 soll der Glasfaserausbau zu 90 Prozent vollzogen sein. In welcher Reihenfolge die Kommunen im Rahmen der Gigabit Region ausgebaut werden, wird jährlich entschieden. Aktuell steht die Gemeinde Weissach dort nicht auf der Agenda.