Im Klinikverbund Südwest sind zwei von 61 Intensivbetten frei, es werden noch mehr geplante OPs verschoben. Im Enzkreis und Pforzheim ist es ähnlich prekär.

Kreis Böblingen/Enzkreis - Die vierte Corona-Welle schwappt in die Krankenhäuser in der Region und die müssen nun darauf reagieren. Die Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Die Lage auf der Intensivstation spitzt sich in diesen Tagen dramatisch zu. Von den 61 betreibbaren Intensivbetten im Klinikverbund Südwest waren am Mittwoch nur noch zwei frei. 14 sind mit Covid-19-Patienten belegt, von denen wiederum 13 beatmet werden müssen. „Von den momentan auf Intensivstationen behandelten Covid-Patienten sind lediglich zwei geimpft“, teilt der Klinikverbund auf Anfrage mit. Die Zahl der Patienten sowie der betreibbaren Betten schwanke von Tag zu Tag, je nach Personalstand und Schwere der Erkrankung bei den Patienten.

 

Operationen werden verschoben

Zuletzt hatte der Klinikverbund bereits elektive Operationen verschoben. Nun werden weitere Maßnahmen ergriffen. „Die Konsequenz ist, dass wir die Isoliereinheiten wieder nach und nach vergrößern und das elektive Operationsprogramm zunehmend reduzieren müssen, um täglich weitere Intensivkapazitäten frei zu machen. Wir fahren hier bereits seit vielen Tagen auf Sicht, je nach Haus und Belegung“, erklärt Ingo Matheus, der Sprecher des Klinikverbunds. Teils lange geplante Eingriffe werden nun verschoben. „Ein Aufstocken der Intensivkapazitäten ohne Leistungseinschnitte in anderen Bereichen ist aufgrund der Personallage nicht möglich“, ergänzt der Sprecher. Dazu komme der gerade im Herbst ansteigende Krankenstand in der Belegschaft, der die Situation zusätzlich verschärfe.

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Derzeit werden in den sechs Kliniken zwischen Leonberg und Nagold 67 an Covid-19 Erkrankte behandelt. Auf dem Höhepunkt der dritten Welle nach Weihnachten 2020 seien es 109 gewesen, 19 auf Intensiv und davon 18 beatmet. Auch damals waren nahezu alle Intensivkapazitäten im Verbund belegt, die Überlastung drohte. „Wir befinden uns somit inmitten der vierten Welle, Tendenz in den kommenden Tagen voraussichtlich stark ansteigend“, warnt Ingo Matheus. Erfahrungsgemäß stünde die verzögerte Urlaubsrückkehrerwelle nach den Herbstferien noch bevor.

Klinik-Mitarbeiter schieben Frust

„Dementsprechend groß ist bei den Mitarbeitern angesichts der bereits jetzt angespannten Versorgungslage der Frust beziehungsweise das Unverständnis im Hinblick auf die Impfmüdigkeit.“ Hinzu käme, dass nach fast zwei Jahren Pandemie und Ausnahmebelastung speziell die Fachkräfte auf den Intensivstationen am physischen wie psychischen Limit seien, sagt der Sprecher.

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Selbstverständlich würden auch Nicht-Geimpfte mit der gleichen Sorgfalt und Professionalität behandelt. „Dennoch muss man bedenken, dass alle freiwillig Ungeimpften wider besseren Wissens wertvolle und knappe Ressourcen im Gesundheitswesen auf Kosten anderer Patienten, deren Operationen nun geschoben werden müssen, blockieren“, sagt Ingo Matheus. Hinzu käme die längere Verweildauer von Corona-Patienten, die durchschnittlich 9,4 Tage im Krankenhaus lägen – ein Patient mit einem Herzinfarkt im Schnitt nur 5,9.

Keine freien Intensivbetten mehr in Pforzheim und dem Enzkreis

„Wer heute einen schweren Unfall hat oder einen Herzinfarkt erleidet, für den gibt es im Augenblick kein freies Intensivbett in Pforzheim und im Enzkreis.“ Deutliche Worte findet auch Felix Schumacher, der Chefarzt der Intensiv- und Notfallmedizin im Helios-Klinikum Pforzheim. Dort ist die Zahl der Corona-Patienten in den vergangenen Tagen sehr stark angestiegen. Ein erkältungsbedingt zunehmender Krankenstand tue sein Übriges, auch die Normalstationen sind voll. Aktuell liegen 61 Menschen mit Covid-19 in den drei Krankenhäusern in Pforzheim und im Enzkreis, 16 davon auf den Intensivstationen.

Insgesamt stehen in den drei Kliniken in Pforzheim und dem Enzkreis, die überhaupt eine Intensivstation haben, 29 Betten mit Beatmungsgeräten zur Verfügung. „Allein heute früh kamen zwei Patienten, die vom Rettungswagen direkt an die Beatmungsmaschine mussten,“ sagt Felix Schumacher am Mittwoch.

Impfquote liegt unter Landesschnitt

Angesichts der angespannten Lage wendet sich der Landrat des Enzkreises, Bastian Rosenau, mit einem Impfaufruf an die Bevölkerung: „Es geht nicht um eine Privatsache, sondern darum, solidarisch zu sein. Wer sich selbst schützt, der schützt auch andere.“ Letztendlich gehe es darum, das Krankenhauspersonal, das am Anschlag und nach eineinhalb Jahren Pandemie erschöpft sei, vor einer weiteren Überforderung zu schützen.

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„Das Infektionsgeschehen ist im ganzen Land sehr dynamisch – aber hier bei uns macht sich sehr deutlich die relativ niedrige Impfquote bemerkbar“, sagt Brigitte Joggerst, die Leiterin der Gesundheitsamts im Enzkreis. Der Anteil vollimmunisierter Einwohner beträgt im Enzkreis aktuell 58,8 Prozent, in Pforzheim 55,2 Prozent, das ist der niedrigste Wert im Bundesland. Böblingen liegt mit 61,5 Prozent an vollständig Immunisierten ebenfalls unter dem Landesschnitt von 62,8. Der Bundesschnitt liegt indes bei 67 Prozent.

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