Familie Weiß pflegt eine nicht ungefährliche Tradition. Mit ihrer mobilen Schleifwerkstatt ist sie in Leonberg zu Gast.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Der Stromgenerator brummt, im Inneren des Kleintransporters ist alles hergerichtet. Da steuert eine Frau mit ihrem Fahrrad auf die hintere Ecke des Festplatzes zu. Und tatsächlich: Kundschaft für die mobile Schleifwerkstatt der Familie Weiß. Sie macht in dieser Woche Station in Leonberg.

 

Eigentlich wohnt Romeo Weiß im pfälzischen Neustadt an der Weinstraße. Doch von März bis Dezember ist er dort nur selten anzutreffen. Nur rund um Weihnachten legt die fahrende Werkstatt eine Pause ein.

Geschliffen wird alles, was eine Klinge hat

Schon in siebter Generation tingelt der 50-jährige Scherenschleifer mit seiner Frau und den Söhnen Maurice (24) und Sergio (22) durch die Lande, um seine selten gewordene Handwerkskunst anzubieten. Geschliffen wird alles, was eine Klinge hat, zum Beispiel Messer, Schere und Beile. Während seine Vorfahren zu Beginn noch mit Planwagen und Pferden umherzogen, hat die Familie in einem umgebauten Transporter alles Notwendige für die Arbeit untergebracht.

Die aktuelle Kundin zieht ein Küchenmesser und eine Schere aus ihrem Jutebeutel. Sie hat zufällig gesehen, dass der Transporter auf dem Festplatz steht, und zu Hause die stumpfen Klingen geholt. Nun ist das Können von Maurice Weiß gefragt, der ins Innere des Transporters verschwindet. Erst werden die Klingen am Schleifstein wieder geschärft, dann folgt die Politur. Sein Bruder Sergio gibt der Leonbergerin zum Abschluss den Rat: „Bitte nicht in der Spülmaschine waschen.“

Handwerkliches Können wurde ihm in die Wiege gelegt

Nach Leonberg kommt Romeo Weiß ein bis zweimal im Jahr. Bereits sein inzwischen verstorbener Vater war am Engelberg regelmäßig zu Gast. Die Touren der Familie beschränken sich aber nicht nur auf Deutschland. In Italien und in anderen Teilen von Europa ist die mobile Werkstatt ebenfalls unterwegs. „Ich finde es schön, unter Leuten zu sein. Das ist mir wichtig“, sagt Romeo Weiß. Nur die Staus, die es in den Ferienzeit häufiger auf den Autobahnen gibt, seien ein wenig nervig. Denn bei weniger langen Touren übernachtet die Familie nicht in der fremden Stadt, sondern fährt zurück in die pfälzische Heimat.

Die Vorschläge für die Routen kommen von den zwei Söhnen. „Beide wollen in meine Fußstapfen treten“, sagt Romeo Weiß, in dessen Stimme bei diesen Worten viel Stolz mitschwingt. Die Messer- und Scherenschleiferei hat in seiner Familie eine lange Tradition. Seit 1846 wird das Handwerk gepflegt. „Mir ist es in die Wiege gelegt worden“, sagt der 50-Jährige. Das Schleifen hat er von seinem Vater gelernt. Für ihn war immer klar, dass er die Tradition fortführen will. „Auch wenn man davon nicht reich wird“, wie er gesteht. Das sei aber auch gar nicht wichtig.

Narben an Arm und Gesicht

Jedes der vier Familienmitglieder hat seine Aufgabe. Auch seine beide Söhne hat Romeo Weiß an seinem Wissen und seinen Erfahrungen teilhaben lassen. Am Schleifstein vertritt ihn aber hauptsächlich sein ältester Sohn. „Ich stelle mich manchmal etwas tollpatschig an“, gibt Sergio Weiß zu. Er zeigt mit einem entschuldigenden Lächeln seine Narben an Arm und Gesicht, die belegen, dass die Arbeit am Schleifstein nicht ungefährlich ist. Der 22-Jährige kümmert sich daher lieber um das Kassieren und die Vorbereitung der nächsten Touren. Zudem sammelt Sergio Weiß alten, abgelegten Schmuck und Zahngold, woraus er neuen Schmuck herstellt. „Wer so etwas gerne loswerden möchte, kann es gerne bei uns abgeben.“

Noch bis Samstag ist das Schleifmobil der Familie Weiß auf dem Leonberger Festplatz anzutreffen. In der vergangenen Woche war es noch in Sindelfingen. Wohin die nächste Tour geht, ist jetzt noch nicht klar. „Wir entscheiden das meistens recht spontan“, erklärt Romeo Weiß. Vielleicht steht bald auch ein Urlaub an. Eine lange Auszeit wird es aber wohl nicht werden. „Ich kann nicht gut die Füße hochlegen“, sagt er.