Seit Mitte vergangener Woche wird auch in den Hausarztpraxen gegen das Coronavirus geimpft. Welche Erfahrungen haben die Mediziner bisher gemacht? Die Nachfrage jedenfalls ist da.

Hemmingen/Leonberg - Für den Hemminger Hausarzt Robin Maitra ist das Impfen schon Routine. In der Gemeinschaftspraxis wird der Stoff von Biontech seit März gespritzt, weil sie im Rahmen der Pilotphase für den Kreis Ludwigsburg ausgewählt wurde. Maitra impfte somit kreisweit als erster Hausarzt. „Jetzt erhalten wir mehr Impfdosen und können in Ausnahmefällen auch jüngere Patienten mit hohem Risiko impfen“, erläutert er die Veränderungen. Die Menge an Impfdosen, die er nun hat, „ist nicht so wenig“, findet er. Vorige Woche waren es für die fünf Ärzte 126 Dosen in 21 Fläschchen. Bestellt wird montags für die Folgewoche. „Am Mittwoch oder Donnerstag erfahren wir, wie viel Impfstoff wir bekommen“, sagt Maitra. Die Apotheke liefert ihn dann aus.

 

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Hinter den Impfungen stecke „ein irrer Aufwand“, sagt der Mediziner. Bei den Patienten verzeichne er einen „hohen Ansturm“. Hausärzte hätten „unglaublich viel zu tun“, sagt Maitra. Erfreulicherweise seien bereits viele über 80-Jährige geimpft. Bei ihm sollen die für eine Impfung berechtigten Patienten über 70 Jahre nach Möglichkeit auf der Internetseite der Praxis einen Termin buchen.

Geimpft wird jeden Donnerstag. Der Tag, der bisher für Hausbesuche reserviert war. Um 12 Uhr habe er die erste, um viertel nach zehn am Abend die letzte Spritze gesetzt, berichtet Robin Maitra. All das nehme er aber gern in Kauf: Nur mit Impfen könne man seiner Meinung nach derzeit die Pandemie in den Griff kriegen.

Erster Impfstoff kommt am Dienstag

150 Arztpraxen im Landkreis Böblingen hatten im Vorfeld ihr Interesse am Corona-Impfprogramm für Hausärzte bekundet. Da aber viele in der vergangenen Woche ferienbedingt noch im Urlaub waren, geht es vielerorts erst in dieser Woche los. Noch keine Erfahrung mit den Corona-Impfungen hat die Gemeinschaftspraxis von Sabine Mundinger und Rainer Merk in Leonberg sammeln können. „Wir erhalten unseren ersten Impfstoff erst am Dienstag“, sagt Sabine Mundinger. 30 Biontech-Impfdosen sind angekündigt. „Wir werden wohl erst von Woche zu Woche erfahren, wie viele es jeweils sein werden“, sagt die Medizinerin. Verabreichen könnten die Ärzte der Praxis aber viel viel mehr. „Die Nachfrage ist enorm.“

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Das Praxisteam hat die Patienten in einer Prioritätenliste eingeordnet. „Es gibt da ja klare Vorgaben. Zuerst kommen die über 90 Jahren dran, dann Ü80 und dann erst Ü70“, erläutert die Medizinerin. Und innerhalb der Kategorie geht es dann danach, wer Vorerkrankungen hat. Insgesamt seien die Impfungen ein großer Aufwand, mehr als etwa bei der Grippeimpfung. Vorbereitung, Aufklärung, Dokumentation – das alles sei umfangreicher. „Das ist halt eine neue Impfung. Aber nichts, was wir nicht hinkriegen.“

Bereits zwölf Impfdosen verabreicht hat Corina Brodmann, deren Praxis sich im Leonberger Stadtteil Silberberg befindet. „18 Impfdosen konnte man bestellen, zwölf haben wir dann am vergangenen Mittwoch erhalten“, berichtet die Allgemeinmedizinerin. Da es sich um das Präparat von Biontech handelt, wurde in der Praxis geimpft. „Es ist für einen Hausbesuch nicht geeignet, da es keinen Erschütterungen ausgesetzt sein soll“, erklärt Brodmann. Sie hofft, dass bald weitere Vakzine für Hausärzte freigegeben werden, mit denen dann auch bettlägerige Patienten versorgt werden können.

Große Nachfrage in den Praxen

Auch in ihrer Praxis sei die Nachfrage groß gewesen. „Viele haben direkt angerufen. Bei anderen, die ohnehin in der Sprechstunde waren, haben wir das Thema angesprochen“, erzählt Corina Brodmann. Für die ersten zwölf Impfdosen war die Patientenliste schnell fertig. „Das hat man schnell im Kopf zusammen“, sagt die Medizinerin. Es gebe zwar eine feste Reihenfolge der Impfkategorien. „Wir müssen uns auch vorbehalten, dass wir selbst priorisieren können“, sagt sie. Das beziehe sich aber nur auf Menschen der gleichen Prioritätengruppe. Nicht immer eine leichte Entscheidung. „Ist jetzt ein Bettlägeriger, der daheim eher abgeschottet ist, mehr gefährdet, als ein Aktiver der gleichen Altersgruppe, der viel unter anderen Menschen ist?“ Das ist eine der vielen Fragen, die die Ärzte dabei abwägen müssen. Genauso müsse man auch an die Kontaktpersonen von Kranken und Pflegebedürftigen denken.

Da die Zahl der Impfdosen in den kommenden Wochen weiterhin beschränkt sein wird, raten beide Ärztinnen, dass die Impfwilligen und -berechtigten sich auch weiter um Termine in den Zentralen oder Kreisimpfzentren bemühen. Deren Betrieb laufe hervorragend. „Viele möchten bei ihrem Hausarzt geimpft werden, weil sie uns mehr vertrauen. Am Ende geht es aber darum, dass so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich gegen das Coronavirus geimpft sind“, meint Corina Brodmann.