Der Franziskanerbruder Antonius, alias Uwe Painke, entführt die Gäste seiner Kostümführung ins Spätmittelalter. Zu dieser Zeit war das Finanzamt noch eine stattliche Burg.

Leonberg - Im Burghof vor dem Leonberger Finanzamt erwartet der Mönch Antonius, alias Uwe Painke, seine Besucher. Er entführt die kleine Gruppe in das Mittelalter, genauer gesagt in das Jahr 1457. Zu dieser Zeit gab es hier eine Burg, später umgebaut zum Schloss, in der vermutlich der erste Württembergische Landtag zusammenkam.

 

Württemberg war seit 1442 geteilt in eine Uracher Linie mit dem Grafen Ludwig und eine Stuttgarter Linie mit dem Grafen Ulrich. Nach dem Tode Ludwigs gab es nur dessen zwölfjährigen und damit unmündigen Sohn Eberhard als potenziellen Nachfolger. Ulrich wollte die Gelegenheit nutzen und die Vormundschaft über ihn und damit die Herrschaft über ganz Württemberg erlangen. Doch ganz so einfach wurde es nicht, beim Ringen um die Macht musste Ulrich die bürgerliche Oberschicht in den Städten einbinden, die sogenannte „Landschaft“. Eigens zur Regelung der Vormundschaft wurde am 16. November 1457 zum ersten Mal ein württembergischer Landtag einberufen.

1482 erfolgt die Vereinigung

Ulrich erhielt zwar die Vormundschaft, musste aber der Landschaft ein politisches Mitspracherecht an der Regierung vertraglich zusichern. Allerdings wurde Eberhard schon zwei Jahre später für volljährig erklärt und übernahm selbst die Regierung seiner Uracher Landeshälfte. Erst 1482 erfolgte durch Graf Eberhard die Vereinigung der beiden Landesteile im Münsinger Vertrag.

Vor dem Hintergrund dieses historischen Ereignisses gestaltet Uwe Painke die Stationen seiner Stadtführung durch Leonberg. „Das Mittelalter ist die Wiege unserer Gesellschaft“, erklärt der Stadtführer, „das Wissen darüber hilft uns auch heute noch, unsere Gesellschaft besser zu verstehen.“ Als Mittler zwischen den Jahrhunderten dient das Kostüm des Mönchs „Antonius“, in das Painke schlüpft. Mit seiner Kutte aus brauner Wolle gehört er zu den Bettelmönchen der Franziskaner, die in Leonberg im Kloster lebten. Erinnert wird an das 1467 errichtete Kloster bis heute im Kreuzgang im Schulhof der Spitalschule.

Wohlstand war bei den Franziskanern verpönt, die Kleidung war ein Kennzeichen für ihre bescheidene Lebensführung. Das Habit wurde nur mit einem Strick zugebunden, der drei Knoten hat. Sie stehen für Armut, Keuschheit und Gehorsam und damit für das Glaubensbekenntnis der Franziskaner. Sie sind die Helfer der Armen und auch in Zeiten der Pest waren sie für die Pflege der Kranken zuständig, zum Beispiel auch im Spital, gegenüber der Stadtkirche, genannt „Barfüßerhaus“, nach den in Sandalen oder barfuß gehenden Franziskanern, die im 14. und 15. Jahrhundert darin wohnten. 1487 bis 1552 war im Spital das erste städtische Kranken- und Armenhaus und Altersheim untergebracht.

Auf dem Rundgang lernen die Besucher auch den „Gottes-Wort-Klopferstein“ kennen, heute etwas unscheinbar in der Zwerchstraße zu finden. Dort wurden von den Buchbindern die Pergamentseiten der Bibel mit einem sechs Kilo schweren Hammer flach geklopft, bis sich der Buchrücken bog. Mit der Erfindung des Buchdrucks beginnt auch die Zeit der Universitätsgründungen, zum Beispiel 1477 in Tübingen. In der Oberamteistraße steht noch die ehemalige Universitäts-Zehntscheuer für die Tübinger Hochschule. Hier wurden Pacht und Zehntgelder gesammelt und verwaltet.

Das Zentrum weltlicher Macht

Weiter geht es zum mittelalterlichen Zentrum weltlicher Macht in Leonberg, dem Bürgerhaus, dem ersten Rathaus der Stadt in der Oberamteistraße/Ecke Marktplatz. Es steht direkt gegenüber dem zwischen 1460 und 1480 neu erbauten „Alten Rathaus“. Und nur wenige Meter weiter vor dem Steinhaus, am Oberen Tor der Stadtmauer, dem heutigen Schwarzen Adler, schließt Uwe Painke seinen Rundgang ab. Das Steinhaus ist auch eine mögliche Tagungsstätte des Landtags von 1457. Ob der Württembergische Landtag aber nun tatsächlich in der Burg oder im Steinhaus tagte, ist urkundlich nicht belegt, wahrscheinlicher ist wohl, dass er in der Burg abgehalten wurde. Immer eine Station bei einer Stadtführung wert sind bis heute beide historische Gebäude.